Viele Unternehmungen sind als Konzerne organisiert. Was das rechtlich bedeutet und wie das Gesetz Interessenkonflikten begegnet, wird nachstehend erläutert.
Viele Unternehmen agieren im Wirtschaftsleben nicht allein, sondern sind Teil eines Unternehmensverbundes. Das hat Vorteile: Es können eigene Strukturen für unterschiedliche Geschäftsaktivitäten gebildet und risikoträchtige Unternehmungen in einer eigenen Gesellschaft gebündelt werden. Hier setzt das sogenannte Konzernrecht, also das Recht der verbundenen Unternehmen, an.
Konzern und Unternehmen: Das Ganze und die Teile
Damit ergibt sich eine erste Weichenstellung. Der „Konzern“ ist nicht mit dem „Unternehmen“ zu verwechseln. Das Gesetz bringt dies in § 18 I 1 des Aktiengesetzes (AktG) auf den Punkt:
Sind ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst, so bilden sie einen Konzern; die einzelnen Unternehmen sind Konzernunternehmen.
Der in § 18 I 1 AktG verankerte Begriff des Konzerns meint mithin das Gesamtgebilde, die Unternehmen sind rechtlich selbstständige Teile desselben. Der Begriff „Unternehmen“ wird im Konzernrecht rechtsformneutral verstanden: Grundsätzlich können jede natürliche oder juristische Person, jede Personengesellschaft, selbst Vereine und Stiftungen Unternehmen in diesem Sinne sein.
Das Konzernrecht hat eine wesentliche Schutzfunktion. Denn die Gefahr im Konzern ist evident: Das herrschende Unternehmen könnte seinen Einfluss auf das beherrschte Unternehmen in nachteiliger Weise ausüben, etwa dessen gesamten Gewinn abschöpfen. Das würde mittelbar auch Minderheitsgesellschaftern und Gläubigern des beherrschten Unternehmens schaden. Das Konzernrecht soll insbesondere das beherrschte Unternehmen, dessen Gesellschafter und dessen Gläubiger schützen.
Normiert ist das Konzernrecht primär im Aktiengesetz. Rechtssystematisch wird unterschieden zwischen einem „Allgemeinen Teil“ (§§ 15-22 AktG), welcher Definitionen für Begriffe wie „Konzern“ und „Abhängigkeit“ enthält, und einem „Besonderen Teil“ (§§ 291-328 AktG), welcher die Detailregelungen für das Verhältnis der verbundenen Unternehmen enthält.
Konzernarten: Vertragskonzern, faktischer Konzern, Eingliederungskonzern
Konzern ist nicht gleich Konzern. Das Aktiengesetz unterscheidet zwischen den folgenden Konzernarten, die teilweise auch auf andere Rechtsformen Anwendung finden:
Vertragskonzern
Der Vertragskonzern kommt, wie der Name vermuten lässt, durch einen sog. Unternehmensvertrag zustande. Die praktisch wichtigen Unternehmensverträge sind der Beherrschungsvertrag (§ 291 I 1 Var. 1 AktG) und der Gewinnabführungsvertrag (§ 291 I 1 Var. 2 AktG), die vielfach auch in Kombination abgeschlossen werden. Treiber für den Abschluss solcher Verträge ist oftmals das Steuerrecht, denn der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages ist eine der Voraussetzungen für die sog. steuerliche Organschaft. Hierdurch wird es den (eigentlich steuerlich separat betrachteten) Gesellschaften gestattet, steuerliche Gewinne und Verluste miteinander zu verrechnen.
Für den wirksamen Abschluss von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen muss die Hauptversammlung des abhängigen (§ 293 I 1 AktG) und des herrschenden Unternehmens mit einer Dreiviertelmehrheit zustimmen. Soweit außenstehende Aktionäre an der beherrschten Gesellschaft beteiligt sind, sind diesen ein angemessener Ausgleich (§ 304 AktG) oder Abfindungsansprüche (§ 305 AktG) zu gewähren.
Aufgrund eines abgeschlossenen Beherrschungsvertrags ist das herrschende Unternehmen im Vertragskonzern berechtigt, dem beherrschten Unternehmen Weisungen zu erteilen, welche dieses befolgen muss – auch nachteilige Weisungen dürfen vom herrschenden Unternehmen erteilt werden, wenn diese im Konzerninteresse liegen (§ 308 AktG). Der Vorstand des beherrschten Unternehmens darf eine Weisung nur in offensichtlichen Fällen unangemessener Ausübung verweigern oder dann verweigern, wenn der Verlustausgleich nicht sichergestellt ist.
