8. Oktober 2025
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Steuerrecht

Kryptoinvestoren im Visier des Landesamtes zur Bekämpfung der Finanzkriminalität – Fünf To-dos für Kryptoinvestoren

Das LBF NRW wertet ein großes Transaktionsdatenpaket aus. Anleger sollten aktiv werden, bevor Schätzungen oder Strafverfahren drohen.

Am 25. September 2025 veröffentlichte das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität Nordrhein-Westfalen (LBF NRW) eine Pressemitteilung, die in der Krypto‑Investorenwelt* für Aufsehen sorgt: Ein zweites großes Datenpaket mit Krypto‑Transaktionen aus ganz Deutschland liegt der Steuerfahndung vor – mit rund 4.000 betroffenen Steuerfällen. Die Fälle werden bundesweit an Finanzämter verteilt, die Nachforderungen prüfen und festsetzen.

Schon 2023 hatte NRW Daten einer großen Handelsplattform  ausgewertet und Steuern in Millionenhöhe nacherhoben. Das Signal ist eindeutig: Der Handel mit Kryptowerten ist kein Nischenthema mehr. Die Finanzverwaltung nutzt Datenanalytik, IT-Forensik und Kooperationen zwischen den Bundesländern.

Das aktualisierte BMF-Schreiben „Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung bestimmter Kryptowerte“präzisiert Mitwirkungspflichten, Bewertungsmethoden und die steuerliche Behandlung von Staking, Lending & Co. Die Finanzverwaltung erwartet proaktive Transparenz – wer sie nicht liefert, riskiert Schätzungen.

Die Botschaft ist unmissverständlich: Die Finanzverwaltung verfügt über umfassende Daten von Handelsplattformen und geht systematisch gegen Steuerhinterziehung im Krypto-Bereich vor. Für Investoren bedeutet das: Handeln ist jetzt dringend geboten. Die folgenden fünf To-Dos sollen Ihnen dabei helfen:

1. Steuerliche Bestandsaufnahme – Vollständigkeit prüfen

Die Finanzverwaltung verfügt aufgrund des Datenpakets über Transaktionsdaten von einer zentralen Handelsplattform. Ab dem 1. Januar 2026 werden Handelsplattformen wie Kraken, Coinbase, Bitpanda oder Bison weitere Daten sammeln und im Rahmen des Kryptowerte-Steuertransparenzgesetzes an das Bundeszentralamt für Steuern melden. Wer auf solchen Plattformen gehandelt hat oder handelt, muss davon ausgehen, dass seine Geschäfte den Behörden bekannt sind oder werden.

To-do: Erstellen Sie eine lückenlose Übersicht aller Krypto-Aktivitäten seit Beginn Ihrer Investments. Viele Handelsplattformen bieten nur zeitlich begrenzten Zugriff auf Transaktionsübersichten. Laden Sie alle verfügbaren Daten unverzüglich herunter und sichern Sie sie dauerhaft. Fehlende Aufzeichnungen und Datenverluste gehen zu Ihren Lasten. 

Dazu gehören:

  • Alle Anschaffungsvorgänge (Kauf, Tausch, Mining/Forging, Staking, Lending, Airdrops, ICOs)
  • Alle Veräußerungsvorgänge (Verkauf, Tausch, Verwendung als Zahlungsmittel)
  • Genutzte Wallets und Handelsplattformen (zentral und dezentral)
  • Zeitpunkte, Mengen und Kurse der Transaktionen
  • Dokumentation der gewählten Bewertungsmethode (Einzelbetrachtung, FiFo, Durchschnittsmethode)

2. Steuererklärungen der Vorjahre prüfen und ggf. berichtigen

Viele Krypto-Investoren haben in der Vergangenheit keine oder unvollständige Angaben gemacht – teils aus Unwissenheit, teils in der Hoffnung, die Finanzverwaltung würde den digitalen Raum nicht durchdringen. Das zweite Datenpaket zeigt: Diese Hoffnung ist trügerisch.

