20. August 2012
So, nochmal zurück und diesmal mit "Anzeige"
Presserecht

Der Bundesgerichtshof fragt: Sind die Landespressegesetze zu streng?

Man kann Werbetreibende und Vertreter von Agenturen mit einem einzigen Satz in eine Kurzzeit-Schockstarre versetzen, wenn man die bittere Wahrheit ausspricht, die da lautet:Schleichwerbung geht (gar) nicht″. Danach erholt sich das Hirn der Kreativen und es beginnt meist ein neues Gedankenspiel mit der Frage: „Wenn wir es aber doch so machen würden…″

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Zusammenhang mit Schleichwerbung nun ein Problem ausgemacht, das aus dem Umstand resultiert, dass verdeckte und bezahlte Werbung nach einer ganzen Reihe verschiedener Gesetze verboten ist. Und die scheinen nicht ganz zusammenzupassen.

In Baden-Württemberg gilt für die „klassische″ Presse etwa (auch) § 10 des Landespressegesetzes (LPresseG), der es neben dem Schleichwerbeverbot gebietet, eine bezahlte Veröffentlichung „soweit sie nicht schon durch Anordnung und Gestaltung allgemein als Anzeige zu erkennen ist, deutlich mit dem Wort ‚Anzeige‘ zu bezeichnen.″

Die Vorschrift, die sich in fast wortgleicher Form in nahezu allen Presse- oder Mediengesetze der deutschen Bundesländer findet, kommt nun auf den europarechtlichen Prüfstand. Der BGH hat mit einem heute veröffentlichten Beschluss (v. 19.07.2012, I ZR 2/11) dem Eurpäischen Gerichtshof (EuGH) im Rahmen eines Vorlagebeschlusses die Frage gestellt, ob und wie das Schleichwerbeverbot aus dem Landespressegesetz mit europäischem Recht vereinbar ist. Grund war der folgende Sachverhalt:

„Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nach §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 10 LPresseG für begründet erachtet. Die in Rede stehenden redaktionell aufgemachten Beiträge in dem von der Beklagten verlegten Anzeigenblatt „GOOD NEWS“ seien als entgeltliche Veröffentlichung entgegen § 10 LPresseG nicht in ausreichendem Maße als Anzeigen gekennzeichnet. Die Beklagte habe unter dem Deckmantel eines redaktionellen Artikels Wirtschaftswerbung betrieben. Das strikte Gebot der Kenntlichmachung von Anzeigen werde verletzt, wenn der präzise Begriff der Anzeige – wie im vorliegenden Fall – vermieden und stattdessen ein unscharfer Begriff gewählt werde. Die Kennzeichnung der Beiträge mit den Wörtern „sponsored by“ reiche nicht aus, um den Anzeigencharakter der Veröffentlichungen zu verdeutlichen.″

So weit, so gut. Weil aber auch das aufgrund einer europäischen Richtlinie angepasste Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ebenso wie die Landespressgesetze Vorgaben zur verbotenen Schleichwerbung macht, gibt es nun ein Problem, denn die Mitgliedstaaten dürfen im Anwendungsbereich der Richtlinie grundsätzlich keine strengeren als die in der Richtlinie festgelegten Maßnahmen erlassen, und zwar auch nicht, um ein höheres Verbraucherschutzniveau zu erreichen. Wenn also die Kennzeichnung als „sponsored by″ dem Landespressegesetz widerspricht, während sie nach dem UWG erlaubt ist, tritt der Konflikt zutage:

„Müssten die Bestimmung des § 10 LPresseG und dem folgend die entsprechenden Regelungen des Trennungsgebots in den anderen Bundesländern richtlinienkonform in der Weise ausgelegt werden, dass sie nur bei Vorliegen der zusätzlichen lauterkeitsrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen angewandt werden können, wäre die Durchsetzung des presserechtlichen Trennungsgebots im Hinblick auf von Dritten finanzierte redaktionelle Inhalte ausgeschlossen, wenn die Dritten damit keine kommerziellen, sondern beispielsweise allein politische Zwecke verfolgten und daher auch keine Gefahr bestünde, dass Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst werden, die sie ansonsten nicht getroffen hätten.″

Wenn auch der EuGH hier ein Problem sieht, könnte zumindest „nicht kommerzielle″ Werbung, etwa Parteiwerbung in Zukunft „verdeckter″ erfolgen, als es die Landespressgesetze bisher erlauben.

Tags: BGH GOOD NEWS I ZR 2/11 Schleichwerbung Trennungsgebot Wirtschaftswerbung § 10 LPresseG BW