Die Anmeldung von Forderungen in CEE-Staaten ist kein Selbstläufer.
Bei einer Insolvenzeröffnung muss in der Regel schnell gehandelt werden, da sonst der Ausschluss der eigenen Forderung im Insolvenzverfahren droht. Wer vorbereitet ist, hat gute Chancen, zumindest einen Teil seiner Forderungen zu realisieren und ggf. Einfluss auf das Verfahren zu nehmen.
Wenn ein Schuldner* in Mittel- und Osteuropa (CEE) insolvent wird, stehen Gläubiger häufig vor der Herausforderung, ihre Forderungen in einem für sie fremden Rechtssystem anzumelden. Dabei sind nicht nur Fristen und Formvorschriften einzuhalten – oft entscheiden landesspezifische Besonderheiten über Erfolg oder Misserfolg der Anmeldung. In diesem Beitrag zeigen wir, worauf Gläubiger besonders achten sollten, welche Chancen auf Rückflüsse bestehen und welche praktischen Tipps die Forderungsdurchsetzung erleichtern.
Fristen, Formvorschriften und Besonderheiten in einzelnen Ländern – Einheitliches Vorgehen? Fehlanzeige!
Wie bereits in unserem vorigen Blogbeitrag Insolvenzverfahren in Mittel- und Osteuropa (CEE) erwähnt, gibt es in den CEE-Staaten kein einheitliches Insolvenzrecht. Zwar gibt es aufgrund der einschlägigen EU-Richtlinien und Verordnungen sowie übernommener Best Practices und internationaler Standards viele strukturelle Gemeinsamkeiten, dennoch hat jedes Land weiterhin Spielraum, Einzelheiten individuell auszugestalten. So regelt jedes Land Fristen, Formvorgaben und das Verfahren zur Forderungsanmeldung eigenständig. Das bedeutet: Gläubiger müssen sich mit den jeweiligen nationalen Vorschriften vertraut machen – oder rechtzeitig spezialisierte Hilfe in Anspruch nehmen.
1. Typische Fristen
In den meisten CEE-Ländern müssen Forderungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens angemeldet werden. Hier einige Beispiele, innerhalb welcher Fristen Forderungen ab Veröffentlichung bzw. Bekanntmachung der Insolvenzeröffnung im national dafür vorgesehenen Medium, z.B. Firmenamtsblatt, Insolvenzregister, etc., grundsätzlich angemeldet werden müssen, wobei es Ausnahmen und ggf. auch Ersatzfristen geben kann:
- Polen: 30 Tage
- Tschechien: 30 Tage
- Ungarn: 40 Tage
- Rumänien: 30 Tage
- Slowakei: 45 Tage
- Bulgarien: ein Monat
Wird diese Frist versäumt, droht der vollständige Ausschluss der Forderung vom Verfahren – oder sie wird nur nachrangig berücksichtigt. Auch sind mit der Anmeldung häufig Verfahrensgebühren zu bezahlen, deren Nichtleistung ebenfalls zur Nichtberücksichtigung führen kann.
2. Formvorgaben
Je nach Land können Forderungsanmeldungen:
- schriftlich (teilweise mit notarieller Beglaubigung),
- in der Landessprache,
- in elektronischer Form über spezielle Register (z. B. das tschechische Insolvenzregister)
erfolgen müssen. In vielen Fällen sind Originalbelege oder beglaubigte Übersetzungen erforderlich. Wer nur eine E-Mail oder, bei Vorhandensein elektronischer Register, einen Brief sendet oder die falsche Sprache verwendet, riskiert die Zurückweisung sprich 1.
Chancen auf Quoten und Einflussmöglichkeiten: Wie viel kommt zurück?
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass in den meisten CEE-Ländern besicherte Gläubiger (d.h. Gläubiger, die beispielsweise über ein Grund- oder Vermögenspfandrecht an einzelnen Assets des Schuldners verfügen) bevorzugt werden und daher mit einer (deutlich) höheren Quote rechnen können. CHECK Die durchschnittlichen Insolvenzquoten variieren stark. In einigen CEE-Ländern liegt die Rückzahlungsquote der ungesicherten Gläubiger unter 10 %, in anderen können ungesicherte Gläubiger mit über 30 % rechnen – abhängig vom Vermögen des Schuldners, der Verfahrensdauer und der Zahl der Gläubiger.
