31. August 2018
Demo Pressefreiheit
Presserecht

ZDF darf Pegida-Demonstranten filmen und Aufnahmen verbreiten

Zur Zulässigkeit der Anfertigung und Verbreitung von Aufnahmen eines Pegida-Demonstranten.

Ein Zusammenprall zwischen einem Pegida-Sympathisanten und einem Kamerateam gibt Anlass zur Verdeutlichung der Zulässigkeit der Verbreitung von Videoaufnahmen im Zusammenhang mit Demonstrationen.

Hintergrund: Videoaufnahmen im Auftrag des ZDF bei Pegida-Demonstration

Die Pegida-Bewegung rief Mitte August in Dresden zu einer Demonstration auf. Anlass für die Demonstration war ein Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Stadt. Dabei kam es zwischen einem Teilnehmer der Demonstration und einem Kamerateam, das für die ZDF-Sendung „Frontal 21″ Videoaufnahmen machte, zu einer folgenreichen Begegnung: Das Kamerateam filmte zunächst den Veranstaltungsort. Zu sehen sind auf den Aufnahmen die Teilnehmer und Sympathisanten, von denen einige „Lügenpresse″ skandieren. Einer der Demonstranten schreitet sodann auf das Kamerateam zu und fordert es auf, die Dreharbeiten einzustellen. Er wiederholt lauthals die Behauptung, das Kamerateam begehe aufgrund der Aufnahmen eine Straftat. Um die Presseausweise zu kontrollieren, hielt die Polizei das Kamerateam in der Folge für 45 Minuten auf und damit von der Anfertigung weiterer Filmaufnahmen ab.

Der Vorfall erregte insbesondere wegen der Behinderung der Presse bei deren Berichterstattung durch die Polizei bundesweites Aufsehen und mündete in einer Entschuldigung des Dresdner Polizeipräsidenten. Zuletzt stellte sich heraus, dass es sich bei dem Demonstranten um einen Mitarbeiter des LKA Sachsen handelt.

Interessenabwägung zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht auf einer Demo

Für die Bewertung der Zulässigkeit der Veröffentlichung von Filmaufnahmen durch die Presse ist ein angemessener Ausgleich zwischen der Pressefreiheit, dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten zu finden. Das für derartige Fälle maßgebliche Kunsturhebergesetz bietet für diesen Ausgleich einen dreistufigen Ansatz an:

  • Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob der Betroffene in die Verbreitung der Aufnahmen eingewilligt hat.
  • Auf der zweiten Stufe sieht das Gesetz verschiedene Ausnahmen vom Erfordernis der Einwilligung vor. So können Aufnahmen ohne Einwilligung des Betroffenen verbreitet werden, wenn die Aufnahmen z.B. dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen sind. Die Presse darf die Aufnahmen beispielsweise auch dann ohne Einwilligung des Betroffenen verbreiten, wenn es sich um Bilder von Versammlungen handelt, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben.
  • Auf der dritten Stufe ist schließlich zu prüfen, ob berechtigte Interessen des Abgebildeten gegen eine Verbreitung der Aufnahmen sprechen.

Verbreitung von Filmaufnahmen auch ohne Einwilligung zulässig

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Fall der Aufnahmen des Pegida-Demonstranten zeigt sich, dass das ZDF die Aufnahmen auch ohne Einwilligung des Demonstranten verbreiten durfte:

Denn zum einen ging der Demonstrant selbst auf das Kamerateam zu und machte sich somit selbst zum Gegenstand der Berichterstattung. Es lassen sich gute Argumente dafür vorbringen, dass sich der Demonstrant mit seinem eigenen Verhalten zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis gemacht hat. Eine gegenläufige Argumentation würde zu dem absurden Ergebnis führen, dass das Kamerateam seine Berichterstattung unterbrechen müsste, wenn ein einzelner Demonstrant auf das Kamerateam zutritt. Dies stünde nicht nur im Widerspruch zum weiten Schutzbereich der Pressefreiheit, sondern würde ihre Ausübung letzten Endes vollständig unterbinden.

Besondere Bedeutung der Pressefreiheit bei Demonstrationen

Zum anderen durfte das ZDF die Aufnahmen auch deshalb verbreiten, weil es sich um Aufnahmen bei einer öffentlichen Demonstration handelte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Gesetz nicht pauschal das Herausgreifen von einzelnen Teilnehmern bei einer Demonstration gestattet. Die Presse darf allerdings einzelne Demonstranten filmen, wenn der Abgebildete als charakteristisch und beispielhaft für die Demonstration heraussticht, und zwar erst recht, wenn er sich durch sein eigenes Verhalten in besonderer Weise exponiert. Mit diesem Herausgreifen Einzelner darf die Presse nämlich das Ziel verfolgen, der Öffentlichkeit einen repräsentativen Gesamteindruck von der Veranstaltung zu vermitteln.

