12. Oktober 2023
W&I-Versicherung M&A Due Diligence
W&I-Versicherungen

W&I-Versicherungen im M&A Prozess – Eine Einführung

Welche Herausforderungen & Vorteile bringen W&I-Versicherungen bei Unternehmenstransaktionen mit sich? Erfahren Sie hier mehr.

In Unternehmenskaufverträgen finden sich regelmäßig klare Risikozuweisungen: Verkäufer haften üblicherweise nur im Rahmen der ausdrücklich vereinbarten Zusicherungen (Garantien). Hiervon nicht erfasste „Mängel″ des Zielunternehmens bleiben wirtschaftlich beim Käufer hängen.

Haftungshöchstgrenzen legen fest, bis zu welchem Betrag der Verkäufer einstehen muss und Verjährungsfristen für welchen Zeitraum. Für darüber hinaus gehende Beträge oder später geltend gemachte Ansprüche oder Pflichtverletzungen trägt der Käufer das wirtschaftliche Risiko.

W&I-Versicherungen zur Absicherung vereinbarter Zusicherungen

Die Risikozuweisung in Unternehmenskaufverträgen ist das Ergebnis oftmals langer Verhandlungen. Es hängt dann an der jeweiligen Verhandlungsposition und dem Verhandlungsgeschick einer jeden Partei, für sie günstige Ergebnisse zu erzielen. Möchte eine Partei die ihr so zugewiesenen Risiken wirtschaftlich dennoch nicht tragen, kann sie versuchen, sich hiergegen zu versichern.

Auf dem Versicherungsmarkt finden sich eine Vielzahl von Versicherern, die so genannte „Warranty and Indemnity Versicherungen″ oder kurz „W&I-Versicherungen″ anbieten. Versicherer von W&I-Versicherungen treten dann ein, wenn die im Unternehmenskaufvertrag, meist in einem Garantiekatalog, vereinbarten Zusicherungen des Verkäufers unrichtig sind. Wie die Ergebnisse der CMS European M&A Study 2023 zeigen, kommen W&I-Versicherungen bei M&A-Transaktionen häufig dann zur Anwendung, wenn Private-Equity-Verkäufer beteiligt sind oder wenn der Kaufpreis EUR 100 Mio. übersteigt.

Unterschiedliche Interessenlage bei Käufer und Verkäufer

Für den Verkäufer eines Unternehmens sind W&I-Versicherungen vor allem dann interessant, wenn er die Richtigkeit der Garantien nur eingeschränkt beurteilen kann. Dies kann daran liegen, dass es sich bei dem Verkäufer um einen nur kurz investierten Finanzinvestor handelt, beispielsweise einen Private Equity Fond, der nicht in das operative Tagesgeschäft eingebunden ist. Gerade in einem sogenannten strukturierten Verkaufsprozess oder Bieterverfahren wird der Verkäufer in der Regel sogar als zwingende Bedingung allen Interessenten die Verpflichtung zu einem Abschluss einer W&I-Versicherung auferlegen, um mit Vollzug der M&A-Transaktion einen für den Verkäufer klaren Abschluss (Clean Cut) zu erreichen. Zum Beispiel wird ein Private Equity Fonds großes Interesse daran haben, möglichst alle Erlöse aus dem Unternehmensverkauf auszuschütten. Das gilt insbesondere, wenn ein Portfolio abverkauft wird und der Fonds geschlossen werden soll. Dem steht eine etwaige Haftung einer (Portfolio-)Verkäufergesellschaft aus Unternehmenstransaktionen häufig entgegen.

