Zentrale Vorhaben des Koalitionsvertrags hängen vom Baugesetzbuch ab. Wir stellen die Neuerungen vor.
Mit dem Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode zwischen CDU, CSU und SPD haben die zukünftigen Regierungsparteien für diese Legislatur die Stärkung der Wirtschaft durch Ausbau von Infrastruktur, Vereinfachung und Digitalisierung von Verwaltungsverfahren und weitreichende Investitionen in Infrastruktur zu einem der Hauptziele erklärt. Dabei sollen die Beschleunigung von Verfahren, der Abbau bürokratischer Hürden und die Förderung von Wohnungsbau unter gleichzeitiger Wahrung ökologischer und sozialer Standards vorangetrieben werden, so der Vertragstext.

Folgende Änderungen sind vorgesehen:
Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung
- Der Koalitionsvertrag spricht davon, dass auf dem Weg zur Planungs- und Baubeschleunigung eine grundsätzliche Überarbeitung des Planungs-, Bau-, Umwelt-, Vergabe- und des (Verwaltungs-)Verfahrensrechts erforderlich sei. Dieses Bestreben soll auch auf europäischer Ebene verfolgt werden. Darüber hinaus sollen konkret folgende Punkte umgesetzt werden:
- die Einführung eines einheitlichen Verfahrensrechts für Infrastrukturvorhaben („one-for-many″),
- die Möglichkeit der Multikodierung von Flächen: Raumordnungsrecht und Baugesetzbuch sollen die Möglichkeit schaffen, Flächen mit verschiedenen Nutzungen zu belegen, um dadurch verschiedene Potenziale ein und derselben Fläche besser nutzen zu können;
- die Neuausrichtung des Raumordnungsrechts: Das Raumordnungsrecht soll zwischen Bund und Ländern strategischer aufgestellt und mit überragendem öffentlichen Interesse ausgestattet werden;
- die Begrenzung der Notwendigkeit von Planfeststellungsverfahren: Identische, erweiterte und vollseitige Ersatzneubauten bei Infrastrukturvorhaben sollen von der Pflicht zur Planfeststellung ausgenommen werden; die Plangenehmigung soll zum Regelverfahren werden;
- Vorzeitiger Maßnahmenbeginn: Bei wesentlichen Infrastrukturvorhaben soll der vorzeitige Maßnahmenbeginn zur Aufrechterhaltung einer funktionierenden Infrastruktur im laufenden Planverfahren zugelassen werden.
Bauen und Wohnen
Zentrales Ziel der neuen Regierungskoalition in Bezug auf das Baurecht ist die Förderung des Wohnungsbaus. Dieser soll durch Neuregelungen in Bezug auf Investitionen, Steuerentlastungen und den Abbau bürokratischer Hürden vorangetrieben werden.
Geplant ist die Novellierung des Baugesetzbuches in zwei Schritten.
- In einem ersten Schritt innerhalb der ersten 100 Tage nach Regierungsantritt ist beabsichtigt, einen Gesetzentwurf zur Einführung eines „Wohnungsbau-Turbos″ vorzulegen sowie Lärmschutzfestsetzungen zu erleichtern. Zugleich sollen die Vorschriften über den Umwandlungsschutz (§ 250 BauGB) und die Bestimmung der Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt um fünf Jahre verlängert werden.
- In einem zweiten Schritt sollen grundlegende Reformen zur Beschleunigung des Bauens erfolgen. Geplant sind in diesem Zuge auch Änderungen beim kommunalen Vorkaufsrecht (s. dazu unten), Erleichterungen für barrierearmes Bauen und energetische Sanierung sowie für Bauvorhaben selbst nutzender Eigentümer in Milieuschutzgebieten. Zudem sollen Erleichterungen zur Auflösung von Nutzungskonflikten zwischen Wohnen, Gewerbe und Landwirtschaft geschaffen werden, indem die TA-Lärm und die TA-Luft weiterentwickelt werden. Schließlich soll auch der Gebäudetyp E gesichert werden.
