16. April 2025
Koalitionsvertrag 2025 Compliance

#MeToo und Gewaltschutz – Ein Blick in den Koalitionsvertrag

Wir werfen für Sie einen Blick in den am 9. April 2025 veröffentlichten Koalitionsvertrags und beleuchten die aufgeworfenen Vorhaben unter dem #MeToo Blickwinkel.

Prüfung eines erweiterten strafrechtlichen Schutzes

Die künftige Regierung will prüfen, inwieweit der strafrechtliche Schutz für gezielte, offensichtlich unerwünschte und erhebliche verbale und nicht-körperliche sexuelle Belästigungen erweitert werden kann (S. 91 Koalitionsvertrag).

Ob der Prüfung Änderungen im StGB folgen, wird die Zeit zeigen – in der Sache könnten bestehende Strafbarkeitslücken geschlossen werden.

Praktische Bedeutung für den Hinweisgeberschutz

Von praktischer Bedeutung ist dies im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG). Der Anwendungsbereich des HinSchG erfasst Hinweise auf „erhebliche“ Verstöße, vgl. Katalog des § 2 HinSchG. Umfasst sind u.a. straf- und bußgeldbewehrte Verstöße, letztere nur, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten dient.

Bezieht sich der Hinweis darauf, dass jemand in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt worden ist, so würde es sich dabei um eine sexuelle Belästigung i.S.d. § 184i StGB handeln. Da insoweit ein strafbewehrter Verstoß im Raum steht, ist der Anwendungsbereich des HinSchG eröffnet. Eine interne Untersuchung hat sich insoweit auch an den Regeln des HinSchG zu orientieren. Vorbehaltlich der weiteren Voraussetzungen genießt die hinweisgebende Person die Schutzvorgaben des HinSchG (insbesondere das Repressalienverbot gem. § 36 Abs. 1 HinSchG). 

Bezieht sich der Hinweis auf eine nicht körperliche sexuelle Belästigung, so liegt „nur“ eine Benachteiligung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vor, § 3 Abs. 4 AGG. Verstöße gegen das AGG sind nicht bußgeldbewehrt. Folglich ist der sachliche Anwendungsbereich des HinSchG nicht eröffnet. Damit gelten im Rahmen der internen Ermittlungen nicht die strengen Maßstäbe des HinSchG und auch die besonderen Schutzvorschriften für die hinweisgebende Person greift nicht.

Dies dürfte sich bei Überarbeitung der Strafvorschriften ändern.

Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und schutzbedürftiger Personen

Die Koalitionspartner wollen den Tatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) und den Strafrahmen für Zuwiderhandlungen nach dem Gewaltschutzgesetz verschärfen (S. 91 Koalitionsvertrag). Einzelheiten bleiben abzuwarten.

Im Gewaltschutzgesetz soll eine bundeseinheitliche Rechtsgrundlage für die gerichtliche Anordnung der elektronischen Fußfessel und für verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings für Täter geschaffen werden. Die Verwendung von GPS-Trackern soll im sog. „Stalking-Paragraphen″ aufgenommen werden. Hersteller von Tracking-Apps sollen verpflichtet werden, das Einverständnis der Gerätebesitzerinnen und -besitzer regelmäßig abzufragen.

AGG-Reform

Der Diskriminierungsschutz soll gestärkt und verbessert werden. Die Ausgestaltung ist unklar.

Digitales Gewaltschutzgesetz

Es soll ein digitales Gewaltschutzgesetz eingeführt werden, um die Rechtsstellung Betroffener zu verbessern (S. 91 Koalitionsvertrag). Dadurch soll auch die Sperrung von anonymen Hass-Accounts mit strafbaren Inhalten ermöglicht werden.

In diesem Zusammenhang soll der Opfer- und Zeugenschutz gestärkt werden. So wollen die Koalitionspartner prüfen, inwieweit bei Akteneinsichtsgesuchen im Strafverfahren auf die Angabe von Wohn- oder Aufenthaltsanschrift bei bestimmten Delikten verzichtet werden kann.

Außerdem sollen Plattformen Schnittstellen zu Strafverfolgungsbehörden bereitstellen.

Sportbereich

Für den Sportbereich wird im Koalitionsvertrag (S. 118) explizit ein „Sport frei von Belästigung, Gewalt und Missbrauch“ angestrebt und der Aufbau eines Zentrums „Safe Sport“ für den Spitzensport weiterverfolgt.

Avisierte Änderungen in der Strafprozessordnung

Die Koalitionspartner möchten die staatlichen Ermittlungsbehörden mit den notwendigen Ermittlungsbefugnissen ausstatten (S. 88 f. Koalitionsvertrag). Die Sicherheitsbehörden sollen zeitgemäße und digitale Befugnisse erhalten. Auch wenn die rechtliche Ausgestaltung und tatsächliche Ausstattung abzuwarten bleiben – dies könnte ein Baustein für eine effektivere Strafverfolgung bedeuten.

Fazit: Compliance-Management-Systeme prüfen   

Sofern nicht bereits geschehen, sind Unternehmen gut beraten, ihre bestehenden Compliance-Management-Systeme um Komponenten der Prävention von AGG-Verstößen und #MeToo Übergriffen im Unternehmenskontext zu erweitern.

Eine mögliche AGG-Reformierung werden wir für Sie beobachten und halten Sie wie auch zu anderen Themen auf dem Laufenden.

Eine Übersicht über weitere Compliance-Themen im Koalitionsvertrags finden Sie hier.

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Tags: #metoo Gewaltschutz Koalitionsvertrag 2025