Auch für den Käufer kann der Abschluss einer W&I-Versicherung interessant sein. Verkaufen natürliche Personen ihre Unternehmensbeteiligungen, wird der Käufer von den Verkäufern häufig eine finanzielle Absicherung für etwaige Garantieansprüche fordern. Denn aus Käufersicht besteht die Gefahr der fehlenden Liquidität auf Verkäuferseite. Als Sicherheit kann ein Treuhandkonto oder ein Kaufpreiseinbehalt dienen. Um nicht diese Sicherheit bereitstellen zu müssen, kann eine W&I-Versicherung abgeschlossen werden. Der Käufer kann sich statt beim Verkäufer beim Versicherer als solventem Anspruchsgegner schadlos halten.

Hat der Verkäufer dagegen eine starke Verhandlungsposition, wechselt das Absicherungsbedürfnis auf die Käuferseite über. Der Käufer wird sich überlegen müssen, ob er bei niedrigen Haftungshöchstgrenzen und kurzen Verjährungsfristen, die gegen den Verkäufer ausgeschlossenen und über die Haftungs- oder Zeitbegrenzungen hinausgehenden Ansprüche über eine W&I-Versicherung absichert. In der Praxis sieht man im derzeitigen Marktumfeld fast ausschließlich käuferseits abgeschlossene W&I-Versicherungen.  

Zeitpunkt der Einbindung des W&I-Versicherers

Mit W&I-Versicherern kann erst nach Abschluss der Due Diligence (siehe nachstehend) und erst wenn wesentliche Teile des Unternehmenskaufvertrags zwischen Verkäufer und Käufer weitestgehend abgestimmt sind, sinnvoll über die Versicherungspolice verhandelt werden. Dazu gehören insbesondere das Haftungskonzept nebst Garantiekatalog.

D.h. zwar nicht, dass die Versicherer erst spät einbezogen werden, die Gespräche mit den Versicherern zur Versicherungspolice werden daher aber regelmäßig erst gegen Ende der Transaktion stattfinden. Fallen Unterzeichnung des Unternehmenskaufvertrags und Vollzug der Transaktion auseinander, kann die Verhandlung mit den Versicherern auch in den Zeitraum zwischen Unterzeichnung und Vollzug fallen. Dies birgt allerdings die Gefahr, dass die Versicherung suchende Partei (häufig der Käufer) erst nach Abschluss des Unternehmenskaufvertrags weiß, wie sich die Versicherungsdeckung darstellt, aber bereits durch Abschluss des Unternehmenskaufvertrags an ein möglicherweise nicht ausreichendes Haftungskonzept gebunden ist.

Gleichwohl sollte möglichst früh entschieden werden, ob eine W&I-Versicherung abgeschlossen werden soll. Denn werden die richtigen Weichen schon in der Frühphase der Transaktion gestellt, kann der Prozess später wesentlich beschleunigt werden.

Herausforderungen während der Due Diligence Prüfung

Ähnlich wie der Käufer eines Unternehmens, wird auch der W&I-Versicherer das Zielunternehmen im Rahmen einer Due Diligence prüfen wollen, um die zu versichernden Risiken besser einschätzen zu können. 

Die Zeitfenster, die üblicherweise für eine Verkäufer- oder Käufer-Due Diligence in Anspruch genommen werden, stehen für den Versicherer allerdings meist nicht mehr zur Verfügung. Um den Prüfungsprozess verlangen die W&I-Versicherungen daher, dass ihnen der Due Diligence Report des Versicherten auf einer Non-Reliance-Basis zur Verfügung gestellt werden. Auch wenn W&I-Versicherungen Red Flag Due Diligence Reports regelmäßig als ausreichend erachten, gilt entgegen der derzeitigen Tendenz bei Unternehmenstransaktionen grundsätzlich: Je umfangreicher und ausführlicher der Report ist, desto besser. Durch einen umfangreichen und deskriptiven Report reduziert sich der eigene Prüfungsaufwand und Klärungsbedarf des Versicherers. Schon vor dem Start der Due Diligence sollten sich Käufer oder Verkäufer dieser Anforderung an den Report bewusst sein.

