Die Leitung und Organisation eines Konzerns ist komplex: Die Durchsetzung von Entscheidungen durch die Konzernobergesellschaft am Beispiel einer Matrixorganisation.
Auch wenn ein Konzern oft als eine selbstständige Einheit wahrgenommen wird – rechtlich betrachtet besteht ein Konzern per Definition aus mindestens zwei verbundenen Unternehmen bzw. Gesellschaften, die jeweils rechtlich selbstständig sind (vgl. §§ 17, 18 AktG). Will die Konzernspitze auf die ihr nachgeordneten Gesellschaften Einfluss nehmen und diese einheitlich leiten, ist dies nicht ohne Weiteres möglich. Die Einflussmöglichkeiten hängen primär von der Rechtsform der nachgeordneten Unternehmen und der Konzernart ab.
Die nachfolgenden Ausführungen geben einen Überblick über die verschiedenen Leitungsmöglichkeiten im Konzern am Beispiel der AG und GmbH.
Konzernleitung einer Tochter-AG grundsätzlich nur eingeschränkt möglich
Firmiert eine deutsche Tochtergesellschaft als Aktiengesellschaft (AG), ist eine Leitung durch die Konzernobergesellschaft ohne konzernrechtliche Maßnahmen nur in engen Grenzen möglich.
Nach § 76 Abs. 1 AktG hat der Vorstand der Tochtergesellschaft diese Tochtergesellschaft eigenverantwortlich zu leiten. Eine Mehrheitsbeteiligung der Konzernobergesellschaft an der als AG firmierenden Tochtergesellschaft begründet kein Weisungsrecht der Konzernobergesellschaft. Vielmehr hat der Vorstand der Tochtergesellschaft eigenverantwortlich zu entscheiden, inwieweit er sich dem Einfluss der Konzernobergesellschaft öffnen möchte und im Interesse der Tochtergesellschaft öffnen darf.
Maßnahmen der Konzernobergesellschaft, die der Tochtergesellschaft schaden können, darf der Vorstand der Tochtergesellschaft nicht vornehmen. Andernfalls macht er sich gegenüber der Tochtergesellschaft schadensersatzpflichtig (§ 93 Abs. 2 AktG).
Konzernleitung durch Beherrschungsvertrag sicherstellen
Will die Konzernobergesellschaft sicherstellen, dass sie ihre als AG firmierende Tochtergesellschaft leiten kann und sich diese dem Interesse der Konzernobergesellschaft beugen muss, kann sie dies mittels des Abschlusses eines Beherrschungsvertrags i.S.d. §§ 291 ff. AktG erreichen.
Durch den Beherrschungsvertrag unterstellt sich die Tochter-AG der Leitung einer anderen Gesellschaft, in der Regel ihrer Muttergesellschaft. Der Beherrschungsvertrag vermittelt der herrschenden Gesellschaft nach § 308 AktG ein umfangreiches Weisungsrecht gegenüber ihrer Tochtergesellschaft. Das Weisungsrecht ist nicht allein auf Fragen und Anregungen an die Geschäftsführung beschränkt, sondern umfasst den gesamten Bereich, in dem der Vorstand die Gesellschaft nach § 76 Abs. 1 AktG zu leiten hat.
Alternative: Eingliederung als Mittel der Konzernorganisation
Befinden sich mindestens 95 % der Aktien der Tochtergesellschaft in der Hand der Konzernobergesellschaft, ist eine Eingliederung (§§ 319 ff. AktG) der Tochtergesellschaft in die Konzernobergesellschaft möglich.
Die Eingliederung stellt die engste Form der Unternehmensverbindung dar. Normativ steht sie zwischen Unternehmensvertrag und Verschmelzung. Die gemessen am Unternehmensvertrag intensivere Unternehmensverbindung liegt darin begründet, dass die Konzernobergesellschaft weitgehend frei über das Vermögen der eingegliederten Gesellschaft verfügen kann.
Wie bei einem Beherrschungsvertrag begründet auch die Eingliederung ein leitungsbezogenes Weisungsrecht der Konzernobergesellschaft gegenüber der eingegliederten Tochtergesellschaft (§ 323 AktG).
