Antitrust Audits haben erhebliche Bedeutung. Sie sind besonders im Umgang mit dem ermittelten Sachverhalt als auch bei kartellrechtlichen Durchsuchungen.
Im kartellrechtlichen Kontext haben Internal Investigations besondere Relevanz. Sie sind – als Teil eines Antitrust Audits – eines der maßgeblichen Aufklärungsinstrument für die Aufdeckung von Kartellrechtsverstöße in Unternehmen durch die Unternehmen selbst. Als erwünschte Nebenfolge erhöhen Antitrust Audits auch das Risikobewusstsein der Unternehmensangehörigen für die kartellrechtlichen Gebots- und Verbotsnormen. Sie dienen damit auch der Vorbeugung von Kartellrechtsverstößen in Unternehmen. Auch aufgrund der stetig verschärften Verfolgungspraxis der Kartellbehörden ist die Durchführung kartellrechtlicher Audits – als Teil der Compliance-Bemühungen – unerlässlich.
Antitrust Audits – die Vorteile
Regelmäßige Antitrust Audits zeigen Bereiche im Unternehmen auf, die für die Begehung von Kartellrechtsverstößen besonders gefährdet sind. Diese Risikobereiche können dann gezielt durch weitere Compliance-Maßnahmen, wie etwa die Durchführung kartellrechtlicher Trainings, sensibilisiert werden
Regelmäßige Antitrust Audits ermöglichen außerdem, frühzeitig Verstöße gegen kartellrechtliche Vorschriften zu erkennen. Damit eröffnen sich für Unternehmen Handlungsmöglichkeiten im Hinblick auf aufgedeckte Verstöße:
- Unternehmen können Kartellrechtsverstöße zu einem sehr frühen Zeitpunkt abstellen, sodass ein Risiko einer Aufdeckung und Befassung durch eine Kartellbehörde minimiert wird.
- Für Kartellrechtsverstöße sehen viele nationale und internationale Kartellgesetzte – so etwa das deutsche Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und die EU-Kartellverfahrensverordnung – Kronzeugenregelungen vor. Diese gewähren dem ersten Unternehmen, das einen Kartellrechtsverstoß anzeigt, einen vollständigen Bußgelderlass. Eine frühzeitige unternehmensinterne Aufdeckung eines Kartellrechtsverstoßes versetzt Unternehmen in die Lage, diesen kartellrechtlichen Kronzeugenvorteil in Anspruch zu nehmen.
Eine Reihe von Kartellgesetzen – darunter das deutsche GWB – gewähren im Falle von Kartellrechtsverstößen zudem Bußgeldreduktionen, wenn das betroffene Unternehmen angemessene kartellrechtliche Compliance-Maßnahmen, zu denen auch die Durchführungen von Antitrust Audits gehört, nachweisen kann.
Der Regelfall: Antitrust Audits als Teil der regulären Compliance-Maßnahmen
Üblicherweise finden Antitrust Audits regelmäßig als Teil der Compliance-Maßnahmen von Unternehmen statt. Einen fixen Turnus für die Durchführung von Antitrust Audits gibt es dabei nicht. In der Praxis werden Antitrust Audits – abhängig von der Unternehmensgröße – häufig in einem Turnus von drei bis fünf Jahren oder in einem rollierenden System, in dem sukzessive einzelne Unternehmensbereiche durchleuchtet werden, durchgeführt.
Die Durchführung und der Ablauf von Antitrust Audits sind dabei nicht schematisch, sondern an das jeweilige Unternehmen und die jeweilige Risikosituation angepasst, wenngleich sie sich in Ablauf und Umfang ähneln:
Ausgangspunkt: Bestandsaufnahme und Identifikation besonders gefährdeter Unternehmensbereiche
Am Beginn jedes Audits – so auch bei Antitrust Audits – steht die Bestandsaufnahme. Darunter fällt insbesondere die Frage, ob es einen konkreten Anlass für den Antitrust Audit gibt, z.B. den Hinweis eines Whistleblowers über das interne Hinweisgebersystem oder eine konkrete Beschwerde eines Abnehmers oder sonstigen Dritten.
Bei anlassbezogenen Antitrust Audits gibt der Anlass den anfänglichen Umfang der Internal Investigation vor. Handelt es sich um eine Beschwerde gegen eine bestimmte Person oder (Vertrags-)Praxis wird diese zunächst genauer untersucht, bevor der Audit ggf. ausgeweitet wird.
Bei anlasslosen Antitrust Audits als Teil der regulären Compliance-Bemühungen werden zunächst diejenigen Unternehmens- und ggf. Tätigkeitsbereich identifiziert, die für Kartellrechtsverstöße besonders gefährdet sind:
- Funktionell betrifft dies vor allem die Bereiche Vertrieb und Pricing. Auch die Verbandsarbeit und ggf. Benchmarkingaktivitäten von Unternehmen sind besonders zu beleuchten.
