24. November 2011
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Vergaberecht

Dem „Leitzertifikat″ verpflichtet – Zur Neutralitätspflicht öffentlicher Auftraggeber

Eine der wichtigsten Spielregeln des Beschaffungswesens besteht darin, dass ein öffentlicher Auftraggeber grundsätzlich gehalten ist, neutral und unvoreingenommen an die Bewertung der Eignung eines Bieters zur Erbringung der ausgeschriebenen Leistung heranzugehen. Die Grundsätze des Vergaberechts verlangen es ihm in diesem Zusammenhang insbesondere ab, auch solche Eignungs- und Fachkundenachweise anzuerkennen, die nicht aus der Feder einer marktführenden Zertifizierungsstelle stammen, sofern diese der Sache nach gleichwertig sind. Für Auftragsvergaben oberhalb der Schwellenwerte ergibt sich dies bei der Vergabe von Bauleistungen ausdrücklich aus § 6a Abs. 11 Nr. 2 VOB/A, für Aufträge unterhalb der Schwellenwerte folgt dies unmittelbar aus dem Diskriminierungsverbot.

Die Vergabepraxis zeigt anhand folgenden Beispiels, dass sich kommunale Eigenbetriebe bei der Beachtung dieser Regeln immer wieder schwer tun: Regelmäßig sehen die Ausschreibungsbedingungen für Tiefbauaufträge vor, dass die Bieter ihre Eignung durch Vorlage des RAL-Gütezeichens („Gütesicherung Kanalbau RAL-GZ 961″) nachzuweisen haben, ohne gleichwertige Alternativen anderer akkreditierter Zertifizierungsstellen zuzulassen. Demgegenüber weisen die Bieter ihre Eignung zunehmend auch auf andere Weise nach, indem sie zum Beispiel ein entsprechendes Gütezeichen des Zertifizierung Bau e.V. vorlegen. Kommt es dann aus Unkenntnis der Vergabestelle über die Gleichwertigkeit der Nachweise zum Ausschluss eines Bieters, kann dieser hiergegen erfolgreich vorgehen. Die Erfahrung der letzten Monate hat gezeigt, dass derartige Fehlentscheidungen kommunaler Eigenbetriebe meist bereits durch die ihnen übergeordneten Nachprüfstellen aufgehoben werden, denn oftmals ist die Gleichwertigkeit eines alternativen Eignungsnachweises objektiv offensichtlich und ein Bewertungsfehler der Vergabestelle umso vermeidbarer.

Öffentlichen Auftraggebern sei vor diesem Hintergrund geraten, alternative Eignungsnachweise unvoreingenommen zu überprüfen und sich nicht von dem Glanz eines vermeintlich exklusiven „Leitzertifikats″ blenden zu lassen. Die eigentlich selbstverständliche Berücksichtigungsfähigkeit gleichwertiger Eignungsnachweise sollte auch in der Formulierung der Ausschreibungsbedingungen bereits ihren Ausdruck finden. Bietern, die ihre Eignung und Fachkunde durch Vorlage eines für den Auftraggeber möglicherweise unbekannten Zertifikats nachweisen möchten, sei empfohlen, ihrem Angebot die zur Feststellung der Gleichwertigkeit mit dem „Leitzertifikat″ erforderlichen Informationen beizufügen und den Vergabestellen auf diese Weise ihre „Scheuklappen″ zu nehmen.

Tags: Eignungsnachweis Gleichwertigkeit Gütezeichen Leitzertifikat Produktneutralität RAL Bau e.V. Vergabepraxis Vergaberecht