1. Juli 2021
Schnellladegesetz
Smart Mobility

Gegen leere Batterien: Das neue Schnellladegesetz

Mit dem neuen Schnellladegesetz werden zur Beschleunigung der Verkehrswende 1.000 Schnellladepunkte mit einem Volumen von EUR 2 Mrd. ausgeschrieben.

Allmählich kommt die Verkehrswende in Fahrt. Die Anzahl der im Jahr 2020 neu zugelassenen Autos mit Elektroantrieb hat sich gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Dieser Trend setzt sich im Jahr 2021 bislang fort, hängt mittelfristig aber am Gelingen des Aufbaus der Ladeinfrastruktur. Das sieht auch die Bundesregierung so, die sich in ihrem „Masterplan Ladeinfrastruktur“ ambitionierte Ziele gesetzt hat. Ein erstes ist die Errichtung von 1.000 Schnellladepunkten in ganz Deutschland.

Dieses Ziel soll mit dem Gesetz über die Bereitstellung flächendeckender Schnellladeinfrastruktur für reine Batterieelektrofahrzeuge (Schnellladegesetz – SchnellLG) umgesetzt werden. Es wurde am 30. Juni 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl I S. 2141) und ist seit dem 1. Juli 2021 in Kraft.

Das SchnellLG weist dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) die Aufgabe zu, den bundesweiten Bedarf an Schnellladestandorten zu ermitteln und diesen im Wege (europaweiter) Ausschreibungen zu decken. Für Unternehmen der Energie- und Mobilitätsbranchen ergeben sich daraus wirtschaftlich interessante Betätigungsfelder, sodass ein vertiefter Blick auf das SchnellLG lohnt. 

Ziel des SchnellLG ist die flächendeckende und bedarfsgerechte Bereitstellung von Schnellladeinfrastruktur für reine Batteriefahrzeuge

Das SchnellLG soll ein Schnellladenetz mit einer Ladeleistung von mindestens 150 Kilowatt aufbauen (High Power Charging, vgl. § 2 Nr. 2 SchnellLG). 

Flächendeckung ist erreicht, wenn alle auf öffentliche Ladeinfrastruktur angewiesenen Fahrzeugführer bundesweit alle Strecken ohne erhebliche Umwege zurücklegen können (vgl. § 2 Nr. 8 SchnellLG). Nach der Gesetzesbegründung soll ein Schnellladepunkt innerhalb von ca. 10 min erreicht werden können, was im Fernverkehr einem Abstandskorridor von 15 bis 30 km entspreche (BT-Drs. 19/29840, S. 9).

Der Bedarf ist gedeckt, wenn durch die Anzahl der Schnellladepunkte unzumutbare Wartezeiten vermieden werden (§ 2 Nr. 9 SchnellLG). Die Wartezeit darf also fünf Minuten nicht übersteigen, in Ferien- oder Stoßzeiten 15 Minuten (BT-Drs. 19/29840, S. 9).

Das BMWI soll den Bedarf an Schnellladestandorten ermitteln und die Anzahl der Schnellladepunkte je -standort einschließlich Ausstattung und Nebenanlagen bestimmen. Maßgabe ist, dass Fahrzeugführer bundesweit jeden Ort auf direktem Weg erreichen können. Ein Schwerpunkt soll auf den Infrastrukturaufbau des Mittel- und Langstreckenverkehrs gelegt werden, wobei der ländliche, suburbane und innerörtliche Raum nicht ausgeschlossen ist. An Bundesfernstraßen soll sich die Infrastruktur an bewirtschafteten wie unbewirtschafteten Rastanlagen befinden (vgl. § 3 Abs. 2 SchnellLG). 

Schnellladeinfrastruktur wird nach Vergabeverfahren des BMVI von ausgewählten Unternehmen bereitgestellt

Hat das BMWI Schnellladestandorte und sog. Suchräume ermittelt, wählt es in einem oder mehreren Vergabeverfahren Unternehmen aus und beauftragt sie, die Schnellladestandorte während eines bestimmten Zeitraums bereitzustellen (vgl. § 3 Abs. 5 SchnellLG). 

Ein Suchraum ist ein vorgegebenes Gebiet, in dem das Unternehmen selbst eine geeignete Fläche für einen Schnellladestandort ausfindig zu machen hat (vgl. BT-Drs. 19/28184, S. 25).

Das SchnellLG enthält selbst kaum Vorgaben zu den Vergabeverfahren. Es überlässt es dem BMVI, durch Rechtsverordnung technische, wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen der Leistungserbringung durch die Auftragnehmer mit Blick auf Flächendeckung, Zugänglichkeit, Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit, Bedarfsgerechtigkeit, Nutzerfreundlichkeit und Umweltverträglichkeit festzulegen (vgl. §§ 3 Abs. 3, 7 Abs. 1 Nr. 1 SchnellLG). Die Betreiber von Schnellladepunkten müssen den Zugang der Mobilitätsanbieter aber diskriminierungsfrei und zu marktgerechten Bedingungen anbieten; dies gilt auch für die Bedingungen für das punktuelle Laden. Die Stromversorgung der Fahrzeuge hat mit erneuerbarer Energie zu erfolgen (vgl. § 3 Abs. 3 SchnellLG). 

