Der Bundesrat sorgt sich um die Zukunft der digitalen Gesellschaft. Nun regt er Maßnahmen an, um klare Spielregeln auf digitalen Märkten zu schaffen.
In seiner Entschließung vom 23. November 2018 fordert der Bundesrat von der Bundesregierung die Schaffung von mehr Transparenz und klaren Regeln auf digitalen Märkten. Insbesondere durch den Missbrauch digitaler Informationen im Kontext sozialer Netzwerke sowie durch die Verbreitung von Fake News sehen die Länder demokratische Grundprinzipien in Frage gestellt.
Kennzeichnungspflicht für Social Bots
Der Bundesrat verlangt die umgehende Einführung einer Kennzeichnungspflicht für so genannte Social Bots. Social Bots („Bot“ als Kurzform des englischen Begriffs „Robot“ für Roboter) sind Computerprogramme, die automatisiert (vor-)bestimmte Aufgaben erfüllen.
Meinungs-Bots in sozialen Netzwerken können menschliche Identitäten in Fake-Accounts vortäuschen. Hierfür scannen sie Twitter-Timelines oder Facebook-Posts nach Wörtern oder Hashtags. Findet ein Bot den gewünschten Suchbegriff, kommentiert er den entsprechenden Beitrag mit vorgefertigten Antworten oder versucht, je nachdem wie gut er programmiert ist, andere in ein fiktives Gespräch zu verwickeln. Insofern wird über das Potential von Social Bots diskutiert, politische Debatten im Internet und damit gar den Ausgang einer Bundestagswahl zu beeinflussen.
Nach Ansicht des Bundesrates soll zukünftig für Nutzer stets erkennbar sein, welche Nachrichten von Menschen und welche von Maschinen kommen. Der Bundesrat verweist auf die Empfehlung der Länderarbeitsgruppe Social Bots, eine bußgeldbewehrte Kennzeichnungspflicht für Social Bots einzuführen und Betreiber sozialer Netzwerke zu verpflichten, Beiträge von „Meinungsrobotern“ als solche zu markieren. Hierfür fordert die Länderarbeitsgruppe entsprechende Regelungen im Telemediengesetz sowie auf unionsrechtlicher Ebene. Die Umsetzung möglicher Regelungen im Rundfunkstaatsvertrag sei bereits angekündigt worden.
Bekämpfung von Datenmissbrauch als Reaktion auf die Cambridge Analytica-Affäre
Ein weiteres zentrales Anliegen des Bundesrates ist der verbesserte Schutz persönlicher Daten von Nutzern in sozialen Netzwerken.
Zwar würden insbesondere durch den Kodex für elektronische Kommunikation (EECC) sowie die E-Privacy Verordnung Regelungen zum Schutz persönlicher Daten geschaffen. Angesichts wiederkehrender Skandale im Zusammenhang mit der Nutzung digitaler Informationen seien darüber hinaus jedoch weitere Maßnahmen erforderlich, um ein berechtigtes Vertrauen der Endnutzer in digitale Dienste zu schaffen und diese „im Sinne der Demokratie“ nutzbar zu machen.
Als abschreckendes Beispiel wird der Skandal um Cambridge Analytica aufgeführt: Das Datenanalyse-Unternehmen aus Großbritannien hatte rechtswidrig Daten von bis zu 87 Millionen Facebook Nutzern erlangt. Die Daten hatte der Psychologie-Professor der Universität Cambridge Aleksandr Kogan mittels einer App namens „Thisisyourdigitallife“ gewonnen und an Cambridge Analytica weitergegeben. Die App lief innerhalb von Facebook und wurde nach Angaben von Facebook etwa 270.000 Mal heruntergeladen. Möglicherweise wurden die Daten auch im amerikanischen Wahlkampf verwendet: Cambridge Analytica unterstützte 2016 das Wahlkampfteam des späteren US-Präsidenten Donald Trump.
Stringentere Regulierung
Um Datenmissbrauch einzudämmen, verlangt der Bundesrat zum einen eine stringentere Regulierung, Aufsicht und Kontrolle von Daten-Plattformen auf Basis nationaler und europäischer Vorschriften. Insbesondere der Missbrauch von großer Marktmacht durch Unternehmen solle unterbunden werden.
Datensparsamere Nutzung sozialer Netzwerke
Zudem fordert der Bundesrat, dass marktbeherrschende soziale Netzwerke datensparsam ausgestaltet und personenbezogene Daten entweder anonymisiert oder gar nicht verwendet werden. Hierfür bedürfe es der raschen Einschaltung der Daten-Ethikkommission des Bundes. Diese solle überprüfen, ob und inwiefern insbesondere bestehende Vorschriften zur Gewährleistung eines hohen Daten-Sicherheitsniveaus ausreichen oder verbessert werden müssen und hierfür entsprechende Umsetzungsvorschläge vorlegen. Zugleich solle nach Möglichkeiten gesucht werden, nachhaltigen Wettbewerb im Bereich der Datenplattformen anzureizen.
Striktere Regulierung ist begrüßenswert
Die Frage der Auswirkungen von Social Bots auf (politische) Debatten ist noch weitgehend ungeklärt. Um zu gesicherten Erkenntnissen zu gelangen, müsste man mehr Daten erheben.
Insgesamt entspricht die Entschließung des Bundesrats dem gesellschaftlichen und ökonomischen Bedürfnis, klare Spielregeln für eine stabile, sichere und nachhaltige digitale Zukunft zu schaffen. Deshalb ist es begrüßenswert, dass nun ausdrücklich eine Abkehr von der Praxis der „zurückhaltenden Regulierung“ erfolgt, die noch zu Beginn des digitalen Zeitalters favorisiert wurde. Es bleibt abzuwarten, ob und inwiefern insbesondere die Daten-Ethikkommission des Bundes das Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch nach freier Entfaltung der erheblichen Innovationspotentiale einerseits und dem Verlangen nach transparentem und fairen Wettbewerb durch umfassende Regulierung andererseits aufzulösen vermag.