10. Februar 2023
Wandeldarlehen Notar
Venture Capital

Wandeldarlehen – zukünftig nur beim Notar?

Für ein Wandeldarlehen spart man sich oftmals den Weg zum Notar. Eine Entscheidung des OLG Zweibrücken stellt diese Praxis nun in Frage.

Wandeldarlehen (engl. convertible loans) gelten als unkompliziertes Finanzierungsinstrument und werden insbesondere zur Überbrückung von kurzfristigen Liquiditätsengpässen oder zur Finanzierung in der Frühphase eines Unternehmens (early stage) eingesetzt. Attraktiv waren Wandeldarlehen vor allem deshalb, weil sie nach bisheriger Praxis nicht stets den Gang zum Notar* erforderten; dadurch sparte man sich Aufwand und Notarkosten.

OLG Zweibrücken: Beglaubigte Unterschrift kann auch bei Wandeldarlehen notwendig werden

Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken (Urteil v. 15. Mai 2022 – 8 U 30/19) jedoch hat in Fachkreisen für Aufsehen gesorgt. Danach soll die Unterschrift des Darlehensgebers unter einem Wandeldarlehensvertrag beglaubigt werden, wenn der Vertrag eine Pflicht des Darlehensgebers zur Übernahme von GmbH-Geschäftsanteilen (Wandlungspflicht) enthält und es sich bei dem Darlehensgeber nicht um einen bestehenden Gesellschafter der Gesellschaft handelt. Zudem spreche vieles dafür, dass der dem Wandeldarlehensvertrag zugrundeliegende Beschluss der Gesellschafter einer GmbH beurkundet werden müsse. 

Pflicht zur Beurkundung des Wandeldarlehensvertrags?

Die Pflicht zur Beurkundung des Wandeldarlehensvertrags, also zur Verlesung des gesamten Vertrags durch den Notar, war bisher bereits für die Fälle weithin anerkannt, in denen der Darlehensgeber zur späteren Wandlung des Darlehens einseitig verpflichtet wird und der Wandeldarlehensvertrag die Pflicht enthält, im Falle der Wandlung des Darlehens einer bestehenden notariellen Gesellschaftervereinbarung beizutreten, die bspw. Mitveräußerungsverpflichten (Drag-Along) oder Call- und Put-Optionen enthält.

Pflicht zur Beglaubigung des Wandeldarlehensvertrags?

Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat sich nun einer Mindermeinung in der rechtswissenschaftlichen Literatur angeschlossen und verlangt jedenfalls bei Darlehensgebern, die nicht bereits Gesellschafter sind, entsprechend § 55 Abs. 1 GmbHG die notarielle Beglaubigung der Unterschrift des Darlehensgebers unter dem Wandeldarlehensvertrag – auch wenn keine Pflicht zum Beitritt zu einer beurkundungspflichtigen Gesellschaftervereinbarung besteht. Bei einer Beglaubigung wird lediglich die Identität der unterzeichnenden Person von einem Notar geprüft und notariell bestätigt. Im Gegensatz zur Beurkundung löst eine Beglaubigung jedoch regelmäßig wesentlich geringere Notargebühren aus. Ein Gang zum Notar wäre nach Ansicht des Oberlandesgerichts Zweibrücken aber dennoch unumgänglich. 

Berechtigterweise muss sich das Oberlandesgericht Zweibrücken hinsichtlich dieses neuen Beglaubigungserfordernisses erheblicher Kritik in der rechtswissenschaftlichen Literatur aussetzen. Denn der eigentliche Schutzzweck des § 55 Abs. 1 GmbHG sei der Öffentlichkeitsschutz, auf den es aber bei einer bloßen Verpflichtung zur Übernahme von Geschäftsanteilen gerade nicht ankomme.

Pflicht zur Beurkundung des Gesellschafterbeschlusses?

Wandeldarlehensverträge werden oftmals allein zwischen der Gesellschaft als Darlehensnehmerin und dem Darlehensgeber geschlossen. Die Ausgabe von Geschäftsanteilen an einer Kapitalgesellschaft kann zu einem späteren Zeitpunkt jedoch nur auf Grund eines Kapitalerhöhungsbeschlusses erfolgen. Um dies sicherzustellen, ist es erforderlich, dass die Gesellschafter dem Wandeldarlehensvertrag einschließlich der daraus resultierenden Verpflichtung zur Kapitalerhöhung per Gesellschafterbeschluss zustimmen.

Da ein Kapitalerhöhungsbeschluss bei einer GmbH notariell zu beurkunden ist, wurde bereits bisher vereinzelt vertreten, dass auch der Zustimmungsbeschluss zum Abschluss des Wandeldarlehens in entsprechender Anwendung des § 53 Abs. 2 GmbHG notariell zu beurkunden sei. Denn die Verpflichtung zur Kapitalerhöhung sei der (zu beurkundenden) Ermächtigung zur Schaffung eines genehmigten Kapitals ähnlich. Das Oberlandesgericht Zweibrücken äußert nun in seiner jüngsten Entscheidung beiläufig (obiter dictum) und ohne nähere Begründung, dass für ein Beurkundungserfordernis „vieles spricht“, da die Ausübung der Wandlungsoption durch den Darlehensgeber eine satzungsändernde Kapitalerhöhung bei der Gesellschaft zur Folge habe.

Sämtliche Gesellschafter als Parteien des Vertrags

In der Praxis versucht man die Beurkundung eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses dadurch zu umgehen, dass sämtliche Gesellschafter Parteien des Wandeldarlehensvertrags werden und sich verpflichten, zu einem späteren Zeitpunkt eine entsprechende Kapitalerhöhung der Gesellschaft zu beschließen. Eine solche Stimmbindungsvereinbarung zugunsten des Darlehensgebers ist zumindest nach überwiegender Ansicht formlos möglich und könnte einen zu beurkundenden Gesellschafterbeschluss ersetzen. 

Genehmigtes Kapital

Um verbleibende Rechtsunsicherheit zu vermeiden, wird teilweise auch die Schaffung eines genehmigten Kapitals in Erwägung gezogen. Mit einem genehmigten Kapital können die Geschäftsführer einer GmbH für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren ermächtigt werden, das Stammkapital der Gesellschaft – etwa zur Wandlung von Wandeldarlehen – zu erhöhen. Die Schaffung von genehmigtem Kapital ist zwar notariell zu beurkunden, kann aber „auf Vorrat″ erfolgen und dürfte regelmäßig nur geringe Notargebühren auslösen. Für die spätere Ausnutzung des genehmigten Kapitals genügt dann ein privatschriftlicher Beschluss der GmbH-Geschäftsführer.

Zukünftig individuelle Betrachtung des Wandeldarlehens notwendig

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken hat für weitreichende Unsicherheit im Umgang mit Wandeldarlehen gesorgt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesgerichtshof zur Klärung dieser bisher höchstrichterlich ungeklärten Formfragen beiträgt und das Wandeldarlehen damit wieder zu einem rechtssicheren Finanzierungsinstrument erhebt.

Bis dahin bleibt es stets einer Betrachtung der konkreten Konstellation unter Beachtung dieser neueren Entwicklungen vorbehalten, ob für den Abschluss eines Wandeldarlehensvertrags und/oder des zugrundeliegenden Beschlusses der Gesellschafter einer GmbH ein Gang zum Notar notwendig wird. 

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Beglaubigung Beurkundung Convertible Loan Finanzierungsrunde Notar Venture Capital Wandeldarlehen