19. Dezember 2018
Zugriff Straverfolgungsbehörde Kommunikation
Datenschutzrecht

Zugriff auf elektronische Kommunikation durch Strafverfolgungsbehörden wird erleichtert

Die Mehrheit der EU-Justizminister wollen die Zugriffsrechte von Ermittlern auf Online-Nachrichten deutlich stärken – trotz Kritik aus Deutschland.

Viele Straftaten ließen sich nach Ansicht der meisten EU-Staaten heute schneller und einfacher untersuchen und verfolgen, wenn die Strafverfolgungsbehörden schnellstmöglich Kenntnis von dem Inhalt von SMS, E-Mails oder Nachrichten in Apps erlangen könnten. Länderübergreifende Weitergaben elektronischer Beweismittel betragen derzeit jedoch bis zu 120 Tage im Rahmen einer bestehenden europäischen Ermittlungsanordnung oder zehn Monate im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens.

Am 7. Dezember 2018 stimmte die Mehrheit der EU-Justizminister in Brüssel daher dafür, neue Regelungen für die Datenfreigabe innerhalb der EU zu schaffen. Diese sollen insbesondere vorsehen, dass Dienstanbieter künftig im Falle schwerer Straftaten innerhalb von zehn Tagen auf Auskunftsanträge Informationen auch an Ermittler aus anderen Mitgliedstaaten herauszugeben haben – ohne hierfür vorher das Einverständnis der nationalen Strafverfolgungsbehörden einzuholen. Bei bestimmten Notfällen, wie z.B. zur Terrorismusbekämpfung oder bei Kindesentführungen, soll ausnahmsweise sogar eine Pflicht zur Herausgabe innerhalb von nur sechs Stunden bestehen.

Weigert sich ein Dienstleister, soll er mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu zwei Prozent des weltweiten Jahresumsatzes belegt werden können.

Vorhergehender Vorschlag der EU-Kommission & Kritik

Dem Vorhaben der EU-Justizminister liegt ein Vorschlag der EU-Kommission vom 17. April 2018 in Form von Entwürfen für eine Verordnung über Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen und einer Richtlinie zur Festlegung einheitlicher Regeln für die Bestellung von Vertretern zu Zwecken der Beweiserhebung in Strafverfahren zugrunde, die Folgendes vorsehen:

  • Schaffung einer europäischen Herausgabeanordnung mit den oben beschriebenen Fristen;
  • Schaffung eines europäischen Bestandsschutzes, der es einer Justizbehörde in einem Mitgliedstaat ermöglichen soll, zu verlangen, dass ein Dienstleister oder sein gesetzlicher Vertreter in einem anderen Mitgliedstaat bestimmte Daten im Hinblick auf eine mögliche spätere Aufforderung zur Herausgabe dieser Daten im Wege der Rechtshilfe, einer europäischen Ermittlungsanordnung oder einer europäischen Herausgabeanordnung speichert;
  • die Einbeziehung strenger Garantien: Es soll ein wirksamer Schutz der Grundrechte gewährleistet werden, einschließlich der Garantien für das Recht auf Schutz personenbezogener Daten. Die Dienstleister und betroffenen Personen, deren Daten abgefragt werden, sollen durch geeignete Sicherheitsmaßnahmen geschützt werden und berechtigt sein, sich durch die Inanspruchnahme rechtlicher Mittel zu wehren;
  • die Verpflichtung von Dienstleistern, die Dienstleistungen in der EU anbieten, aber ihren Sitz in einem Drittland haben, einen Vertreter in der EU für den Empfang, die Einhaltung und die Durchsetzung von Entscheidungen und Anordnungen zu benennen, um sicherzustellen, dass alle Dienstleister den gleichen Verpflichtungen unterliegen;
  • die Schaffung von Rechtssicherheit für Unternehmen und Dienstleister: In der Erwägung, dass die Strafverfolgungsbehörden bislang oft auf den guten Willen der Dienstleister angewiesen sind, soll künftig durch die allgemeine Verpflichtung von Dienstleistern auf Gewährung von Zugang zu Informationen, allgemein die Rechtssicherheit und Klarheit verbessert werden.

Bereits dieser Vorschlag der EU-Kommission sah sich Kritik ausgesetzt. Die europäische Rechtsanwaltsorganisation CCBE gab etwa zu Bedenken, dass ein solcher direkter Durchgriff von Ermittlern aus dem EU-Ausland ohne Einbeziehung der inländischen Behörden unzulässig sein könnte. Hierfür sei keine hinreichende Rechtsgrundlage ersichtlich, insbesondere sehe auch der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union kein solches Vorgehen vor. Ferner kritisierte der CCBE, dass bei Ausschluss der nationalen Behörden faktisch die privaten Unternehmen als Adressaten für eine solche Herausgabeanordnung für die Aufrechterhaltung des Schutzes von Grundrechten teilweise oder ganz verantwortlich gemacht würden.

Kritik aus Deutschland: Informationsbeschaffung ohne Kontrollmöglichkeit

Dementsprechend ist wenig verwunderlich, dass sich auch der hierauf beruhende Vorschlag der EU-Justizminister Kritik ausgesetzt sieht – auch aus Deutschland:

Die deutsche Justizministerin Katarina Barley von der SPD stimmte hingegen gegen den Vorschlag. Sie führte aus, dass Deutschland zwar ebenfalls die europäischen Auskunftsverfahren beschleunigen wolle, Deutschland allerdings nicht mit dem vorgeschlagen Weg einverstanden sei. Als konkreten Kritikpunkt nannte sie die geplante Möglichkeit, dass bestimmte ausländische Ermittler z.B. bei der Telekom Informationen abfragen könnten, ohne dass ein Einverständnis der deutschen Behörden vorliege, obwohl in dem anfragenden Land u.U. keine vergleichbaren rechtsstaatlichen Prinzipien bestünden. Hierzu wäre ein „Vier-Augen-Prinzip″, also eine Gegenprüfung durch die nationalen Behörden, wichtig.

Ähnliche Kritik äußerte u.a. auch der Digitalverband Bitkom in seiner Pressemitteilung vom 7. Dezember 2018. Insbesondere sei

problematisch, wenn private Provider Grundrechtsprüfungen vornehmen sollen, ohne dass nationale Behörden miteinbezogen werden.

Des Weiteren seien auch die Herausgabefristen für Unternehmen

viel zu kurz bemessen, um etwaige Behördenanfragen inhaltlich korrekt prüfen zu können.

Außerdem könnten von möglichen Herausgabeanordnungen auch kleine und mittelständische Dienstleister betroffen sein, die – in Anbetracht der kurzen Fristen – theoretisch rund um die Uhr Personal bereitstellen müssten, um eventuelle Anfragen der Behörden fristgerecht beantworten zu können.

Verhandlungen mit dem Europaparlament stehen aus

Die konkrete Ausgestaltung der neuen Regelungen ist noch nicht final. Dem Europaparlament kommt in dieser Sache ein Mitspracherecht zu. Im Rahmen der Verhandlungen mit dem Europaparlament sind Änderungen an den geplanten Regelungen daher noch möglich.

Geplant ist, dass die Verhandlungen mit dem Europaparlament vor Ende der Legislaturperiode und vor den Europawahlen im Mai 2019 abgeschlossen werden.

Tags: Kommunikation Strafverfolgungsbehörde Zugriff