Der Deal ist unterzeichnet, die W&I-Versicherungspolice abgeschlossen. Zwar hängt der Vollzug noch an verschiedenen Bedingungen, hinsichtlich der Versicherungspolice ist mit deren Abschluss aber doch alles erledigt, oder?
Weit gefehlt. Was für den Unternehmenskaufvertrag gilt, gilt auch für die W&I-Versicherungspolice: ein Auseinanderfallen von Unterzeichnung des Unternehmenskaufvertrags (Signing) und des Vollzugs der Transaktion (Closing) zieht verschiedene Folgen nach sich. Beispielsweise kann der Versicherungsschutz unter der W&I-Versicherungspolice noch von zu erfüllenden Voraussetzungen abhängen. Es kann eine weitere Befragung von Wissensträgern der Zielgesellschaft (Bring-Down) erforderlich sein. Denkbar ist sogar, dass Versicherungsschutz erst nach dem Closing eingekauft, zumindest aber erweitert wird.
Nach dem Signing zu erfüllende Voraussetzungen
Der Versicherungsschutz hängt regelmäßig an verschiedenen formalen Voraussetzungen, die nach Abschluss der Versicherungspolice zu erfüllen sind. Zum einen benötigt die W&I-Versicherung Zugriff auf den Unternehmenskaufvertrag einschließlich Anlagen und den Datenraum. Beides ist der W&I-Versicherung nach dem Signing zur Verfügung zu stellen. Die Versicherbarkeit von Transaktionsrisiken erfordert denknotwendig, dass die Transaktion auch durchgeführt wurde. Voraussetzung für Versicherungsschutz unter der W&I-Versicherung ist daher, dass die Transaktion vollzogen und der Vollzug der W&I-Versicherung nachgewiesen wird. Darüber hinaus wird die Versicherung verständlicherweise nur dann für versicherte Risiken einstehen, wenn die Versicherungsprämie gezahlt wird. Diese ist regelmäßig nach dem Vollzug der Transaktion fällig. Teilweise sehen Versicherungspolicen zudem vor, dass bestimmte Transaktionsdokumente, die zwischen Signing und Closing ausgefertigt oder vervollständigt werden, der W&I-Versicherung nach dem Closing zur Verfügung gestellt werden.
Bring-Down
Eine W&I-Versicherung schützt nur vor Risiken, die bei Beginn des Versicherungsschutzes unbekannt sind. Für Verkäufergarantien, die zum Vollzug abgegeben werden, kommt es daher auch auf die Kenntnis bei Vollzug der Transaktion an. Der Versicherungsnehmer, meist der Käufer, wird erst in diesem Moment Eigentümer der Zielgesellschaft und kann sich daher auch erst dann einen vollumfänglichen Überblick über mögliche Risiken verschaffen.
Um Kenntnis von potenziellen Versicherungsfällen schon zum Zeitpunkt kurz vor Vollzug der Transaktion zu erlangen, ist er folglich auf die Hilfe des Verkäufers angewiesen. Fallen Unterzeichnung der Transaktion und Vollzug auseinander, entspricht es der gängigen Praxis, eine Erklärung von dem Verkäufer über potenzielle Schadensfälle einzuholen, die erst nach dem Signing bekannt geworden sind (sog. Bring-Down Erklärung). Ausnahmen von dieser Praxis lassen Versicherungen meist nur bei Risiken aus Verletzungen von Fundamental Warranties zu, also Risiken aus Zusicherungen, die beispielsweise das unbelastete Eigentum des Verkäufers garantieren. Dieses Risiko versichern W&I-Versicherer regelmäßig auch zum Vollzug, ohne dass eine Bring-Down Erklärung von dem Verkäufer verlangt wird.
Da der Verkäufer gewöhnlich keine Partei der W&I-Versicherungspolice ist, muss das Bring-Down Verfahren im Unternehmenskaufvertrag angelegt werden, um sicher zu stellen, dass der Käufer seinen Pflichten aus der Versicherungspolice nachkommen kann.
