8. August 2013
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International

Abgelehnt: Pre-Trial Discovery of Documents

Pre-Trial Discovery of Documents: In Common-Law-Systemen bekannt und bewährt - in Deutschland wohl weiterhin nicht zugelassen.

Mit einer Pre-Trial Discovery of Documents besteht die Möglichkeit eines umfassenden Beweisermittlungsverfahrens. Dieses kann sich auch gegen Dritte, die an dem späteren Prozess nicht beteiligt sind, richten. In Zeiten der Globalisierung macht dieses besondere Beweisermittlungsverfahren aber an den Grenzen der Common-Law-Staaten nicht halt.

Was passiert, wenn ein Kläger aus dem fernen Kalifornien plötzlich ein Rechtshilfeersuchen an den Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main im Hinblick auf eine Pre-Trial Discovery of Documents stellt? Der Präsident des OLG Frankfurt am Main hatte dieses Rechtshilfeersuchen an das Amtsgericht Bad Homburg vor der Höhe zur Erledigung weitergeleitet. Entsprechend gab das Amtsgericht auch dem betroffenen Unternehmen in Deutschland auf, eine Reihe von Unterlagen binnen zwei Wochen vorzulegen.

Dies wollte das Unternehmen nicht akzeptieren und richtete eine Gegenvorstellung an den Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main. Dieser hielt jedoch nach wie vor das Rechtshilfeersuchen für zulässig.

Pre-Trial Discovery of Documents: Rechtsweg über §§ 23 ff. EGGVG

Hiergegen wendete sich das durch die Pre-Trial Discovery of Documents betroffene Unternehmen mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG. Mit Erfolg (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 16. Mai 2013, Az.: 20 HOA 4/13):

Die Entscheidung des Präsidenten des OLG Frankfurt am Main, das Rechtshilfeersuchen an das Amtsgericht Bad Homburg vor der Höhe zur Erledigung weiterzuleiten, ist ein Justizverwaltungsakt im Sinne von § 23 Abs. 1 EGGVG. Nach Auffassung des OLG Frankfurt am Main war dieser Justizverwaltungsakt rechtswidrig: Deutschland habe bei der Ratifikation des HBÜ gemäß Art. 23 HBÜ erklärt, solche Rechtshilfeersuchen nicht zu erledigen, die ein Verfahren zum Gegenstand haben, das in Common-Law-Ländern unter Pre-Trial Discovery of Documents bekannt ist.

Das HBÜ als Grenze für das Rechtshilfeersuchen

Zwar sehe § 14 Abs. 2 AusfG HBÜ vor, dass solche Ersuchen ausnahmsweise unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen erledigt werden können, sofern die tragenden Grundsätze des deutschen Verfahrensrechts nicht entgegenstehen. Die Ausnahme nach § 14 Abs. 2 AusfG HBÜ greife aber nur ein, nachdem die Voraussetzungen der Erledigung eines solchen Rechtshilfeersuchens und das dafür anzuwendende Verfahren in Deutschland durch eine Rechtsverordnung näher geregelt ist. Eine solche Rechtsverordnung ei in Deutschland bislang allerdings nicht erlassen worden.

Auch § 142 ZPO verschiebt die Grenzen nicht

Soweit der Präsident des OLG Frankfurt am Main argumentierte, der Widerspruch Deutschlands zu Art. 23 HBÜ müsse nach Einführung von § 142 ZPO im Jahre 2002 eingeschränkt werden, hielt das OLG Frankfurt am Main dies für unzutreffend: Zwar erlaube § 142 ZPO die gerichtliche Anordnung zur Vorlage von Urkunden auch durch nicht am Verfahren beteiligte Dritte. Allerdings handele es sich bei § 142 ZPO um eine Maßnahme der materiellen Prozessleitung, die dem Gericht vorbehalten sei. Zudem sei die Anordnung der Urkundenvorlegung gegenüber Dritten durch § 142 Abs. 2 ZPO erheblich eingeschränkt.

Demgegenüber handele es sich nach Auffassung des OLG Frankfurt am Main bei einer Pre-Trial Discovery of Documents aber um ein sehr weitgehendes und im deutschen Prozessrecht unbekanntes Beweisermittlungsverfahren. Diesem Verfahren sei auch das Risiko der Ausforschung immanent. Zudem würde dieses Verfahren nicht durch ein Gericht eingeleitet werden, sondern durch die Parteien und ihre Anwälte. Im Ergebnis hielt das OLG Frankfurt am Main somit die Pre-Trial Discovery of Documents für deutlich weitgehender als die Beweisermittlung nach § 142 ZPO, so dass der Widerspruch Deutschlands zu Art. 23 HBÜ nicht aufgrund von § 142 ZPO einzuschränken sei.

Dies ergebe sich auch aus dem Gesetzgebungsverfahren zu § 142 ZPO: Dort sei niedergelegt worden, dass § 142 ZPO gerade nicht zur Ausforschung führen dürfe und insbesondere nichts an der Bewertung der Pre-Trial Discovery of Documents im Hinblick auf den deutschen Ordre Public ändern sollte.

Nein bleibt Nein: Pre-Trial Discovery of Documents weiterhin nicht zugelassen

Rechtshilfeersuchen, die auf eine Pre-Trial Discovery of Documents abzielen, lässt das HBÜ in Deutschland wohl weiterhin nicht zu. Wer also nicht freiwillig (etwa aus taktischen Erwägungen) eine Pre-Trial Discovery of Documents beantworten möchte, kann im Anwendungsbereich des Haager Beweisaufnahmeübereinkommens mit Erfolgsaussichten seine Verweigerungshaltung verteidigen.

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