Erkennt ein Steuerpflichtiger nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, so ist er verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen (§ 153 AO). Diese Verpflichtung trifft auch Erben des früheren Kryptoinvestors.

To-do: Prüfen Sie systematisch alle Steuererklärungen der vergangenen Jahre:

  • Wurden alle steuerpflichtigen Veräußerungsgewinne erklärt?
  • Wurden Einkünfte aus Mining, Forging, Staking oder Lending angegeben?
  • Wurden auch Tauschvorgänge zwischen Kryptowerten als Veräußerung erfasst?
  • Wurden Airdrops, bei denen eine Leistung erbracht wurde, als sonstige Einkünfte deklariert?
  • Wurden Sachverhalte transparent offengelegt, die man selbst für nicht steuerbar gehalten hat, obgleich es seinerzeit noch keine Auffassung der Finanzverwaltung gabt?

3. Professionelle Selbstanzeige erwägen – aber nur mit Expertise

Wer Einkünfte nicht erklärt hat, riskiert hohe Nachzahlungen, Zinsen und Strafverfahren. Steuerhinterziehung kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden – in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahren.

Die strafbefreiende Selbstanzeige ist ein zweischneidiges Schwert: Richtig angewendet verhindert sie Strafe, falsch formuliert kann sie als Geständnis gegen den Steuerpflichtigen verwendet werden.

To-do: Eine wirksame Selbstanzeige erfordert:

  • Vollständigkeit: Alle Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre müssen berichtigt werden. Eine teilweise Offenlegung führt zur Unwirksamkeit.
  • Richtigkeit: Die nachgeholten Angaben müssen korrekt sein. Falsche Anschaffungskosten oder vergessene Transaktionen können die Straffreiheit gefährden.
  • Rechtzeitigkeit: Die Selbstanzeige muss vor Entdeckung der Tat erfolgen. Die Straffreiheit tritt nicht ein, wenn die Steuerstraftat im Zeitpunkt der Berichtigung bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder damit rechnen musste (§ 371 Abs. 2 AO). Angesichts der systematischen Datenauswertung durch das LBF NRW ist höchste Eile geboten.
  • Entrichtung der Nachsteuer: Die fällige Steuer muss innerhalb einer vom Finanzamt gesetzten Frist entrichtet werden.

Praxis-Tipp: Bei der Selbstanzeige haben Sie nur eine Chance. Ziehen Sie erfahrene Steuerberater und Rechtsanwälte hinzu, die sowohl das Krypto-Geschäft als auch das Steuerstrafrecht beherrschen. Die professionelle Kommunikation schafft Distanz zwischen Ihnen und dem Finanzamt und sorgt für eine sachliche Atmosphäre.

4. Steuerbescheide kritisch prüfen und strategisch anfechten

Nach der Auswertung der Datenpakete könnten viele Krypto-Investoren erstmals Steuerbescheide mit erheblichen Nachforderungen erhalten. Nicht selten schätzt die Finanzverwaltung dabei die Besteuerungsgrundlagen – oft zum Nachteil der Steuerpflichtigen. Doch viele dieser Festsetzungen sind angreifbar.

Die Finanzbehörde kann Besteuerungsgrundlagen schätzen, wenn diese nicht ermittelt oder berechnet werden können (§ 162 AO). Ziel der Schätzung muss es sein, den tatsächlichen Verhältnissen möglichst nahezukommen. Eine Schätzung darf nicht der Sanktionierung dienen. Das BMF-Schreiben stellt klar, dass vorhandene Unterlagen wie Transaktionsübersichten und Steuerreports auch im Schätzungsverfahren zu würdigen sind.

