22. November 2021
befristet Arbeitsvertrag Unterschrift elektronisch
Arbeitsrecht

Arbeitsgericht Berlin: Befristete Arbeitsverträge in elektronischer Form?

Nur die qualifizierte elektronische Signatur trägt dem Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG hinreichend Rechnung.

Mit einer in der Praxis sehr bedeutsamen Frage hat sich das Arbeitsgericht Berlin beschäftigt (ArbG Berlin, Urteil v. 28. September 2021 – 36 Ca 15296/20): Ist das Schriftformerfordernis bei befristeten Arbeitsverträgen gemäß § 14 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) auch dann hinreichend gewahrt, wenn Arbeitnehmer* und Arbeitgeber den befristeten Arbeitsvertrag lediglich unter Verwendung einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur geschlossen haben?

Im vorliegenden Fall sollte ein Arbeitnehmer als Mechatroniker vom Arbeitgeber befristet eingestellt werden. Den Arbeitsvertrag unterzeichneten beide Parteien jedoch nicht durch eigenhändige Unterschrift, sondern unter Einsatz eines Programmes und Verwendung einer elektronischen Signatur. 

Entscheidung des Gerichts: Fehlende Zertifizierung bei der qualifizierten elektronischen Signatur führt zum Formverstoß

Das Arbeitsgericht hat entschieden, dass dem Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG bei Verwendung der elektronischen Signatur ohne hinreichende Zertifizierung (Tool e-sign) nicht hinreichend Rechnung getragen wurde. 

Dabei hat das Arbeitsgericht die Frage offengelassen, ob eine Befristung überhaupt auf elektronischem Wege wirksam vereinbart werden kann. Denn jedenfalls sei dann eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 126a BGB erforderlich, welche hier nicht vorliege. Für diese müssen nach Art. 3 Nr. 12 der EU-VO Nr. 910/2014 (eIDAS-VO) die technischen Voraussetzungen einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur nach Art. 26 eIDAS-VO erfüllt sein und sie muss von einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit durch ein qualifiziertes Zertifikat erstellt worden sein.

Die Konformität solcher Systeme wird in Deutschland nach Art. 30 eIDAS-VO i.V.m. § 17 Vertrauensdienstgesetz durch die Bundesnetzagentur geprüft. Dies war im vorliegenden Fall unstreitig nicht der Fall, sodass das Arbeitsverhältnis in der Rechtsfolge als unbefristet behandelt wurde, weil die für die Befristungsabrede erforderliche Form nicht eingehalten worden ist.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig; beide Parteien können insoweit noch Berufung beim Landesarbeitsgericht einlegen.

Hohe rechtliche Hürden bei elektronischem Vertragsschluss

Das Arbeitsrecht kennt abweichend vom Grundsatz der Formfreiheit eine Vielzahl von Rechtsgeschäften, die Formvorschriften unterliegen (z.B. § 623 BGB, § 14 Abs. 4 TzBfG, § 109 Abs. 1 GewO, § 74 Abs. 1 HGB, § 77 Abs. 2 BetrVG). 

Eine Abweichung von der strengen Schriftform nach § 126 BGB ist trotz rechtlicher Hürden durch die elektronische Form nach § 126a BGB (qualifizierte elektronische Signatur) möglich, sofern das Gesetz die Abweichung nicht ausschließt (vgl. § 623 Hs. 2 BGB, § 109 Abs. 3 GewO, § 2 Abs. 1 S. 3 NachwG). Ausdrücklich ausgeschlossen sind damit Kündigungen, Aufhebungsverträge sowie Zeugnisse. Diese bedürfen weiterhin einer eigenständigen (physischen) Unterschrift.

Elektronische Form bei Befristungsabreden

Auch die Befristung von Arbeitsverträgen ist nach § 14 Abs. 4 TzBfG grundsätzlich nur in Schriftform wirksam. Hierfür ist nach § 126 BGB erforderlich, dass der Unterzeichner das Dokument eigenhändig unterschreibt. Grundsätzlich wird also ein gedrucktes, physisches Dokument verlangt, welches dann mit einer Unterschrift versehen wird.

Das Urteil lässt die Frage, ob eine Befristungsabrede in elektronischer Form nach § 126a BGB erfolgen kann, ausdrücklich offen. Es ist durch die Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt und in der Literatur umstritten, ob eine Abweichung von der Schriftform im Rahmen der Befristungsabrede ausgeschlossen ist. Ein ausdrückliches Verbot wie in § 623 Hs. 2 BGB existiert nicht. 

Als die Regierung den Entwurf zur Einfügung des Halbsatzes 2 in § 623 BGB erstellte, bezog sich § 623 BGB noch auf die Befristung. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens fiel allerdings die Befristung aus § 623 BGB heraus, sodass sich der Halbsatz 2 fortan nur noch auf Aufhebungsverträge und Kündigungen beziehen konnte. Eine weitere Anpassung erfolgte im Gesetzgebungsverfahren nicht und selbst die Gesetzesbegründung bezieht sich weiterhin auch auf Befristungen. Nichtsdestotrotz ist dies mittlerweile 21 Jahre her, sodass davon ausgegangen werden kann, dass diese Lücke geschlossen sein sollte, sofern sie unerwünscht wäre. Rechtssicher ist diese Annahme jedoch nicht und wird ggf. gerichtlich zu klären sein.