- Besonders gefährdete Tätigkeitbereiche bzw. Sektoren sind solche, die „traditionell“ bereits häufiger im Fokus der Kartellbehörden standen. Weitere Faktoren, die für ein höheres Risiko von Kartellrechtsverstößen in bestimmten Sektoren bzw. Märkten sprechen, sind z.B. ein hoher Konzentrationsgrad, (hoch) standardisierte Produkte, geringer Preiswettbewerb, Liefervereinbarungen mit bzw. Joint Ventures zwischen Wettbewerbern und abnehmendes Marktvolumen.
Nachdem die für den Audit relevanten Unternehmens- und Tätigkeitsbereich identifiziert wurden, werden im Rahmen der Bestandsaufnahme die für den Audit relevanten Unternehmensangehörigen festgelegt.
Ablauf des Antitrust Audits
Der Antitrust Audit enthält üblicherweise drei Hauptkomponenten: Die Sicherung der für den Audit relevanten physischen und elektronischen Unterlagen, die Auswertung dieser Unterlagen und Interviews mit betroffenen Mitarbeitern. Die Tiefe und der Umfang der einzelnen Komponenten hängen stark davon ab, ob es sich um (1.) einen anlasslosen oder (2.) einen reaktiven Antitrust Audit, z.B. aufgrund eines Hinweises über das Hinweisgebersystem des Unternehmens, handelt:
- Anlasslose Antitrust Audits beginnen regelmäßig mit Interviews des zuvor identifizierten Personenkreises um die generelle Risikoexposition des Unternehmens und der einzelnen Unternehmensbereiche weiter zu präzisieren. Für die kartellrechtliche Bewertung ist dabei ein besonderes Augenmerk auf die Bewertung der relevanten Märkte und insbesondere auch die Marktstellung des Unternehmens zu legen. Einige kartellrechtliche Ge- und Verbotsnormen betreffen z.B. nur Unternehmen mit einer marktstarken Position.
Im Anschluss daran erfolgt eine Prüfung der wesentlichen Verträge und Vertragsmuster mit Abnehmern und Zulieferern des Unternehmens auf besonders kartellrechtlich relevante Klauseln, wie z.B. Exklusivitäten, Meistbegünstigungsklauseln, Preisvorgaben, Wettbewerbsverbote, etc. Ebenfalls geprüft werden die Unterlagen im Zusammenhang mit der Verbandsarbeit des Unternehmens, z.B. Sitzungsprotokolle aber auch Unterlagen im Zusammenhang mit von Verbänden festgelegten Normen und Standards oder verbandsseitige Benchmarkingaktivitäten.
Sollten die Dokumentenprüfung Verdachtsmomente für eine kartellrechtliches Fehlverhalten ergeben, erfolgen zunächst weitere Gespräche mit den beteiligten Unternehmensangehörigen und – sollten die Verdachtsmomente nicht ausgeräumt werden können – im Anschluss eine Dokumentenreview der elektronischen Daten der betroffenen Unternehmensangehörigen.
- Bei einem reaktiven Antitrust Audit steht die Dokumentenreview zunächst im Mittelpunkt des Audits. Im Gegensatz zu dem anlasslosen Antitrust Audit liegt der Schwerpunkt der Dokumentenreview nicht auf Vertragstexten, sondern auf der Kommunikation der betroffenen Unternehmensangehörigen, z.B. E-Mails, Whatsapp-Chats, etc. Die Praxis zeigt, dass Interviews mit Unternehmensangehörigen wenig ergiebig sind, wenn sie vor einer Dokumentenreview, in der ggf. belastendes Material gefunden wurde, durchgeführt werden.
Für die Durchführung der Dokumentenprüfung, auch eDiscovery genannt, wird regelmäßig auf spezialisierte externe IT-Dienstleister zurückgegriffen. Diese sichern den zu durchsuchenden Datenbestand und bereiten ihn auf. Das hat den Vorteil, dass die spezialisierten IT-Dienstleister die relevanten Daten forensisch verwertbar sicherstellen und dies auch in einem ausführlichen Bericht bestätigen können.
Im Anschluss daran werden Suchwörter auf den Datenbestand angewendet. Die Suchwörter beziehen sich auf den bereits bekannten Sachverhalt bzw. einzelne Personen und Daten. Es werden jedoch auch solche Suchwörter angewendet, die in der Vergangenheit häufig bei Kartellabsprachen verwendet wurden. Der so herausgefilterte Datenbestand wird dann durch weitere Einschränkungen reduziert und im Anschluss von Reviewern – und Zuhilfenahme von KI-Komponenten – geprüft.
Nach der Durchführung der Dokumentenreview folgen auch bei dem reaktiven Antitrust Audit Interviews mit den betroffenen Unternehmensangehörigen, in denen – unter Verwendung der aufgefundenen Informationen und Dokumente – der Sachverhalt abschließend geklärt werden soll.
In Einzelfällen oder wenn die Interviews zu weiteren Verdachtsmomenten z.B. gegen weitere Unternehmensangehörige oder bisher nicht erfasste Sachverhalte geführt haben, erfolgt eine weitere eDiscovery im Hinblick auf diese Personen oder Sachverhalte.