Konzernleitung als Doppelmandat organisieren
Als weitere Möglichkeit der Leitung der Tochtergesellschaft durch die Konzernobergesellschaft kommt das sog. Doppelmandat in Betracht.
Dabei besteht eine personelle Identität zwischen dem Vorstand auf Ebene der Konzernobergesellschaft und auf Ebene der Tochtergesellschaft. Das Doppelmandat wird vor allem in Holding-Strukturen genutzt, in welchen die Konzernobergesellschaft allein als Beteiligungsgesellschaft fungiert und das operative Geschäft durch die Tochtergesellschaft geführt wird.
Bei Doppelmandaten ist jedoch zu beachten, dass das personenidentische Vorstandsmitglied jeweils sowohl die Interessen der Konzernobergesellschaft als auch der Tochtergesellschaft wahren muss. Nur wenn zwischen der Konzernobergesellschaft und der Tochtergesellschaft ein Beherrschungsvertrag besteht bzw. die Tochtergesellschaft in die Konzernobergesellschaft eingegliedert worden ist, haben die Interessen der Tochtergesellschaft den Interessen der Konzernobergesellschaft zu weichen. In einer derartigen Konstellation sind damit grundsätzlich keine Interessenswahrungskonflikte des personenidentischen Vorstands gegeben.
Grundsätzlich ist auch dann ein Interessensgleichlauf von Konzernober- und Tochtergesellschaft gegeben, wenn die Konzernobergesellschaft Alleinaktionärin der Tochtergesellschaft ist, da in diesem Fall das Interesse der Tochtergesellschaft durch den personenidentischen Vorstand der Tochtergesellschaft bestimmt wird. Auch in dieser Konstellation hat der personenidentische Vorstand im Rahmen seines Ermessens zu überprüfen, ob und inwieweit er eine Maßnahme, die für die Konzernobergesellschaft positiv, aber für die Tochtergesellschaft nachteilig wäre, vornehmen darf. Denn trotz Doppelmandat hat auch der personenidentische Vorstand die Tochtergesellschaft im Rahmen einer ordentlichen Geschäftsführung zu leiten.
Sind an der Tochtergesellschaft außenstehende Aktionäre beteiligt, hat der personenidentische Vorstand deren Interessen zu berücksichtigen, soweit er Maßnahmen auf Ebene der Tochtergesellschaft im Interesse der Konzernobergesellschaft umsetzen möchte.
Leitung einer Tochter-GmbH durch Konzernobergesellschaft mit weitreichenderen Einflussmöglichkeiten
Auch bei einer Tochter-GmbH kann ein Weisungsrecht und damit die Leitungsmacht der Konzernobergesellschaft gegenüber der Tochtergesellschaft durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrags bzw. durch ein Doppelmandat hergestellt werden. Eine Eingliederung ist hingegen nicht möglich, da diese gesetzlich nur für die Rechtsform der AG vorgesehen ist.
Jedoch sind derartige Konstellation in der Praxis seltener anzutreffen, da schon von Gesetzes wegen die Konzernobergesellschaft als Gesellschafterin der Tochtergesellschaft nach § 37 Abs. 1 GmbHG leitungsspezifische Weisungen an die Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft richten kann. Selbst für die Tochtergesellschaft nachteilige Weisungen der Konzernobergesellschaft muss die Geschäftsführung der Tochter-GmbH befolgen. Der Einfluss der Gesellschafterversammlung findet seine Grenze erst in den Regeln der zwingenden Kapitalerhaltung und der Existenzvernichtung. Weisungen, die zu einer Rückzahlung des Stammkapitals der GmbH an ihre Gesellschafter oder zu einer Insolvenz der Tochter-GmbH führen würden, darf der Geschäftsführer demnach nicht befolgen. Außerdem verbleiben bestimmte Kernkompetenzen, wie zum Beispiel die Insolvenzantragspflicht oder die Pflicht zur ordnungsgemäßen Buchführung, stets beim Geschäftsführer der Tochter-GmbH.