Genau dies war in Dresden der Fall: Bereits in der Vergangenheit sind Pegida-Anhänger durch ihr pressefeindliches Verhalten aufgefallen, das sie stets durch das polemische Schlagwort „Lügenpresse″ untermauern. Auch bei der Demonstration Mitte August in Dresden skandierten die Demonstranten „Lügenpresse″. Pegida möchte insbesondere ihren Widerspruch gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung in den vergangenen Jahren und ihre Abneigung zu etablierten Medien zum Ausdruck bringen. Dabei kam es in der Vergangenheit sogar wiederholt zu Übergriffen auf Pressevertreter, weil Pegida eine falsche Berichterstattung über die Politik der Bundesregierung vermutet.

Das ZDF durfte folglich Aufnahmen eines Teilnehmers der Pegida-Demonstration verbreiten, der sich aktiv gegen ein Kamerateam wendet. Denn mit diesem Verhalten präsentierte sich der Demonstrant aus eigenem Antrieb als Repräsentant der gesamten Demonstration, die gerade gesamtheitlich hinter einer Ablehnung der Berichterstattung steht. Ausgehend von seinem Verhalten kann der Demonstrant schließlich auch keine berechtigten Interessen vorbringen, die gegen eine Verbreitung der Aufnahmen sprechen würden. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat liefert das Verhalten des Kamerateams nicht.

Dreharbeiten auf Demos zwischen Pressefreiheit und Datenschutz

Nichts anderes gilt im Übrigen für die Frage der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Dreharbeiten des Kamerateams. Schon das Filmen des Demonstranten ist eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten, nämlich dessen Bildnisses. Diese Datenverarbeitung kann allerdings auf Art. 6 Abs. 1 lit. f Datenschutz-Grundverordnung gestützt werden. Danach rechtfertigen berechtigte Interessen desjenigen, der die Aufnahmen macht, die Datenverarbeitung, soweit die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten des Gefilmten nicht überwiegen. Bei der vorzunehmenden Abwägung spielen u.a. vernünftige Erwartungen des Gefilmten eine Rolle. Ein Demonstrationsteilnehmer muss in einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft damit rechnen, dass Journalisten seine Teilnahme an der Demonstration filmen. Das gilt erst recht, wenn er auf das Kamerateam zugeht und mit ihm in Kontakt tritt.

Zwar gewährt das Datenschutzrecht bei dieser Rechtsgrundlage grundsätzlich das Recht zum Widerspruch gegen die Datenverarbeitung, jedoch ist selbiges ausgeschlossen, soweit der Verarbeiter zwingende schutzwürdige Gründe für die Verarbeitung nachweisen kann, die Interessen, Rechte und Freiheiten des Gefilmten überwiegen. Letzteres ist aufgrund der Pressefreiheit und des weiten Schutzbereiches der Berichterstattung der Fall. Die Datenschutz-Grundverordnung will einen gerechten Ausgleich der unterschiedlichen Grundrechtspositionen erreichen. Das Recht auf Datenschutz genießt folglich keinen absoluten Schutz. Die Anfertigung von Filmaufnahmen im vorliegenden Fall ist datenschutzrechtlich unbedenklich und stellt folglich ebenso wenig eine Straftat dar.

Unsicherheiten über Reichweite der Pressefreiheit auf Demos

Im Ergebnis verdeutlicht der Vorfall, wie wichtig es ist, ein Bewusstsein für die Bedeutung der Pressefreiheit zu schaffen. Es herrscht große Unsicherheit, nicht nur in der Bevölkerung, sondern erst recht auch unter Journalisten. Insbesondere bei politischen Demonstrationen muss aber eine freie Berichterstattung gewährleistet sein. Die jüngsten Ausschreitungen in Chemnitz, bei denen wiederum Journalisten bedroht und verfolgt wurden, verdeutlichen dies. Aus diesem Grund hätte die Polizei das Kamerateam auch nicht von seiner Arbeit abhalten dürfen, sondern hätte die Journalisten in der Ausübung ihrer Grundrechte schützen müssen.

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