Der Abschluss: Auswertung des Sachverhalts und Bewertung etwaiger kartellrechtlicher Risiken
Nach Ermittlung des Sachverhaltes wird dieser ausgewertet. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, ob das Unternehmen gegen kartellrechtliche Vorschriften verstoßen hat. Sollte dies der Fall sein müssen zunächst die rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken, die aus einem solch Verstoß für das Unternehmen folgen erfasst und bewertet werden. Auf dieser Grundlage werden dann die Handlungsmöglichkeiten und der – ggf. akute – Handlungsbedarf festgestellt. Die folgenden Handlungsmöglichkeiten kommen dabei in Betracht:
- Kronzeugenantrag bei der Kartellbehörde. Für Kartellrechtsverstöße können Unternehmen einen Kronzeugenantrag bei der Kartellbehörde stellen. Wenn das Unternehmen als Erstes den Kartellrechtsverstoß bei der Kartellbehörde anzeigt kann es einen vollständigen Bußgelderlass erhalten. Allerdings schließt ein Kronzeugenantrag nicht jegliches (finanzielle) Risiko für ein Unternehmen aus. Es ist daher genau abzuwägen, ob ein Kronzeugenantrag gestellt werden soll.
- In bestimmten Fällen kommt auch die schlichte Beendigung des kartellrechtswidrigen Verhaltens in Betracht, die sog. „stille Beerdigung“.
- Ein weiteres Ergebnis des Antitrust Audits ist die Feststellung, ob es Bereiche oder typische Fallkonstellationen gibt, die besonders gefahrgeneigt für Kartellrechtsverstöße sind. In diesen Fällen werden weitere Compliance-Maßnahmen aufgezeigt, wie ein Unternehmen solchen Risikosituation begegnen sollte bzw. wie etwaige Risikosituation zu vermeiden werden können.
Sonderfall: Die Internal Investigation im Zusammenhang mit einer kartellbehördlichen Durchsuchung
Antitrust Audits und Internal Investigations haben häufig ihren Ausgangspunkt in einer Durchsuchung durch das Bundeskartellamt die Europäische Kommission oder einer anderen ausländischen Kartellbehörde. Auch in diesem Fall erfolgt die Internal Investigation nach den zuvor behandelten Grundsätzen; sie weist jedoch einige Besonderheiten auf:
- Ausgangspunkt für die Sachverhaltsaufkärung im Rahmen der Internal Investigation ist der richterliche Durchsuchungsbeschluss bzw. die Durchsuchungsanordnung der Europäischen Kommission.
- Internal Investigations aus Anlass einer kartellbehördlichen Durchsuchung stehen unter besonderem Zeitdruck. Häufig wird noch während der Durchsuchung eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit (Marker) als Vorstufe eines Kronzeugenantrags gegenüber der Kartellbehörde erklärt. Dazu ist es jedoch erforderlich, noch während der Durchsuchung mit der Internal Investigation zu beginnen, um abschätzen zu können, ob ein Kronzeugenantrag tatsächlich gestellt werden sollte. Naturgemäß beginnt die Internal Investigation in diesem Fall mit der Befragung der Geschäftsleitung und weiteren Unternehmensangehörigen.
- Einen besonderen Schwerpunkt legen die Kartellbehörden auf der Sicherstellung der elektronischen Kommunikation. Um keine Nachteile in der weiteren Internal Investigation zu erleiden und insb. um über denselben Datenbestand wie die Kartellbehörde zu verfügen, muss die vorausgegangene IT-Durchsuchung der Kartellbehörde sehr sorgfältig begleitet und überwacht werden. Der Datenbestand, der von der Kartellbehörde gesichert wird, ist auch die Grundlage für die anschließende eDiscovery im Rahmen der Internal Investigation.
- Nach der Durchsuchung wird der Antitrust Audit im Unternehmen fortgesetzt. Die Ergebnisse des Antitrust Audits bilden dann die Grundlage für die Verteidigung des Unternehmens gegen den Vorwurf der Kartellbehörde.
- Auch nach dem (ersten) Abschluss des Antitrust Audit ist die Internal Investigation im Falle eines laufenden Kartellbußgeldverfahrens nicht abgeschlossen. Insbesondere bei einem Kronzeugenantrag wendet sich die Kartellbehörde regelmäßig an die kooperierenden Unternehmen mit weiteren Sachverhaltsfragen. Diese müssen – häufig wiederum im Zuge einer begrenzten eDiscovery – ebenfalls aufgeklärt und zur Zufriedenheit der Kartellbehörde beantwortet werden.
Kartellrechtliche Antitrust Audits – Vorbereitung auf den Extremfall
Gerade im Fall einer kartellrechtlichen Durchsuchung gilt es, den Antitrust Audit und die Internal Investigation unverzüglich einzuleiten, um einen etwaigen Kronzeugenvorteil zu wahren. Um in der Extremsituation einer Durchsuchung stets richtig zu handeln, sollten Unternehmen darauf vorbereitet sein, z.B. durch eine Dawn Raid-Schulung in Form einer Präsenzschulung, eines Webinars oder eines entsprechendes eLearnings .