Typischerweise müssen beherrschte Unternehmen nach dem Beherrschungsvertrag Eingriffe in das Vermögen durch das herrschende Unternehmen erdulden. Für diesen Fall stellt § 291 III AktG ausdrücklich klar, dass der sonst maßgebliche Kapitalerhaltungsgrundsatz (vgl. § 57 AktG) hier nicht gilt. Als Ausgleich dafür gibt es Gläubigerschutzvorschriften: So muss das beherrschte Unternehmen eine Rücklage bilden (§ 300 AktG) und das herrschende Unternehmen muss Verluste des beherrschten ausgleichen (§ 302 AktG).
Faktischer Konzern
Der Begriff des faktischen Konzerns ist im Gesetz nicht definiert. Er soll die Fälle erfassen, in denen ein Konzern besteht, ohne dass ein Unternehmensvertrag geschlossen oder eine Eingliederung vorgenommen wurde. Ein typischer Fall ist, dass ein Unternehmen von einem anderen abhängig ist (Definition in § 17 AktG), weil dem herrschenden Unternehmen die Mehrheit der Anteile am abhängigen Unternehmen gehören (§ 16 AktG).
Im Unterschied zum Vertragskonzern gibt es im faktischen Konzern kein Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens. Das herrschende Unternehmen hat aber trotzdem Einfluss auf das beherrschte Unternehmen, weil es seine Mehrheitsbeteiligung ausüben kann. Freilich sind dem Grenzen gesetzt: Gemäß § 311 AktG darf das herrschende Unternehmen seinen Einfluss grundsätzlich nicht so ausüben, dass es das beherrschte zu nachteiligen Rechtsgeschäften veranlasst; eine Ausnahme gilt, wenn das herrschende Unternehmen diesen Nachteil ausgleicht (durch Geldzahlung o.ä.).
Für den Fall, dass trotz Nachteils kein Ausgleich gewährt wird, haftet das herrschende Unternehmen auf Schadensersatz und mit ihm dessen gesetzliche Vertreter, die die Veranlassung vorgenommen haben (§ 317 AktG).
Eine weitere Besonderheit ist die Berichtspflicht des beherrschten Unternehmens. Der Vorstand des beherrschten Unternehmens muss in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres einen Bericht über die Beziehungen zur Konzernmutter anfertigen, u.a. über die Rechtsgeschäfte mit dem herrschenden Unternehmen (§ 312 AktG), um den Einfluss des herrschenden Unternehmens auch für außenstehende Dritte transparent zu gestalten.
„Neue″ Themen im Konzernrecht: Corporate Social Responsibility
Das Konzernrecht ist nicht starr, sondern ebenfalls dem Wandel der Zeit unterworfen. Für Vorstände in konzernbeteiligten Unternehmen kann insbesondere das Thema Corporate Social Responsibility zunehmend relevant werden.
Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung sind prägende Themen des 21. Jahrhunderts. Unter dem Begriff der Corporate Social Responsibility werden die Beiträge von Unternehmen zu sozialer und umweltlicher Verantwortung gefasst. Geschäftsleiter in Konzernen müssen sich mit der Frage auseinandersetzen, wie sie ihre Unternehmensleitung nachhaltig gestalten können.
Der Druck zur nachhaltigen Veränderung der Unternehmensführung kommt dabei nicht nur vom Gesetzgeber, sondern auch von den Vertragspartnern und Investoren. Diese erwarten immer häufiger, dass Unternehmen sich an bestimmte CSR-Nachhaltigkeitsstandards halten oder sich selbst welche geben. Gleiches gilt für Lieferanten und Kreditgeber. Von Vorständen wird erwartet, dass sie im Rahmen ihrer unternehmerischen Entscheidungsfindung auch Überlegungen über Auswirkungen ihrer Entscheidung auf die Umwelt einbeziehen. Dies schlägt auf alle Ebenen der unternehmerischen Tätigkeit durch: Missachtet ein Konzern CSR in hohem Maße, wird sein öffentliches Ansehen sinken; Vertragspartner könnten sich von den beteiligten Unternehmen abwenden; Investoren könnten von geplanten Investments absehen. Damit wird das „weiche“ Recht de facto verbindlich.
In unserem Blog informieren wir Sie mit weiteren Beiträgen über das „Konzernrecht aus der Praxis″.