Gehören der Tochter-GmbH Minderheitsgesellschafter an, ist bei der Weisungsausübung der Konzernobergesellschaft gegenüber der Tochter-GmbH der Minderheitenschutz zu beachten.
Die Matrixstruktur als Mittel effektiver Konzernleitung
Die Einflussmöglichkeiten im Konzern orientieren sich nach deutschem Recht sehr eng an der gesellschaftsrechtlichen Einheit und ermöglichen Weisungen an nachfolgende Gesellschaften nur im oben dargestellten Umfang. Das erschwert insbesondere für größere Konzerne eine effektive Konzernleitung.
Um die Effektivität der Konzernleitung zu erhöhen, greifen Konzerne deshalb gerade im internationalen Kontext zunehmend auf sog. Matrixstrukturen als Mehrlinienorganisation zurück.
Matrixstruktur: Ein Mix aus funktionaler Organisation und Geschäftsbereichsorganisation
In Konzernen zeichnen sich Matrixstrukturen dadurch aus, dass ein Konzern gesellschaftsübergreifend nach mindesten zwei betriebswirtschaftlichen Gliederungskriterien (zum Beispiel nach Produkten und Funktionen) organisiert wird.
Die Matrixstruktur ist entstanden aus der Idee einer Kombination der funktionalen Organisation (also der Organisation nach Funktionen, wie zum Beispiel Beschaffung, Produktion, Vertrieb, Marketing usw.) mit der Geschäftsbereichsorganisation (also der Organisation nach Objektgesichtspunkten, wie zum Beispiel Produkten, Kunden oder Absatzregionen). Durch diese Kombination sollten beide Organisationsstrukturen in gleichberechtigter Weise Gegenstand des Aufbaus eines Konzerns werden. Durch die Kombination entstehen komplexe, sich überschneidende Weisungsketten, die sich stark an der betriebswirtschaftlichen Ausrichtung orientieren und über die Grenzen der einzelnen Gesellschaft hinausgehen.
Im Gegensatz zu einer Matrixstruktur handelt es sich bei der funktionalen Organisation als auch bei der Geschäftsbereichsorganisation jeweils um eine eindimensionale Organisationsstruktur, da jeweils die Organisation des Unternehmens nach nur einer Referenzdimension (zum Beispiel nur nach Funktionen oder nur nach Produkten) gegliedert wird.
Aufbau einer Matrixstruktur innerhalb der Konzernorganisation: Matrixleitung, Matrixmanager und Matrixschnittstellen
Typischerweise sind in jeder Matrixstruktur die folgenden drei Beteiligten anzutreffen: An der Spitze einer Matrix steht die Matrixleitung, die schwerpunktmäßig für das Funktionieren der Matrixstruktur verantwortlich ist und grundsätzlich mit der Geschäftsleitung der Konzernspitze identisch ist. Darunter sind die Matrixmanager angesiedelt, die den ihnen von der Matrixleitung jeweils zugewiesenen Organisationsbereich konzernweit im Interesse der Matrixleitung leiten. Nachfolgend gibt es die den Matrixmanagern nachgeordneten Matrixschnittstellen – diese können Individuen, aber auch Konzerngesellschaften sein –, welche die Weisungen der Matrixstellen ausführen und diesen berichten.
Sollen die Matrixmanager ihren Organisationsbereich konzernweit leiten, kommt es hierdurch zwangsläufig zu Entscheidungskonflikten mit der jeweiligen gesetzlich vorgesehen Geschäftsleitung einer Konzerngesellschaft, welche der Leitung der Matrixmanager unterstehen soll. Denn durch die Unterstellung einer Konzerngesellschaft unter die Leitung durch die jeweiligen Matrixmanager nehmen Personen auf eine Konzerngesellschaft Einfluss, die nicht von Gesetzes wegen zur Leitung berufen sind. Die gesetzlich vorgesehen Struktur des Konzerns weicht insoweit von der durch die Matrix betriebswirtschaftlich implementierten Struktur des Konzerns ab. Dies kann schnell zu Haftungsrisiken für die beteiligten Geschäftsleiter und Matrixfunktionsträger führen. Soll die Matrixstruktur gesetzlich vorgesehene Leitungsstrukturen im Konzern anders gestalten, ist deshalb eine gut strukturierte Umsetzung erforderlich.
