Unterliegen Garantieverlängerungen der Versicherungsteuer? Das BMF hat sich in einem Schreiben mit weitreichenden Folgen für Unternehmen neu positioniert.
Es gibt sie in vielfältigen Ausgestaltungen: Zusatzleistungen in Gestalt von verlängerten oder erweiterten Garantieversprechen, die den Kunden* bei Neuerwerb eines Produktes bei Vertragsschluss angeboten werden. Ging es früher meist um zusätzliche Leistungen beim Kauf von Kraftfahrzeugen, findet man sie mittlerweile in nahezu sämtlichen Branchen, vor allem aber im Bereich der Elektro- und Unterhaltungsindustrie.
Teils erklärt sich der Verkäufer dazu bereit, Reparaturleistungen im Fall von Schäden an dem Produkt selbst vorzunehmen. Teils wird dem Käufer aber auch ein Wahlrecht zugestanden, wonach dieser im Falle eines Defekts einen Geldbetrag verlangen oder Kostenersatz für die Reparatur durch eine Fachwerkstatt verlangen kann. In manchen Fällen wird dem Käufer auch nur ein Geldbetrag versprochen. Abgedeckt sind neben Mängeln des Produktes häufig auch zusätzlich der Verlust oder der Diebstahl des Produktes.
Das BMF hat nunmehr seine Auffassung zur steuerlichen Behandlung derartiger zusätzlicher Garantieleistungen geändert, indem es sie neuerdings weitgehend als Versicherungsleistung qualifiziert und demzufolge der Versicherungsteuer unterwirft. Dies wird in vielen Fällen Anpassungen entsprechender Angebote erforderlich machen. Betroffene Unternehmen sollten sich daher frühzeitig auf die neuen Anforderungen einstellen und ihre Angebote auch dahingehend überprüfen, ob die Versicherungsteuer und damit einhergehende Vorsteuerabzugsbeschränkungen im konkreten Fall nicht doch vermeidbar sind.
Bisherige Rechtslage: Garantieversprechen als unselbstständige Nebenleistung
Bislang ging die überwiegende Auffassung und mit ihr die Finanzverwaltung davon aus, dass Zusatzleistungen in Gestalt verlängerter oder erweiterter Garantiezusagen steuerlich das Schicksal der Hauptleistung teilen und es sich daher als unselbstständige Nebenleistung nicht um eine eigenständige Leistung im umsatzsteuerlichen Sinne handelt. Dies galt zumindest, solange sich der Verkäufer selbst auch Beistandsleistungen – etwa Reparaturleistungen im Schadensfall – vorbehielt.
Auch wenn das Garantieversprechen damit dem Grunde nach auch das Risiko des Käufers abdeckte, unterlagen die zusätzlichen Garantieversprechen nicht der Versicherungsteuer, sondern in der Regel – der Hauptleistung folgend – der Umsatzsteuer. Folglich haben Unternehmen die Umsatzsteuern einerseits aus den erhaltenen Beträgen abgeführt. Andererseits aber konnten sie die Vorsteuern von entsprechenden Eingangsleistungen abziehen.
BMF behandelt Garantieversprechen künftig als Versicherungsleistung
An diesem Grundsatz wird sich künftig nicht mehr festhalten lassen. Mit seinem Schreiben vom 11. Mai 2021 hat das BMF eine Kehrtwende vollzogen: Derartige Garantiezusagen sind pauschal der Versicherungsteuer zu unterwerfen, soweit sie dem Kunden gegen Entgelt angeboten werden. Garantiezusagen, die zu der eigentlichen Ware oder Dienstleistung angeboten werden, sind dann nach § 4 Nr. 10a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob der Anbieter Versicherer i.S.d. Versicherungsaufsichtsrechts ist oder nicht und ob er über eine entsprechende Versicherungslizenz i.S.d. VAG verfügt.
Auswirkungen auf entsprechende Garantieangebote sind erheblich
Die tatsächlichen Auswirkungen auf die Rechtspraxis sind kaum zu überschätzen. So werden zahlreiche Verkäufer, Hersteller und Dienstleistungsanbieter betroffen sein, deren Zusatzleistungen nunmehr an die geänderten Vorgaben anzupassen sind. Dabei geht es nicht allein darum, dass künftig die Umsatzsteuer durch die Versicherungsteuer mit einem Steuersatz von ebenfalls 19% ersetzt wird. Die Neuausrichtung der rechtlichen Beurteilung kann vielmehr zu erheblichen Mehrbelastungen führen, da die Versicherungsteuer keinen dem Vorsteuerabzug vergleichbaren Mechanismus kennt.
So wird insbesondere in Fällen, in denen die Garantiezusage zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmern gewährt wird, mit einer beachtlichen Verringerung der Gewinnmarge bzw. einer entsprechenden Verteuerung des Angebots zu rechnen sein. So konnte der Garantieempfänger nach bisheriger Rechtslage die auf die Zusage entfallende Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen, was bei der Versicherungsteuer gerade nicht der Fall ist.