Beispiele:
- Tschechien: Relativ hohe Quoten, v. a. bei Reorganisationsverfahren.
- Ungarn & Rumänien: Eher niedrige Quoten, oft unter 10 %.
- Polen: Sehr unterschiedlich, aber tendenziell steigend durch Reformen.
- Einflussmöglichkeiten von Gläubigern
In vielen CEE-Staaten können Gläubiger durch Teilnahme an Gläubigerversammlungen oder Ausschüssen Einfluss auf den Verfahrensverlauf nehmen. Voraussetzung ist jedoch eine form- und fristgerechte Anmeldung. Zudem muss der Gläubiger seine Forderung aktiv verfolgen – eine „automatische“ Berücksichtigung findet nicht statt.
Besonderheiten:
- In Rumänien haben Gläubiger mit größeren Forderungen oft mehr Stimmrechte in Gläubigerversammlungen.
- In Tschechien können Gläubiger über Sanierungspläne mitentscheiden.
- In Polen wird ein Gläubigerausschuss gebildet, sobald bestimmte Schwellenwerte erreicht sind.
Praktische Tipps zur Durchsetzung von Forderungen
1. Frühzeitig handeln
Sobald ein Insolvenzverfahren in einem CEE-Land bekannt wird, sollten Gläubiger schnell reagieren:
- Zuständige Stelle recherchieren (Gericht, Insolvenzverwalter).
- Insolvenzeröffnungsbeschluss genau lesen (Fristen, Anforderungen).
- Übersetzer oder lokale Anwälte beauftragen, falls nötig.
2. Lokale Unterstützung nutzen
Da viele Verfahren komplex und sprachlich anspruchsvoll sind, empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit:
- lokalen Insolvenzrechtsexperten,
- Wirtschaftsprüfern oder
- internationalen Kanzleien mit CEE-Kompetenz.
Das erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit erheblich – insbesondere bei der Beurteilung von Sicherheiten, nachrangigen Forderungen oder ausländischen Titeln. Ein ausländischer Gläubiger, z.B. aus der DACH-Region, wird in der Regel nicht die Amtsblätter oder sonstige Publikationen der einzelnen Staaten lesen, in der eine Insolvenzeröffnung der Öffentlichkeit mitgeteilt wird. So läuft er Gefahr, Anmeldefristen zu versäumen, sollte ihn die Benachrichtigung des Insolvenzverwalters aus irgendeinem Grund nicht erreichen, sei es, dass diese auf dem Postweg verloren geht oder die Bücher des Schuldners nicht akkurat geführt wurden und der Insolvenzverwalter daher keine vollständige Liste der Verbindlichkeiten und Gläubiger des Schuldners hat. Droht also nach Einschätzung des Gläubigers die Zahlungsunfähigkeit eines Geschäftspartners und Schuldners, ist die Beauftragung eines Monitorings vor Ort unbedingt empfohlen. Beispielsweise Anwälte oder Buchhalter können ein solches Monitoring in aller Regel mit Hilfe von digitalen Lösungen unproblematisch und unaufwändig darstellen, so ist sichergestellt, dass der Gläubiger von einer Insolvenzeröffnung rechtzeitig Kenntnis erhält und entsprechend handeln kann.
3. Forderungen dokumentieren
Gläubiger sollten alle Belege für ihre Forderung sorgfältig aufbewahren und ggf. übersetzen lassen:
- Verträge, Rechnungen, Mahnschreiben,
- Gerichtliche Titel oder Vergleichsvereinbarungen,
- Schriftverkehr mit dem Schuldner.
Je besser die Dokumentation, desto eher wird die Forderung anerkannt.
4. Auslandstitel anerkennen lassen
In einigen Ländern müssen ausländische Titel formell anerkannt oder vollstreckbar erklärt werden (z. B. in Rumänien oder Ungarn). Ein einfacher deutscher Vollstreckungstitel wird nicht automatisch akzeptiert.
Wir informieren Sie in unserer Blog-Serie zu Restrukturierung in CEE fortlaufend mit aktuellen Beiträgen zu diesem Thema. Sie können diese Blog-Serie über den RSS-Feed abonnieren und werden von uns über neue Beiträge informiert. Den Auftakt zur Blogserie hat der Einführungsbeitrag gemacht, weitere Beiträge folgen.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.