To-do: Prüfen Sie jeden Steuerbescheid systematisch auf Rechtmäßigkeit:

  • Ist der Bescheid wirksam bekannt gegeben worden und läuft die Einspruchsfrist (ein Monat nach Bekanntgabe)?
  • Sind die festgesetzten Beträge nachvollziehbar aufgeschlüsselt und wurde eine Begründung für Schätzungen nach § 162 AO gegeben?
  • Wurden die richtigen Anschaffungskosten berücksichtigt oder pauschal geschätzt? Wurde die Haltefrist korrekt ermittelt?
  • Wurden Transaktionsgebühren als Werbungskosten abgezogen?
  • Wurden Airdrops ohne Gegenleistung fälschlicherweise als Einkünfte behandelt?

Praxis-Tipp: Viele Finanzämter setzen bei fehlenden Einzelnachweisen pauschale Gewinne an oder verweigern den Abzug von Anschaffungskosten gänzlich. Solche Schätzungen sind oft rechtswidrig. Der Einspruch ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe einzulegen – versäumen Sie diese Frist nicht! Im Einspruchsverfahren können Sie weitere Nachweise nachreichen und die Finanzbehörde zur erneuten Prüfung zwingen.

5. Struktur für die Zukunft schaffen – Tax Compliance und Optimierung

Krypto-Investments sind gekommen, um zu bleiben. Statt reaktiv auf Behördenanfragen zu reagieren, sollten Investoren proaktiv eine rechtssichere Struktur schaffen. Das BMF-Schreiben führt detaillierte Aufzeichnungspflichten ein. Steuerpflichtige mit Überschusseinkünften über EUR 500.000 (ab 2027: EUR 750.000) müssen die Aufzeichnungen und Unterlagen sechs Jahre aufbewahren (§ 147a AO). Aber auch unterhalb dieser Grenze gilt: Die Finanzbehörde kann alle Unterlagen anfordern, die zum Verständnis und zur Überprüfung der Besteuerungsgrundlagen erforderlich sind.

To-do: Etablieren Sie ein durchgängiges Tax-Compliance-System. Bspw:

  • Nutzen Sie Krypto-Steuertools, die Transaktionen automatisch erfassen und bewerten
  • Exportieren Sie regelmäßig (mindestens quartalsweise) alle Transaktionsübersichten von allen genutzten zentralen Handelsplattformen (CSV-, XML- oder PDF-Dateien)
  • Dokumentieren Sie die gewählten Bewertungsmethoden und Kursquellen
  • Führen Sie ein Verzeichnis aller Wallets und Handelsplattformen und machen Sie Screenshots von Kontoständen, Orderbestätigungen und wichtigen Transaktionen
  • Wallet-Daten einschließlich öffentlicher Schlüssel zur Nachvollziehbarkeit von On-Chain-Transaktionen
  • Legen Sie Vertragsdokumente zu Mining-Pools, Staking-Vereinbarungen oder Lending-Plattformen geordnet ab

Das Krypto-Geschäft boomt – und die Finanzverwaltung wacht auf

Die Fälle aus NRW zeigen: Die Zeit der unkontrollierten Krypto-Investments ist vorbei. Mit systematischen Sammelauskunftsersuchen, spezialisierten Ermittlungsteams und modernster Datenauswertung verschärft die Finanzverwaltung den Druck.

Für Investoren bedeutet das: Wer jetzt nicht handelt, riskiert erhebliche finanzielle und strafrechtliche Konsequenzen. Mit einer vollständigen Bestandsaufnahme, lückenloser Dokumentation und gegebenenfalls einer professionellen Selbstanzeige lassen sich Risiken minimieren. Eine zukunftsgerichtete Tax-Compliance-Struktur schützt vor späteren Problemen.

Wir begleiten Mandanten in allen Phasen – von der präventiven Strukturierung über die Selbstanzeige bis zur Verteidigung in Einspruchs-, Klage- und Strafverfahren. Unsere Erfahrung im Krypto-Steuerrecht und der enge Austausch mit Finanzbehörden ermöglichen pragmatische und interessengerechte Lösungen.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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