9. Juli 2025
steuerliche Betriebsstätte
Fokus steuerliche Betriebsstätte

Betriebsstätte – und nun? Rechtsfolgen und Pflichten

Die Begründung einer Betriebsstätte erzeugt neben reinen Steuerbelastungswirkungen im jeweiligen Staat auch nicht zu unterschätzende Compliance-Pflichten.

In der Praxis kommt es häufig zu Fällen, in denen eine Betriebsstätte unterhalten wird, ohne dass das jeweilige Unternehmen hiervon Kenntnis hat. Dies trifft sowohl auf Inbound- als auch auf Outbound-Fälle zu. Grundsätzlich ist es für international agierende Unternehmen empfehlenswert, regelmäßige Analysen im Hinblick auf potenziell unterhaltene Betriebsstätten vorzunehmen. Häufig wird das Vorhandensein von Betriebsstätten insbesondere im Rahmen von Außenprüfungen aufgedeckt.

Im Anschluss an die Entdeckung des Bestehens einer Betriebsstätte sollte analysiert werden, welche Konsequenzen/Compliance-Pflichten hieran anknüpfen.

Grundsätzlich ist insoweit zwischen Inbound-Fällen (ausländisches Stammhaus mit inländischer Betriebsstätte) und Outbound-Fällen (inländisches Stammhaus mit ausländischer Betriebsstätte) zu unterscheiden.

Steuerliche Registrierung beim Finanzamt

Nach der Identifikation des Vorhandenseins einer Betriebsstätte ist für Inbound-Fälle die Abgabe eines Fragebogens zur steuerlichen Erfassung beim zuständigen Finanzamt entsprechend § 138 AO vorzunehmen, da regelmäßig vor Begründung der Betriebsstätte das ausländische Stammhaus mangels steuerlicher Anknüpfungspunkte in Deutschland keiner Steuerpflicht unterliegt und die deutsche Finanzbehörde daher das Unternehmen systemseitig erstmalig registrieren muss. 

Im Rahmen der steuerlichen Erfassung sind die wesentlichen Angaben des Unternehmens darzustellen. Insbesondere ist anzugeben, seit wann und in welchem Umfang die Betriebsstätte in Deutschland existiert. Darüber hinaus sind ebenfalls Schätzwerte zu Gewinn und Umsatz in Deutschland für das betreffende Jahr und das Folgejahr zu benennen. Insoweit sind möglichst realistische Zahlen anzugeben. Anhand dieser Werte wird das Finanzamt die entsprechenden Vorauszahlungen für das Unternehmen für das jeweilige Jahr festsetzen.

Jenseits der Registrierungspflicht beim Finanzamt trifft die Betriebsstätte auch die Verpflichtung, sich beim örtlichen Gewerbeamt anzumelden.

In Outbound-Fällen besteht keine formelle Meldepflicht beim deutschen Finanzamt im Vorfeld zur jeweiligen Steuererklärung, in denen das Bestehen der Betriebsstätte im Ausland erstmals offengelegt wird. Das deutsche Stammhaus sollte sich über die ggf. im Ausland bestehenden Registrierungspflichten sowie sonstigen Compliance-Pflichten informieren. Unter Umständen kann es sich zwecks Erreichens von Rechtssicherheit im Hinblick auf das Bestehen der Betriebsstätte im Ausland anbieten, den Sachverhalt proaktiv mit dem in Deutschland zuständigen Finanzamt abzustimmen.

Buchführungs- und Bilanzierungspflichten sowie Deklarationspflichten

Betriebsstätten führen zur Begründung diverser Buchführungs- und Bilanzierungspflichten sowie Deklarationspflichten, darunter auch die Erstellung einer Hilfs- und Nebenrechnung nach der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV). Diese werden nachfolgend sowohl für den Inbound-Fall als auch für den Outbound-Fall dargestellt. 

Die Pflicht zur Aufstellung einer Hilfs- und Nebenrechnung nach der BsGaV betrifft den Inbound- und Outbound-Fall gleichermaßen.

Inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens (Inbound-Fall)

Eine in Deutschland unterhaltene Betriebsstätte ist das zentrale Anknüpfungsmerkmal im Rahmen der in Deutschland beschränkten Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerpflicht für Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, 1 Abs. 4 EStG bzw. 2 Nr. 1 KStG, 8 Abs. 1 Satz 1 KStG).

Unterfällt das ausländische Stammhaus in Deutschland der Buchführungspflicht (§§ 238 ff. HGB i.V.m. §§ 140 ff. AO), sind die Einkünfte der Betriebsstätte durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG) zu ermitteln. Gleiches gilt für den Fall, dass der Steuerpflichtige freiwillig zur Buchführungspflicht optiert. 

