9. November 2015
wertaufhellende Tatsachen nach Bilanzstichtag,wertbegründende Tatsachen
Steuerrecht

Zeitpunkt der Realisierung eines Veräußerungsgewinns in der Insolvenz eines Immobilienfonds

Wertbegründende und werterhellende Tatsachen: Urteil mit Bedeutung für insolvente Immobilienfonds und Einfluss auf die Bilanzsteuerpraxis von Unternehmen.

Dem 4. Senat des BFH liegt zur Entscheidung die Frage vor, ob die Veräußerung des letzten verbliebenen Grundstücks eines Immobilienfonds nach Bilanzstichtag bei der Auflösung des negativen Kapitalkontos eines Kommanditisten gewinnerhöhend berücksichtigt werden darf (anhängige Verfahren, Az: IV-R-3/15 sowie IV-R-9/15).

Entscheidend ist die Prognose am Bilanzstichtag

Ein negatives Kapitalkonto eines Kommanditisten fällt weg und ist gewinnerhöhend aufzulösen, wenn ein Ausgleich des negativen Kapitalkontos mit künftigen Gewinnen nicht mehr in Betracht kommt. Es ist daher am Bilanzstichtag eine Prognoseentscheidung zu treffen.

In den zwei Verfahren hatte das Finanzgericht Berlin-Brandenburg entsprechend jeweils zwischen werterhellenden Tatsachen und wertbegründenden Tatsachen zu unterschieden.

Werterhellende Tatsachen nach Bilanzstichtag sind zu berücksichtigen

Werterhellende Tatsachen sind all diejenigen, die für die Verhältnisse am Bilanzstichtag von Bedeutung sind, ihre Ursache im abgelaufenen Wirtschaftsjahr haben, jedoch nach Bilanzstichtag und vor Aufstellung der Bilanz eintreten oder bekannt werden.

Wertbegründende Tatsachen nach Bilanzstichtag sind nicht zu berücksichtigen

Wertbegründende Tatsachen sind solche Umstände, die die tatsächlichen Verhältnisse nach Bilanzstichtag verändern. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind rechtsgestaltende Rechtshandlungen stets wertbegründend.

Soweit keine Bilanzen aufgestellt werden, ist auf das Datum der Schätzung abzustellen

Eher beiläufig erwähnen die vorinstanzlichen Finanzgerichtsentscheidungen, dass in den Fällen, in denen keine Bilanz erstellt wird, werterhellende Tatsachen, die bis zum Datum der Schätzung bekannt werden oder eintreten, zu berücksichtigen sind. Dies spielt insbesondere in Insolvenzverfahren wie vorliegend eine Rolle, wenn Bilanzen häufig nicht mehr aufgestellt werden. Dies überrascht, da der BFH bei verspäteter Bilanzaufstellung grundsätzlich darauf abstellt, bis zu wann nach den gesetzlichen Aufstellungsfristen, die Bilanz hätte aufgestellt werden müssen. Denn andernfalls könnte der Steuerpflichtige den Wertaufhellungszeitraum beliebig ausdehnen.

Danach könnte insbesondere bei dem zweiten anhängigen Verfahren (Az: IV-R-9/15) eine Berücksichtigung wegen zeitlicher Grenzen von vornherein ausscheiden.

Versteigerung und Verkauf auch bei Prognoseentscheidungen wertbegründend

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat in beiden Verfahren die Veräußerung und Zwangsversteigerung des letzten Grundstücks als wertbegründende Tatsache gewertet und daher eine Wertaufhellung abgelehnt, was zur Folge hatte, dass das negative Kapitalkonto zum vorangegangen Bilanzstichtag nicht aufzulösen war. Das Finanzgericht hat sich leider nicht mit der Argumentation der Finanzverwaltung auseinander gesetzt, dass der erzielte Kaufpreis letztlich nur den Grundstückswert zum Abschlussstichtag erhellt, der als dem Grundstück immanenten Wert folglich schon zum Abschlussstichtag vorlag und sich die Wertverhältnisse gerade nicht verändert haben.

Der Ausgang dieser Verfahren wird auch außerhalb insolventer Immobilienfonds an Bedeutung gewinnen und auf die Bilanzsteuerpraxis der Unternehmen Einfluss nehmen.

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