Implementierung einer Matrixstruktur im Konzern
Sollen Matrixmanager in einem Konzern die Matrixgesellschaften im Interesse der Matrixleitung anweisen und von diesen Informationen verlangen können, muss eine entsprechende Weisungs- und Informationsbefugnis der Matrixmanager im Konzern implementiert werden.
Hierzu kann vor allem auf Vollmachten zurückgegriffen werden. Das jeweils weisungs- und informationsbefugte herrschende Unternehmen bevollmächtigt die Matrixmanager, Weisungen an die abhängige Tochtergesellschaft zu richten und von dieser Informationen zu verlangen. Bei der Ausgestaltung einer solchen Vollmacht sind sowohl gesetzlich zwingende als auch gesellschaftsrechtlich (z.B. durch die Satzung) vorgegebene Einschränkungen zu beachten. Schließlich kann das bevollmächtigende Unternehmen Weisungsrechte auch nur in dem Umfang weitergeben, in dem es selbst weisungsbefugt ist.
Bevollmächtigt das weisungs- und informationsbefugte herrschende Unternehmen die Matrixmanager, verbleibt eine Erfüllungs- und Überwachungsverantwortung beim herrschenden Unternehmen. Das herrschende Unternehmen hat die Weisungsausübung durch die jeweiligen Matrixmanager zu überwachen. Die Konzernobergesellschaft sollte daher in Erwägung ziehen, ein geeignetes matrixspezifisches Compliance-System im Konzern zu implementieren. In matrixorganisierten Konzernen läuft der Informationsfluss zudem oftmals an den gesetzlich vorgesehenen Geschäftsleitungsorganen der Matrixgesellschaften vorbei, wodurch sich erhebliche Haftungsrisiken für diese ergeben können. Vor diesem Hintergrund ist ein adäquates Berichtlinien-Management ein essentieller Baustein in einem matrixorganisierten Konzern.
Matrixstrukturen als Schlüssel zur Effizienzsteigerung und Haftungsvermeidung
Abhängig von der Rechtsform der Konzerngesellschaften und der Existenz von Unternehmensverträgen sind nach deutschem Recht im Konzern unterschiedliche Einflussmöglichkeiten bereits von Gesetzes wegen gegeben. Über eine Matrixstruktur können diese Einflussmöglichkeiten stärker an der betriebswirtschaftlichen Organisation eines Konzerns ausgerichtet werden.
Vor der Implementierung einer Matrixstruktur sollte zunächst geprüft werden, inwieweit die Konzernspitze bereits von Gesetzes wegen auf ihre nachgeordneten Konzerngesellschaften Einfluss nehmen kann. Diese Einflussmöglichkeiten können dann gezielt umorganisiert werden. Dabei ist es besonders wichtig, dass alle Beteiligten ihre gesetzlichen Rechte und Pflichten kennen und über die Funktionsweise der Matrix informiert werden. Nur so lassen sich Haftungsrisiken überblicken.
In bereits bestehenden Systemen sollte regelmäßig überprüft werden, ob die gesellschaftsrechtliche oder über eine Matrix implementierte Leitungsstruktur der tatsächlich gelebten Leitungsstruktur im Konzern entspricht. Je nach betriebswirtschaftlicher Konzernorganisation sollte zudem überlegt werden, inwieweit die bestehende Leitungsstruktur an Effizienz gewinnen kann. Je größer der Konzern ist, desto intensiver sollte die Leitungsstruktur regelmäßig auf den Prüfstand gestellt werden.
In unserem Blog informieren wir Sie mit Beiträgen über das „Konzernrecht aus der Praxis″, angefangen mit einem Überblick. Weiter geht es mit den Matrixstrukturen zur Konzernleitung.