Insbesondere ist die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vom 14. November 2018 (I R 81/16) zu beachten. Im Rahmen der sogenannten derivativen Buchführungspflicht (§ 140 AO) ist eine ausländische Verpflichtung zur Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen auch für die deutsche Besteuerung maßgeblich. Bei Bestehen einer solchen ausländischen Verpflichtung zur Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen wird keine originäre Buchführungspflicht (§ 141 AO) in Deutschland begründet. Dies hat zur Konsequenz, dass das ausländische Stammhaus die Buchhaltung bzw. die Aufzeichnungen, die es für ausländische steuerliche Zwecke erstellt hat, auch für deutsche Besteuerungszwecke vorzulegen und zugrunde zu legen hat. 

In Fällen, in denen die ausländischen Bilanzierungsregelungen von den deutschen Bilanzierungsregelungen abweichen, sind analog zu § 146 Abs. 2 Satz 4 AO Anpassungen an die deutsche Besteuerung vorzunehmen, wenn diese erforderlich sind. Beispielhaft bestehen derartige Abweichungen, wenn nationale und ausländische Bilanzierungsregelungen divergieren und Wirtschaftsgüter nach ausländischen Bilanzierungsregelungen höher oder niedriger bewertet werden, als dies nach deutschen Regelungen der Fall war. In solchen Fällen sind die Anpassungen der ausländischen Handelsbilanz an die nationalen steuerrechtlichen Regelungen steuerbilanziell umzusetzen.

In den Fällen, wenn weder nach in- noch nach ausländischem Recht eine Buchführungspflicht besteht und der Steuerpflichtige auch tatsächlich keine Bücher führt, ist der Betriebsstättengewinn anhand einer Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) zu ermitteln (siehe hierzu auch § 3 Abs. 5 Satz 1 BsGaV). 

Die Betriebsstätte muss (jährliche) Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärungen sowie, und, soweit Arbeitnehmer bei der Betriebsstätte beschäftigt sind, (monatliche) Lohnsteuer-Anmeldungen abgeben. 

Erzielt die Betriebsstätte darüber hinaus umsatzsteuerpflichtige Umsätze im Inland, sind zudem Umsatzsteuerjahreserklärungen und (monatlich oder quartalsweise) Umsatzsteuer-Voranmeldungen sowie ggf. zusammenfassende Meldungen (§ 18a UStG) abzugeben.

Ausländische Betriebsstätte eines inländischen Unternehmens (Outbound-Fall)

Die Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften des Handels- und Steuerrechts (§§ 238 HGB, 140 f. AO) gelten für das Gesamtunternehmen, d.h. für das Stammhaus in Deutschland und die sich im Ausland befindlichen Betriebsstätten. Inländische Unternehmen stellen den Jahresabschluss für das Gesamtunternehmen, einschließlich ausländischer Betriebsstätten, auf (§ 242 HGB).

Neben diesen innerstaatlichen Vorschriften sind zudem auch ausländische Buchführungspflichten zu beachten. Ist die ausländische Betriebsstätte nach dortigem Recht verpflichtet, Bücher und Aufzeichnungen zu führen und erfüllt sie diese Verpflichtungen, müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des Stammhauses in Deutschland übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind (§ 146 Abs. 2 Satz 2 und 3 AO). Hierbei sind die erforderlichen Anpassungen an die deutschen steuerrechtlichen Vorschriften vorzunehmen und kenntlich zu machen (§ 146 Abs. 2 Satz 4 AO).

Jedoch ist Folgendes zu beachten: Gemäß § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB hat der Jahresabschluss sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten, Aufwendungen und Erträge zu enthalten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Dies bedeutet, dass die einzelnen Positionen nicht saldiert, sondern einzeln in die Buchführung des Stammhauses zu übertragen sind (Saldierungsverbot).

Pflicht zur Aufstellung einer Hilfs- und Nebenrechnung nach BsGaV

Für eine Betriebsstätte ist zum Beginn eines Wirtschaftsjahres eine Hilfs- und Nebenrechnung aufzustellen, während des Wirtschaftsjahres fortzuschreiben und zum Ende des Wirtschaftsjahres abzuschließen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BsGaV). Dies gilt sowohl für den Inbound-Fall wie auch für den Outbound-Fall.

Hat ein Unternehmen mehrere Betriebsstätten in einem Staat, ist grundsätzlich für jede Betriebsstätte eine gesonderte Hilfs- und Nebenrechnung zu erstellen. Jedoch wird es seitens der Finanzverwaltung meist nicht beanstandet, wenn für die Betriebsstätten in einem Staat eine zusammengefasste Hilfs- und Nebenrechnung erstellt wird, sofern keine Notwendigkeit für eine getrennte Erstellung besteht.

