Homeoffice im Aufwind – doch kann es der Karriere schaden? Warum Transparenz und klare Regeln jetzt wichtiger denn je sind.
Die COVID-19-Pandemie hat die Arbeitswelt nachhaltig verändert und das Homeoffice in vielen Unternehmen zur neuen Normalität gemacht. Doch was bedeutet das für die Karriereaussichten der Mitarbeitenden? Eine aktuelle Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass regelmäßiges Arbeiten im Homeoffice unter bestimmten Bedingungen die Aufstiegschancen der Beschäftigten beeinträchtigen kann – insbesondere für bestimmte Gruppen von Beschäftigten.
Homeoffice als neue Normalität
Während vor der Pandemie nur ca. 10 % der Beschäftigten in Deutschland zumindest gelegentlich im Homeoffice arbeiteten, ist dieser Wert mittlerweile auf über 20 % (Statistisches Bundesamt) gestiegen, hat sich also mehr als verdoppelt. 13,2 % der das Homeoffice nutzenden Beschäftigten arbeiten täglich oder mindestens die Hälfte der Arbeitszeit von zu Hause aus. 10,4 % an weniger als der Hälfte der Arbeitstage (Statistisches Bundesamt).
Doch während auch viele Arbeitgeber* in den vergangenen Jahren die Vorzüge des Homeoffice erkannt haben, stellt sich zunehmend die Frage, wie sich diese Praxis langfristig auf die Karriereentwicklung von Beschäftigten auswirkt. Vor allem dann, wenn sich Arbeitsorte und -zeiten nicht in einem klaren, transparenten Rahmen bewegen.
Negative Wahrnehmung des Homeoffice durch Unternehmen nicht ausgeschlossen
Die aktuelle Studie des WSI untersucht, wie Arbeiten im Homeoffice das berufliche Fortkommen beeinflusst und ob die damit häufig verbundenen Stigmatisierungen inzwischen überwunden sind. Ergebnis der Untersuchung: Wer häufig im Homeoffice arbeitet, wird tendenziell als weniger engagiert und produktiv wahrgenommen.
In einem Experiment mit rund 5.000 Teilnehmenden bewerteten die Befragten fiktive Kandidaten für eine bestimmte Position. Dabei zeigte sich, dass die Empfehlung für eine Stelle stark von der Anzahl der Homeoffice-Tage abhing. So wurden Beschäftigte, die an drei bis vier Tagen pro Woche im Homeoffice arbeiteten, im Durchschnitt mit nur 6,6 von 10 Punkten bewertet, wohingegen Beschäftigte, die vollständig vor Ort arbeiteten mit 7,3 Punkten bewertet wurden.
Entscheidend ist dabei jedoch die Verbreitung und Akzeptanz von Homeoffice im konkreten Unternehmen. Je kleiner der Anteil der Beschäftigten, die von zu Hause arbeiten, ist, desto stärker wird Homeoffice als ein Indiz für fehlendes Engagement und disziplinloses Verhalten gesehen.
Besonders betroffene Gruppen: kinderlose Beschäftigte und Väter
Interessanterweise gibt es Unterschiede in der Wahrnehmung von Homeoffice-Arbeitenden, die durch gesellschaftliche Normen und Erwartungen geprägt sind. Insbesondere kinderlose Männer und Frauen sowie Väter, die drei bis vier Tage in der Woche im Homeoffice arbeiten, sind von einer negativen Wahrnehmung betroffen. Obwohl auch Mütter seltener für eine Stelle empfohlen werden, wenn sie regelmäßig im Homeoffice arbeiten, ist die Stigmatisierung bei ihnen im Vergleich am geringsten. Offenbar wird Müttern, die Kinder betreuen, am ehesten zugestanden, nicht vor Ort präsent sein zu müssen.
Lösungsansatz: Betriebsvereinbarungen und Homeoffice als Standard
Unstreitig ist, dass solche Stigmata Karrieren verbauen und Beschäftigte frustrieren können. Unternehmen sollte deshalb daran gelegen sein, ihre Belegschaft anhand von Arbeitsergebnissen und nicht aufgrund des Arbeitsortes zu bewerten. Andererseits darf die Präsenzzeit im Betrieb auch nicht völlig in den Hintergrund rücken. Denn es zeigt sich ebenso, dass das gemeinsame Miteinander und „Arbeiten vor Ort″ Arbeitsmotivation und -ergebnisse positiv beeinflusst. Auch der soziale Austausch und das Inkontaktbleiben mit Kolleginnen und Kollegen darf nicht unterschätzt werden, um die mentale Gesundheit und damit die Beschäftigten zu schützen.
Die Studie zeigt zudem, dass klare Regelungen im Betrieb, z. B. durch eine Betriebsvereinbarung, die das Recht auf Homeoffice für alle Mitarbeitenden festlegt, negative Bewertungen bei Beschäftigten, die bis zu zwei Tagen von zu Hause arbeiten, vollständig ausgleichen und diese bei drei bis vier Tagen zumindest erheblich reduzieren können.
Transparenz ist entscheidend
Die Studie der WSI zeigt, dass die regelmäßige Nutzung des Homeoffice für Beschäftigte mit der Gefahr verbunden ist, als weniger engagiert und weniger produktiv wahrgenommen zu werden – mit entsprechenden Folgen für die berufliche Weiterentwicklung. HR-Verantwortliche sind daher gut beraten, klare und transparente Regelungen zur mobilen Arbeit zu etablieren. Hierdurch wird die Erwartungshaltung des Unternehmens (sowohl in Richtung der Beschäftigten als auch mit Blick auf die Beförderungsentscheidungen der Führungskräfte) verdeutlicht und zugleich ermöglicht, dass Weiterentwicklung nicht in Abhängigkeit vom örtlichen Schaffensraum stattfindet. Die Ergebnisse der Studie machen aber auch deutlich, dass Beschäftigte das Arbeiten von zu Hause eher, soweit das nach den geltenden Regularien überhaupt möglich ist, nicht auf die vollständige Arbeitszeit ausdehnen sollten, um im Betrieb sichtbar zu bleiben.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.