Während der Käufer eines Unternehmens schon aufgrund gesetzlicher Sorgfaltspflichten eine Due Diligence Prüfung durchführen wird, ist eine Due Diligence durch den Verkäufer eher die Ausnahme. Beabsichtigt der Verkäufer aber eine W&I-Versicherung abzuschließen, ist er aus vorgenannten Gründen gut beraten, eine Vendor Due Diligence zu veranlassen. Durchgeführt werden sollte eine Vendor Due Diligence vor der Öffnung des Datenraums für Kaufinteressenten. So hat der Verkäufer die Möglichkeit, im Rahmen der Vendor Due Diligence aufgekommene Themen zu klären oder zu lösen und dies bereits entsprechend im Datenraum abzubilden. Der Verkäufer sollte sich daher sehr früh im Prozess mit der Möglichkeit des Abschlusses einer W&I-Versicherung beschäftigen. Denn auch, wenn er den Abschluss der W&I-Versicherung vom Käufer verlangt, sollte dies aus vorstehenden Gründen vorzeitig adressiert werden.

Herausforderungen während der Verhandlung des Unternehmenskaufvertrags

Für die Partei einer Unternehmenstransaktion bedeutet der Abschluss einer W&I-Versicherung doppelten Verhandlungsaufwand. Das im Unternehmenskaufvertrag abgebildete Haftungskonzept nebst Garantiekatalog muss nicht nur mit der Gegenseite, sondern auch mit dem W&I-Versicherer verhandelt werden. Ziel ist es, Haftungslücken möglichst zu vermeiden.

Der Verkäufer (als Versicherungsnehmer) wird daher versuchen, sein Haftungsrisiko aus dem Unternehmenskaufvertrag möglichst umfassend zu versichern. Der Käufer (als Versicherungsnehmer) wird bemüht sein, mögliche Ansprüche zu versichern, die aufgrund von Haftungshöchstgrenzen oder Verjährungsfristen unter dem Unternehmenskaufvertrag ausgeschlossen sind.

Daher sollten Verhandlungsergebnisse zwischen den Parteien stets auf deren Versicherbarkeit hin überprüft werden. Ein Verkäufer will gegenüber dem Käufer natürlich nur solche Garantien akzeptieren, die von der W&I-Versicherung auch abgedeckt werden. Der Käufer dagegen wird kurze Verjährungsfristen oder niedrige Haftungsgrenzen nur dann akzeptieren wollen, wenn die Versicherung darüber hinausgehende Fristen und Beträge versichert.

Abschluss des Unternehmenskaufvertrags

Nicht immer wird ein Unternehmenskaufvertrag so rechtzeitig vor der Unterzeichnung endabgestimmt sein, dass der Versicherer schon vorzeitig eine Deckungszusage geben kann. Meist werden die letzten offenen Themen noch auf den letzten Metern endverhandelt. Es gilt dann, den Versicherer noch vor der Unterzeichnung des Unternehmenskaufvertrags abzuholen, um Gewissheit über den Versicherungsschutz zu haben.

Liegt der endverhandelte Unternehmenskaufvertrag erst einmal vor, ist dieser dem Versicherer bestenfalls vor der Unterzeichnung zur Verfügung zu stellen. Der Versicherer wird dann die finale Fassung seinen Versicherungsbedingungen zugrunde legen. Besteht über die Versicherungsbedingungen Einigkeit, wird der Versicherer die Deckungszusage erteilen, womit der Unternehmenskaufvertrag unterzeichnet werden kann.

Fazit: Gut geplant ist gut versichert

Der Abschluss einer W&I-Versicherung strapaziert den oftmals zeitlich ambitionierten und komplexen M&A Prozess. Werden die richtigen Weichen aber rechtzeitig gestellt und wird der Versicherer zeitnah einbezogen, so sind diese Herausforderungen ohne wesentliche Beeinträchtigung des Prozesses, insbesondere ohne negative Auswirkung auf den Zeitplan, zu bewältigen.

Tags: Due Diligence m&a W&I-Versicherung