In der Literatur wird teilweise vertreten, dass die elektronische Form für die Befristungsabrede dennoch ausgeschlossen ist. Denn nach § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 NachwG muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Dauer der Befristung nachweisen. Für die Nachweise des Nachweisgesetztes ist die elektronische Form jedoch ausgeschlossen, vgl. § 2 Abs. 1 S. 3 NachwG. Daher sei es unzulässig und realitätsfern, wenn die Befristung in elektronischer Form wirksam wäre. Hierbei wird jedoch verkannt, dass der Nachweis i.S.d. NachwG keinerlei Auswirkungen auf das Vertragsverhältnis der Parteien entfaltet. Insbesondere wird das Vertragsverhältnis durch einen fehlenden Nachweis nicht unwirksam. Demnach leuchtet es nicht ein, warum aus dem NachwG der Ausschluss der elektronischen Form folgen sollte. Weiter wird sich dieses Argument wohl spätestens mit der Umsetzung der Richtlinie EU 2019/1152 erübrigen (August 2022). Denn nach Art. 3 und Erwägungsgrund 24 der Richtlinie soll die Bereitstellung des Nachweises in elektronischer Form möglich werden. Die genaue Umsetzung bleibt jedoch abzuwarten.

Damit ist trotz allem Optimismus auf ein bleibendes rechtliches Risiko hinzuweisen. Die Folgen, die die Unwirksamkeit der Befristung nach sich zieht sind erheblich. Der unwirksam befristete Arbeitsvertrag wandelt sich in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. So auch im vorliegenden Fall des ArbG Berlin. Rechtssicherheit wird erst eine gerichtliche Entscheidung über die Möglichkeit der elektronischen Form bei Befristungen bringen können.

Unterschiedliche Formen elektronischer Signaturen

Die maßgebliche eIDAS-VO unterscheidet drei Arten von elektronischen Signaturen:

  • (einfache) elektronische Signatur (Art. 3 Nr. 10 eIDAS-VO)
  • fortgeschrittene elektronische Signatur (Art. 3 Nr. 11 eIDAS-VO)
  • qualifizierte elektronische Signatur (Art. 3 Nr. 12 eIDAS-VO)

Die Signaturen weisen unterschiedliche Anforderungen auf, wobei die qualifizierte elektronische Signatur die höchsten Anforderungen stellt und damit die sicherste Variante darstellt.

Die einfache elektronische Signatur verknüpft elektronische Daten logisch so, dass der Unterzeichner daraus hervorgeht, klassisches Beispiel ist die eingescannte Unterschrift. 

Die fortgeschrittene elektronische Signatur geht darüber hinaus. Sie erfüllt die technischen Voraussetzungen des Art. 26 eIDAS-VO. Hier werden Daten verwendet, die den Unterzeichner eindeutig identifizieren und so ausgestaltet sind, dass eine nachträgliche Veränderung der Daten erkennbar wird.

Die qualifizierte elektronische Signatur stellt noch weitere Sicherheitsanforderungen. Grundsätzlich bestehen erst einmal die technischen Anforderungen der fortgeschrittenen elektronischen Signatur nach Art. 26 eIDAS-VO. Zusätzlich muss die Signatur durch eine qualifizierte Signaturerstellungseinheit generiert werden (hierzu die umfangreichen Anforderungen des Anhang II der eIDAS-VO) sowie auf einem qualifizierten Zertifikat beruhen (umfangreiche Anforderungen in Anhang I der eIDAS-VO). Die Konformität dieser Systeme wird in Deutschland nach Art. 30 Abs. 1 eIDAS-VO i.V.m. § 17 Vertrauensdienstgesetz durch die Bundesnetzagentur geprüft. Generell können jedoch alle in Europa zertifizierten Dienste genutzt werden. Eine Übersicht bietet das Dashboard der EU-Kommission.

Die einfache und die fortgeschrittene elektronische Signatur können lediglich die Textform nach § 126b BGB ersetzen. Allein die qualifizierte elektronische Signatur ersetzt die Schriftform nach 126 BGB. Ausweislich des Art. 25 Abs. 2 eIDAS-VO ersetzt die qualifizierte elektronische Signatur die handschriftliche Unterschrift.

Darüber hinaus entfaltet die qualifizierte elektronische Signatur prozessrechtlich die gleiche Beweiswirkung wie eine private Urkunde, § 371a Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. 416 ZPO. Damit begründet sie den vollen Beweis. Die einfache und fortgeschrittene elektronische Signatur hingegen unterliegen lediglich der freien Beweiswürdigung des Richters nach § 286 ZPO.

Eine rechtssichere Antwort gibt es (noch) nicht

Damit ist es aus unserer Sicht grundsätzlich möglich, auch befristete Verträge in elektronischer Form abzuschließen, wobei ein rechtliches Risiko bestehen bleibt. Die Anforderungen an eine qualifizierte elektronische Signatur sind hoch und die Anwender sollten sich im Vorfeld ausreichend informieren, welche Form der elektronischen Signatur für ihren Anwendungszweck ausreichend ist. Für die Befristungsabrede führt kein Weg an den Vorgaben der qualifizierten elektronischen Signatur vorbei. Insbesondere sollte darauf geachtet werden, ein Tool zu nutzen, das von der Bundesnetzagentur zertifiziert wurde. Welche Dienste das sind, lässt sich auf der Website der Bundesnetzagentur herausfinden.

Die Digitalisierung schreitet auch in der Arbeitswelt weiter voran, es ist damit zu rechnen, dass die Unterzeichnung mit elektronischen Signaturen immer relevanter wird. Doch zum jetzigen Zeitpunkt ist ein paperless office im arbeitsrechtlichen Bereich noch nicht möglich. Insbesondere für Kündigungen, Aufhebungsverträge und Nachweise nach dem Nachweisgesetz bedarf es momentan noch der bewährten physischen Schriftform.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Arbeitsvertrag befristet elektronisch Form Unterschrift