Die Ausschreibung wird in mindestens 18 Lose aufgeteilt, die sich auf einzelne Regionen beziehen und sich räumlich überschneiden sollen. Bei Bedarf sollen daneben bundesweite Lose gebildet werden. Kriterien für die Losbildung sind u. a. Nutzerbelange, Kosteneffizienz und wettbewerbliche Gesichtspunkte (vgl. § 4 Abs. 1 SchnellLG). Hervorgehoben wird die Berücksichtigung mittelständischer Interessen bei der Losbildung. U. a. soll in jeder Region soll mindestens ein im Verhältnis ui dem anderen Losen kleineres Los gebildet werden (vgl. § 4 Abs. 2 SchnellLG). 

Weitere Vorgaben zu Vergabeverfahren und Losbildung kann das BMVI wiederum durch Rechtsverordnung festlegen (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 2 SchnellLG). 

Das SchnellLG erkennt an, dass ein kostendeckender Betrieb der Schnellladeinfrastruktur zunächst nicht an allen Standorten möglich sein wird. Es verpflichtet das BMVI daher, Wirtschaftlichkeitslücken in der Markthochlaufphase angemessen Rechnung zu tragen (vgl. § 3 Abs. 6 SchnellLG). Der praktikabelste Weg dürfte die Zahlung von Zuschüssen an die betroffenen Unternehmen sein.  

Schnellladeinfrastruktur an Bundesautobahnen unterliegt besonderen Regelungen

Das SchnellLG enthält besondere Regeln für Nebenbetriebe an Bundesautobahnen (z. B. Tankstellen und Raststätten). Damit soll eine maßvolle Erweiterung der bestehenden Infrastruktur erreicht werden. 

Ist die Bereitstellung von Schnellladeinfrastruktur bereits Gegenstand des Konzessionsvertrages, kann der Konzessionär unter bestimmten Voraussetzungen nachträglich zur Beachtung der einschlägigen Leistungsparameter verpflichtet werden (vgl. § 5 Abs. 2 SchnellLG). 

Ist die Bereitstellung noch nicht Gegenstand des Konzessionsvertrages, soll dem Konzessionär vorrangig die Bereitstellung der Schnellladeinfrastruktur angeboten werden, sofern wettbewerbsrechtlich möglich (vgl. § 5 Abs. 3 SchnellLG).

Erst wenn diese Möglichkeiten fehlschlagen, kann das BMVI ein reguläres Vergabeverfahren durchführen (vgl. § 5 Abs. 3 SchnellLG). 

SchnellLG berücksichtigt die Interessen der Anbieter von Bestandsinfrastruktur 

Die vorgesehen Ausweitung der Schnellladeinfrastruktur kann mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen für Bestandsinfrastrukturanbieter verbunden sein. Das sind all jene Unternehmen, die bereits im Bereich der Ladeinfrastruktur mit mehr als 22 Kilowatt tätig sind (vgl. § 2 Nr. 6 SchnellLG). Daher enthält das SchnellLG Regelungen, die unzumutbare Drittwirkungen der Vergabeverfahren auf Bestandsinfrastruktur vermeiden sollen. 

Es stellt zunächst klar, dass die eigenwirtschaftliche Bereitstellung von Schnellladeinfrastruktur zulässig bleibt (§ 6 Abs. 2 SchnellLG): Es soll sich weiterhin primär um eine Aufgabe der Wirtschaft handeln. 

Ist ein Bestandsinfrastrukturanbieter wegen Maßnahmen nach dem SchnellLG von einer unzumutbaren Härte betroffen, hat er ein Andienungsrecht für seine Ladeinfrastruktur oder Anspruch auf eine angemessene Entschädigung (vgl. § 6 Abs. 3 SchnellLG). 

Das Nähere wird durch Rechtsverordnung geregelt (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 3 bis 6 SchnellLG). Wichtig werden die Höhe der Entschädigung und das Entschädigungsverfahren sein. Davon wird abhängen, ob das SchnellLG die Rechte von Bestandsinfrastrukturanbietern angemessen wahrt. 

BMVI kann Rahmenbedingungen für Leistungserbringung nachträglich ändern

Auffällig ist, dass das BMVI die technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen der Leistungserbringung durch Rechtsverordnung auch nach der Beauftragung mit Wirkung für die bereits bestehenden Vertragsverhältnisse festlegen oder ändern kann (vgl. § 7 Abs. 3 S. 1 SchnellLG). Voraussetzung ist lediglich, dass dies aufgrund veränderter Nachfrage, neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, technischer Entwicklungen oder veränderter rechtlicher Rahmenbedingungen erforderlich ist. Ferner muss die Änderung diskriminierungsfrei sein. 

Damit ist ein hohes Maß an Rechtssicherheit für die künftigen Auftragnehmer verbunden, reichen doch unvorhersehbare und volatile Merkmale wie eine veränderte Nachfrage für eine nachträgliche Änderung aus. Immerhin werden hierdurch ausgelöste Mehrkosten des Auftragnehmers ausgeglichen, was in der entsprechenden Rechtsverordnung näher zu regeln ist (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 2 und 3 SchnellLG). Die Zumutbarkeit nachträglicher Änderungen wird von der Handhabung des Ausgleichsmechanismus abhängen. 

Interessierte Unternehmen sollten schon jetzt aktiv werden

Die Vergabeverfahren sollen bereits im Sommer 2021 beginnen. Zunächst muss das BMVI die Ausschreibungsparameter und -verfahren durch Rechtsverordnungen festlegen. Wann dies geschehen wird, ist offen. Interessierten Unternehmen ist gleichwohl zu empfehlen, bereits heute ihre Kapazitäten zu prüfen und ggf. die Bildung von Bietergemeinschaften zu erwägen.   

Tags: Bestandsinfrastruktur BMVI Schnellladegesetz