Besonders kritisch ist es auch, wenn mit der Garantiezusage selbst Sachleistungen, wie etwa Reparaturleistungen, versprochen werden, weil ein Vorsteuerabzug aus entsprechenden Eingangsleistungen in diesem Fall ebenfalls versagt bleibt. Dies wird mit Blick auf die für Reparaturen erforderlichen Kosten für Material- und Ersatzteile zu erheblichen Mehraufwendungen führen.
Anlassgeber zur Neuausrichtung bzgl. der Umsatzsteuer bei Garantieverlängerungen war der BFH
Hintergrund der neuen Beurteilung durch das BMF ist die Entscheidung des BFH vom 14. November 2018 (Az. XI R 16/17), über dessen Kernaussagen die Finanzverwaltung jedoch teilweise hinausgeht.
In dem besagten Urteil ging es um einen Kfz-Händler, der seinen Kunden bei Kauf eines Fahrzeugs eine erweiterte Gebrauchtwagengarantie gegen gesondert berechnetes Entgelt anbot. Im Garantiefall konnte der Käufer Erstattung der erforderlichen Reparaturkosten verlangen, wobei er nach den zu Grunde liegenden Garantiebedingungen eine Reparatur sowohl durch den Kfz-Händler selbst als auch durch einen anderen Kfz-Meisterbetrieb, vorranging jedoch durch Reparaturbetriebe aus einem bestimmten Servicenetzwerk, durchführen lassen konnte.
Der BFH entschied hierauf, dass die entgeltliche Garantiezusage des Kfz-Händlers keine unselbstständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung, sondern eine eigenständige Leistung darstelle, die der Versicherungsteuer unterliege.
Hierüber geht das BMF in seinem Schreiben vom 11. Mai 2021 hinaus, wenn es künftig sämtliche Garantieversprechen, die gegen zusätzliches Entgelt angeboten werden, als eigenständige Leistung behandeln will und sie damit der Versicherungsteuer unterwirft. Denn dies lässt sich – zumindest in dieser Pauschalität – dem benannten Urteil, in dem der Kunde stets nur Kostenerstattung geltend machen konnte, nicht zwingend entnehmen.
Der Versicherungsteuer unterfallen werden in der Regel auch Garantiezusagen, die unabhängig von einem Kauf gegen Entgelt gewährt werden, oder solche, die weitere Risiken mit einbeziehen, wie etwa das zufällige Abhandenkommen der Sache (z.B. Diebstahl) oder eine Beschädigung der Sache durch Dritte (z.B. Vandalismus). Als Ausnahme nennt das Schreiben lediglich sog. Vollwartungsverträge, da der Unternehmer in diesen Fällen kein fremdes Wagnis des Kunden versichert, sondern lediglich sein eigenes unternehmerisches Risiko trägt.
In einem Folgeschreiben hat das BMF ferner klargestellt, dass sich die neuen Grundsätze nicht nur auf den Vertrieb von Kfz, sondern auf sämtliche Branchen erstrecken sollen.
Trotz Übergangsregelungen sollten Anbieter sich frühzeitig auf die Umstellung einrichten
Die Anwendbarkeit des Schreibens vom 11. Mai 2021 hat das BMF zwischenzeitlich mehrmals hinausgeschoben. Nach derzeitigem Stand werden die Grundsätze zwingend erst für Garantiezusagen anzuwenden sein, die nach dem 31. Dezember 2022 abgegeben werden. Wie sich jedoch in der Praxis gezeigt hat, gilt die verzögerte Anwendung nicht für alle behandelten Garantiezusagen, sodass unabhängig von dem derzeit bestehenden Moratorium, je nach Vertragskonstellation, bereits Versicherungsteuern für die Vergangenheit bzw. Gegenwart angefallen sein können.
Sollten daher Unternehmen Umsatzsteuer auf Garantiezusagen abgeführt haben, obwohl diese nach den neuen Grundsätzen des BMF der Versicherungsteuer unterlagen, gilt es auch zu klären, inwieweit eine Rückerstattung der Umsatzsteuer noch erfolgen kann. Eine Mehrabführung (abzüglich gezogener Vorsteuern) schützt indes nicht davor, dass das für Versicherungsteuer zuständige Bundeszentralamt für Steuern von einer Nacherhebung oder etwaigen Repressalien absieht.
Mittelbar kann sich die Einordnung von Garantiezusagen als Versicherungsleistung aber auch auf die Vertriebsstrukturen auswirken, bei denen eine Vermarktung häufig durch zwischengeschaltete Reseller erfolgt. Deren Tätigkeit kann dann als Vermittlertätigkeit nach § 4 Nr. 11 UStG steuerbefreit sein, was der EuGH in einer erst kürzlich ergangenen Entscheidung (EuGH, Urteil v. 8. Juli 2021 – C-695/19) für die Vermittlung von Garantieverlängerungen für Haushaltswaren sowie Informatik- und Telekommunikationsartikel bestätigt hat.
Stets zu beachten sind aber auch versicherungsaufsichtsrechtliche Aspekte. So sollte darauf geachtet werden, ob die Garantiezusagen im konkreten Fall nicht eine Lizenz nach dem VAG erforderlich machen. Eine Missachtung dieser Vorgaben kann erhebliche, auch strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen, sodass hierbei ein besonderes Augenmaß geboten ist.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.