31. Januar 2022
Mobile Arbeit Betriebsrat
Arbeitsrecht

Anspruch auf mobile Arbeit für Betriebsrat nicht durchsetzbar!

Mobile Arbeit entwickelt sich zum Politikum für die betriebliche Praxis. Gremien versuchen, Ansprüche für Mitarbeiter durchzusetzen – teilweise ohne Erfolg.

Derzeit verhandeln viele Unternehmen mit ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zu mobiler Arbeit. Grund dafür ist nicht nur, dass mobiles Arbeiten inzwischen in einer Vielzahl von Betrieben etabliert ist, sondern auch, dass die Ausgestaltung mobiler Arbeit gem. § 87 I Nr. 14 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. 

In der betrieblichen Praxis gibt es im Rahmen der Verhandlungen häufig zwei Konfliktpunkte: Zum einen verlangt der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Zahlung einer Aufwandspauschale. Zum anderen will er einen Anspruch der Mitarbeiter* auf mobiles Arbeiten durchsetzen und damit das Direktionsrecht des Arbeitgebers einschränken.

Kein Aufwendungsersatz für Betriebsrat durchsetzbar

Richtigerweise erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht auf die Frage, ob der Arbeitgeber einen Aufwendungsersatz analog § 670 BGB leisten muss. Zum Inhalt des Mitbestimmungsrechts heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/28899, S. 23):

Das Mitbestimmungsrecht betrifft die inhaltliche Ausgestaltung der mobilen Arbeit. Dazu gehören zum Beispiel Regelungen über den zeitlichen Umfang mobiler Arbeit, über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit in Bezug auf mobile Arbeit oder über den Ort, von welchem aus mobil gearbeitet werden kann und darf. Es können Regelungen zu konkreten Anwesenheitspflichten in der Betriebsstätte des Arbeitgebers, zur Erreichbarkeit, zum Umgang mit Arbeitsmitteln der mobilen Arbeit und über einzuhaltende Sicherheitsaspekte getroffen werden.

In der Gesetzesbegründung fehlt danach jeglicher Hinweis darauf, dass auch die Kostenfrage vom Mitbestimmungsrecht umfasst ist. Die Leistung von Aufwendungsersatz unterliegt auch nicht dem Mitbestimmungstatbestand des § 87 I Nr. 10 BetrVG (BAG, Urteil v. 27. Oktober 1998 – 1 ABR 3/98). Die Erstattung von Aufwendungen erfolgt nämlich nicht zur Vergütung der Arbeitsleistung und ist somit kein Entgeltbestandteil. Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber hieran etwas ändern wollte. 

Denkbar ist allenfalls, dass individualrechtlich Ansprüche auf Aufwendungsersatz analog § 670 BGB bestehen. Das ist nach der Rechtsprechung des BAG dann der Fall, wenn die Interessen des Arbeitgebers an den getätigten Aufwendungen überwiegen. Ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers wäre beispielsweise anzunehmen, wenn er die Arbeitsleistung in den häuslichen Bereich des Mitarbeiters auslagert und sich dadurch die ansonsten von ihm zu tragende Unterhaltung von Arbeitsräumen und Betriebsmitteln einspart. Demgegenüber ist regelmäßig ein überwiegendes Interesse des Mitarbeiters anzunehmen, wenn er auf eigenem Wunsch mobile Arbeit leistet, obwohl ihm ein Arbeitsplatz im Betrieb zur Verfügung steht.

Kein Anspruch auf mobiles Arbeiten für Betriebsrat durchsetzbar

Noch nicht höchstrichterlich geklärt ist die Frage, ob der Betriebsrat über die Einigungsstelle einen Anspruch auf mobiles Arbeiten durchsetzen kann, ob also das Direktionsrecht des Arbeitgebers aus § 106 GewO eingeschränkt werden kann und das Letztentscheidungsrecht beim Mitarbeiter liegt. Dies ist – durch Spruch der Einigungsstelle – nach überzeugender Auffassung nicht möglich. 

Nach der Gesetzesbegründung bezieht sich das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG ausschließlich auf die Ausgestaltung mobiler Arbeit („Wie“). Die Entscheidung über die Einführung („Ob“) verbleibt hingegen in der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers (BT-Drs. 19/28899, S. 23). Regelungen zum persönlichen Geltungsbereich, zum „Umfang“ und zur „Lage“ mobiler Arbeit können allerdings geeignet sein, in die Entscheidung über das „Ob“ des Arbeitgebers einzugreifen und das Direktionsrecht zu beschneiden. Sie können daher allenfalls einvernehmlich getroffen werden, sind aber über die Einigungsstelle nicht erzwingbar.

Für die Praxis ist daher empfehlenswert, in der Betriebsvereinbarung klarzustellen, dass das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht eingeschränkt werden soll bzw. die Entscheidung über das „Ob“, den Umfang und die Lage beim Arbeitgeber liegt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man sich arbeitgeberseitig größtmögliche Flexibilität erhalten will. Spruchfähig dürften daher nur Regelungen zum Ort mobiler Arbeit (z.B. Inland), zur Erreichbarkeit während mobiler Arbeit und zum Umgang mit Arbeitsmitteln sein. Letztlich kommt es aber auf den Regelungsgegenstand der Einigungsstelle an. Erstreckt sich dieser auch auf Fragen der Arbeitszeit, des Gesundheitsschutzes und der Verhaltens- und Leistungskontrolle, wären noch weitere Regelungen erzwingbar.

Sorgfalt bei der Festlegung des Regelungsgegenstandes

Kommt eine Einigung der Betriebsparteien nicht zustande und setzen sie einvernehmlich oder gerichtlich die Einigungsstelle ein, ist zwingend darauf zu achten, den Regelungsgegenstand der Einigungsstelle genau zu definieren. Im Lichte der Entscheidungen des LAG Köln (v. 23. April 2021 – 9 TaBV 9/21) und des BAG (v. 19. November 2019 – 1 ABR 22/18) laufen die Betriebsparteien nämlich sonst Gefahr, mangels hinreichender Bestimmtheit der Einigungsstelle keine Spruchkompetenz zu vermitteln. Dies kann dazu führen, dass es der Einigungsstelle – sollte dies erst im Laufe der Verhandlungen festgestellt werden – an ihrer Spruchfähigkeit mangelt und kein Spruch gefasst wird oder aber, dass der Spruch jedenfalls anfechtbar wäre.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Arbeitsrecht Aufwendungsersatz Betriebsrat Direktionsrecht Mobile Arbeit