Im Zusammenhang mit der Städtebauförderung findet sich im Koalitionsvertrag ferner die Aussage, dass für Kommunen unter 100.000 Einwohnern durch landesrechtliche Regelung als Handlungsinstrument das integrierte Stadtentwicklungskonzept vorgesehen werden soll.
Änderungen beim kommunalen Vorkaufsrecht
Der Koalitionsvertrag sieht vor, das kommunale Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten und bei Schrottimmobilien zu stärken. Kommunen hatten das kommunale Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten als Hebel genutzt, um Käufer zum Abschluss von Abwendungsvereinbarungen zu bewegen, worin u. a. Umnutzungs-, Sanierungs- und Mieterhöhungsverbote begründet waren. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2021 hatte dieser Praxis Einhalt geboten. Das bereits bestehende Vorkaufsrecht bei Schrottimmobilien greift derzeit nur bei negativen Auswirkungen auf das Umfeld. Es bleibt abzuwarten, wie eine Stärkung hier genau aussehen soll. Kommunen soll es auch leichter gemacht werden, solche Grundstücke zum Verkehrswert und nicht zum vereinbarten Kaufpreis anzukaufen (sog. preislimitiertes Vorkaufsrecht). Schließlich soll die Umgehung des kommunalen Vorkaufsrechts durch Share Deals verhindert werden. Daran hatte sich im Jahr 2024 schon die Ampelregierung versucht. Der Vorstoß war aber sehr durchwachsen, da er nicht bei der Anteilsübertragung selbst ansetzte, sondern bei der Einbringung der Immobilie in die Gesellschaft und zahlreiche Folgeprobleme ungelöst ließ.
Verwaltungsverfahrensrecht
Die neue Koalition hatte sich ferner zum Ziel gesetzt, vielfältige bürokratische Hindernisse abzubauen, um Prozesse zu beschleunigen. Dazu gehört auch, dass im Verwaltungsverfahrensrecht das Instrument der Genehmigungsfiktion in seinem Anwendungsbereich erheblich erweitert werden soll. Bisher war eine solche Fiktion gesondert gesetzlich anzuordnen (wie etwa in einigen Landesbauordnungen). Die neue Regierung plant, die Fiktion zum Regelfall zu erheben und sie nur dann nicht zur Anwendung kommen zu lassen, wenn sie spezialgesetzlich ausgeschlossen und das Genehmigungserfordernis somit positiv gesetzlich angeordnet ist.
Bau- und planungsrechtliche Förderung erneuerbare Energien
Auch die Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien wird weiter vorangetrieben. Dies spiegelt sich auch in den Vorhaben der neuen Koalition zum Bau- und Planungsrecht wider.
Im Bereich der Solarenergie sollen insbesondere die privaten Haushalte stärker in die Förderung eingebunden werden. In diesem Zusammenhang soll vor allem die Doppelnutzung von Flächen, wie etwa Parkplatzflächen, landwirtschaftliche Flächen oder Wasserflächen, zu diesem Zweck erleichtert werden.
Im Bereich des Windkraftausbaus sollen die Zwischenziele des Windflächenbedarfsgesetzes für 2027 unberührt bleiben, jedoch die Flächenziele für 2032 neu evaluiert werden. Planungsrechtlich setzt auch die neue Regierung weiterhin auf die Steuerungswirkung von Windenergiegebieten und die Stärkung der bestehenden Mitwirkungsrechte der Kommunen beim Windkraftausbau.
Schließlich soll auch die Ansiedlung von Speichern besonders gefördert werden. Energiespeicher sollen als im überragenden öffentlichen Interesse liegend anerkannt werden sowie im Zusammenhang mit privilegierten Anlagen der Erzeugung erneuerbarer Energien ebenfalls als privilegiert gelten. Die bisherige Rechtslage im Planungsrecht sah vor, dass Energiegroßspeicher im Außenbereich lediglich dann privilegiert waren, wenn sie eine Ortsgebundenheit aufwiesen.
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