Erweiterung des Versicherungsschutzes nach dem Signing
Versicherungen machen die Versicherbarkeit von Risiken meist davon abhängig, dass sie diese ausreichend bewerten können. Grundlage für diese Risikobewertung ist eine Due Diligence Prüfung im üblichen Umfang, also die Untersuchung der Zielgesellschaft in verschiedenen Bereichen (beispielsweise auf rechtliche, steuerliche, wirtschaftliche oder technische Risiken oder auf Umweltrisiken). Im Rahmen ihres Underwriting Prozesses prüfen W&I-Versicherungen dann die Due Diligence Berichte der Berater und stellen etwaige Nachfragen. Auf dieser Grundlage bewerten die W&I-Versicherungen dann, in welchem Umfang sie Risiken decken können und gegebenenfalls unter welchen zusätzlichen Voraussetzungen. Solche Voraussetzungen können beispielsweise weitere oder tiefergehende Prüfungen bestimmter Bereiche sein, falls die W&I-Versicherungen manche Bereiche als nicht ausreichend untersucht erachten. Ohne solche Prüfungen durch den Versicherungsnehmer werden die Versicherungspolicen regelmäßig transaktionsspezifische Ausschlüsse vorsehen.
Der Underwriting Prozess der Versicherer findet oftmals in einer späten Phase der Transaktion statt, nahe dem Signing. Zu diesem Zeitpunkt ist es meist nicht mehr möglich, dass Prüfungen noch vor der Unterzeichnung des Deals durchgeführt oder vertieft werden. In einem solchen Fall bieten Versicherer häufig sogenannte „Enhancements“ an. Dies bedeutet, dass W&I-Versicherungen bereit sind, auch noch nach Abschluss der Versicherungspolice transaktionsspezifische Versicherungsausschlüsse aufzugeben und hierdurch den Versicherungsschutz zu erweitern, sollten bestimmte Prüfungen nachgeholt werden. Die Versicherungspolice beschreibt dann genau, was erforderlich ist, um ein Enhancement zu erhalten. Diese nachgelagerten Prüfungen können nach dem Signing oder sogar noch nach dem Closing durchgeführt werden. Freilich kann dies nicht für eine unbegrenzte Zeitdauer gelten. Häufig sehen Versicherungspolicen daher Fristen für solche Enhancements vor.
Abschluss von W&I-Versicherung nach dem Closing
Es kommt vor, dass es der für die Transaktion vorgesehene Zeitrahmen erst gar nicht zulässt, eine W&I-Versicherung vor dem Signing zu verhandeln und erfolgreich abzuschließen. Dies heißt aber nicht, dass eine Versicherbarkeit des Deals gänzlich ausgeschlossen ist. Es lohnt sich trotzdem, mit einer W&I-Versicherung oder einem Versicherungsbroker zu besprechen, ob eine Versicherbarkeit des Deals auch noch nach dem Closing infrage kommt. Es liegt dann vor allem an den Parteien des Unternehmenskaufvertrags, also dem Verkäufer und dem Käufer, entsprechende Kautelen in den Vertrag aufzunehmen, die diesen Fall für beide Parteien zufriedenstellend regeln. Denn Zweck einer W&I-Versicherung ist es, die Haftung des Verkäufers zu begrenzen und hieraus erwachsende Haftungslücken des Käufers zu schließen. Wird aber erst nach dem Closing feststehen, ob und in welchem Umfang eine W&I-Versicherung abgeschlossen werden kann, so muss im Unternehmenskaufvertrag ein Mechanismus vorgesehen werden, der den Interessen der Parteien gerecht wird und den vorgenannten Zweck einer W&I-Versicherung ausreichend berücksichtigt.
Auch nach dem Signing bleibt es spannend
Auch im Zusammenhang mit W&I-Versicherungen endet die Arbeit also nicht mit dem Signing. Vielmehr kann es nach dem Signing und nach dem Closing erst richtig spannend werden. Verschiedene Voraussetzungen sind zum und nach dem Vollzug zu erfüllen, damit die Versicherungspolice „scharf geschaltet″ wird. Zudem besteht die Möglichkeit, insbesondere durch weitere Due Diligence Prüfungen, den Versicherungsschutz auch nach dem Closing noch zu erweitern. War vor dem Signing keine Zeit für die Verhandlung einer Versicherungspolice, so kann in bestimmten Fällen sogar noch nach dem Vollzug Versicherungsschutz erlangt werden.