Die Hilfs- und Nebenrechnung muss spätestens zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung (Körperschaftsteuererklärung bei Rechtstypenvergleich Körperschaft) für das jeweilige Wirtschaftsjahr erstellt sein (§ 3 Abs. 1 Satz 3 BsGaV). 

Die erste Hilfs- und Nebenrechnung ist zum Zeitpunkt der Begründung der Betriebsstätte zu erstellen (§ 3 Abs. 4 Satz 1 BsGaV). Wird eine Betriebsstätte beendet, so ist zu diesem Zeitpunkt die Hilfs- und Nebenrechnung abzuschließen (§ 3 Abs. 4 Satz 2 BsGaV).

Die Pflicht zur Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung tritt neben die Buchführungs- und Bilanzierungspflicht. Bei der Hilfs- und Nebenrechnung handelt es sich nicht um eine klassische (Steuer)Bilanz, sondern um ein Instrument zur Aufteilung der Einkünfte für steuerliche Zwecke. Es kommt zu einer Aufteilung der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung zwischen dem Stammhaus in einem Staat und dessen Betriebsstätten in einem anderen Staat für Zwecke der steuerlichen Gewinnabgrenzung.

Die Hilfs- und Nebenrechnung beinhaltet alle Bestandteile, die der Betriebsstätte aufgrund ihrer Personalfunktionen zuzuordnen sind (§ 3 Abs. 2 BsGaV). Hierzu gehören die Vermögenswerte (§§ 5 bis 8 BsGaV), das Dotationskapital (§§ 12, 13 BsGaV), die übrigen Passivposten (§ 14 BsGaV) sowie die hiermit zusammenhängenden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben. Zudem sind auch fiktive Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufgrund anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen (sog. Innentransaktionen, §§ 16 und 17 BsGaV) zu berücksichtigen.

Aufbewahrungspflichten

Da die Finanzverwaltung im Ausland nicht hoheitlich tätig werden darf, kommt dem Steuerpflichtigen entsprechend § 90 Abs. 2 AO eine erhöhte Mitwirkungspflicht zu. Diese äußert sich auch im Rahmen der Aufbewahrungspflicht. Das deutsche Stammhaus sollte in der Lage sein, für dessen Betriebsstätte notwendige Beweismittel zu beschaffen und vorzuhalten. Für potenzielle Verstöße gegen diese Vorschrift ordnet § 162 Abs. 1 AO die Möglichkeit der Schätzung an und verschiebt insoweit den Ermessensspielraum zulasten des steuerpflichtigen Unternehmens. Dementsprechend empfiehlt sich die lückenlose Aufbewahrung von Belegen.

Ferner bestimmt § 146 Abs. 2 Satz 1 AO, dass die Buchhaltung grundsätzlich im Inland aufzubewahren ist. Dieser strenge Grundsatz wird zwar durch die Regelungen nach § 146 Abs. 2a und 2b AO für die digitale Buchhaltung erheblich gelindert und die digitale Buchhaltung kann unter bestimmten Voraussetzungen in Staaten der EU sowie in Drittstaaten aufbewahrt werden. Für die physische Buchhaltung gilt aber grundsätzlich das Gebot der Aufbewahrung in Deutschland.

Die Aufbewahrungsregelungen nach § 147 Abs. 1 AO ordnen die Aufbewahrung von Büchern und Aufzeichnungen, Inventaren, aber auch von Buchungsbelegen oder sonstigen Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind, an. Bücher und Aufzeichnungen sind grundsätzlich 10 Jahre, Buchungsbelege sind grundsätzlich 8 Jahre aufzubewahren. Die Aufbewahrungsfrist läuft nach § 147 Abs. 3 Satz 4 AO jedoch nicht ab, soweit und solange die Unterlagen für Steuern von Bedeutung sind, für welche die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Unter bestimmten Bedingungen kann die Aufbewahrungsfrist von Aufzeichnungen und Buchungsbelegen sowie sonstigen Dokumenten bedeutend länger reichen. Die betreffenden Dokumente werden u.U. benötigt, um die Buchhaltung/die Aufzeichnungen des betreffenden Unternehmens zu belegen. Unternehmen im Ausland mit deutschen Betriebsstätten sollten sich daher bewusst sein, dass die Aufbewahrungspflichten von Dokumenten nach deutschem Recht äußerst weitreichend sein können und daher insoweit bewusst die Abstimmung mit ihrem steuerlichen Berater suchen.

Die Aufbewahrungspflichten bestehen in Inbound- sowie in Outbound-Fällen gleichermaßen.

In unserer Blogserie „Fokus steuerliche Betriebsstätte″ informieren wir Sie umfassend über alle praxisrelevanten Fallgestaltungen, rechtliche Besonderheiten sowie die sachgerechte Handhabung begründeter Betriebsstätten.

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