10. August 2016
Arbeitsrecht gefälscht Bewerbungsunterlagen
Arbeitsrecht

Arbeitsrechtliche Konsequenzen gefälschter Bewerbungsunterlagen

Gefälschte Lebensläufe sind derzeit in aller Munde. Was können Arbeitgeber tun, wenn sie die Fälschungen nachträglich bemerken?

Der Fall einer Bundestagsabgeordneten der Essener SPD, die in ihrem Lebenslauf falsche Angaben gemacht hat, schlägt derzeit hohe Wellen. Auch Arbeitgeber merken häufig erst nachträglich, wenn Arbeitnehmer im Zuge des Bewerbungsverfahrens fehlerhafte Angaben gemacht haben.

Wir klären darüber auf, welche Konsequenzen Arbeitgeber in diesen Fällen ziehen können.

Welche Angaben ein Bewerber machen muss

Vor Abschluss eines Arbeitsvertrages will der Arbeitgeber typischerweise ein möglichst umfassendes Bild von dem Bewerber erhalten. Hierfür kann er den Bewerber im Rahmen eines Einstellungsgesprächs befragen. Zusätzlich wird er von dem Bewerber in der Regel schriftliche Unterlagen – z.B. Lebenslauf, Zeugnisse, ausgefüllten Personalfragebogen etc. – erhalten.

Das Fragegerecht des Arbeitgebers und die Informationspflicht des Arbeitnehmers im Rahmen des Einstellungsprozesses sind beschränkt. Sie beziehen sich lediglich auf solche Punkte, die für das konkrete Arbeitsverhältnis relevant sind.

Unzulässig sind daher Fragen des Arbeitgebers, welche die Privatsphäre des Arbeitnehmers betreffen und keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben. Darunter fallen beispielsweise Fragen nach der Religion, Weltanschauung, Eheschließung und Scheidung. Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH ist davon auszugehen, dass auch die Frage nach der Schwangerschaft unzulässig ist. Zulässig sind Fragen nach Ausbildung und Weiterbildung, den Stationen des beruflichen Werdegangs sowie zu fachlichen Fähigkeiten. Daneben kann der Arbeitgeber erfragen, ob der Bewerber einem Wettbewerbsverbot gegenüber seinem früheren Arbeitgeber unterliegt.

Von sich aus muss der Arbeitnehmer in seinem Lebenslauf nur Angaben machen, an welchen der Arbeitgeber ein offensichtliches, erkennbares Interesse hat. Dieser Pflicht kommt der Bewerber nach, wenn er Ausbildung und qualifizierende berufliche Tätigkeiten anführt.

Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers bei falschen Angaben

Wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Arbeitnehmer im Bewerbungsgespräch oder in den eingereichten Bewerbungsunterlagen falsche Angaben gemacht hat, sieht der Arbeitgeber häufig das Vertrauen zerstört und möchte sich von dem Arbeitnehmer trennen. Doch nicht in allen Fällen rechtfertigen fehlerhafte Angaben arbeitsrechtliche Konsequenzen.

Keine Konsequenzen hat der Arbeitnehmer zu befürchten, wenn er auf eine Frage des Arbeitgebers im Bewerbungsgespräch unzutreffend antwortet, welche der Arbeitgeber nicht stellen darf. Dies gilt insbesondere bei Fragen, welche die Privatsphäre des Arbeitnehmers betreffen. Hier hat der Arbeitnehmer ein sog. „Recht zum Lügen″.

Anderes gilt, wenn die unzutreffende Angabe für das Arbeitsverhältnis von Relevanz ist. Paradebeispiel ist hier der Bewerber, der falsche Studienabschlüsse nennt oder Abschlussnoten nach oben „korrigiert″. Die fachliche Qualifikation des Bewerbers ist von zentraler Bedeutung für die Einstellungsentscheidung des Arbeitgebers. Täuscht der Arbeitnehmer über einen solchen für das Arbeitsverhältnis relevanten Gesichtspunkt, stehen dem Arbeitgeber grundsätzlich mehrere Wege zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung. Nicht immer sind diese Wege erfolgreich. Der Teufel steckt hier im Detail.

Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung

Der Arbeitgeber kann den mit dem Bewerber geschlossenen Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 Abs. 1 BGB). Eine arglistige Täuschung liegt vor, wenn der Bewerber bei dem Arbeitgeber durch Vorspiegelung (oder Verschweigen) von Tatsachen einen Irrtum hervorruft und den Arbeitgeber dadurch zum Vertragsschluss bewegt.

Will der Arbeitgeber in diesem Fall anfechten, muss er nachweisen, dass er bei Kenntnis des wahren Sachverhalts den Arbeitsvertrag nicht abgeschlossen hätte. In der Regel ist dies nicht schwierig, wenn der Arbeitnehmer z.B. falsche Zeugnisse vorgelegt hat.

Keine Arglistanfechtung möglich, wenn Unterlagen erst nach Einstellung eingereicht werden

Werden Unterlagen erst eingereicht, wenn der Arbeitsvertrag bereits geschlossen wurde, ist die Arglistanfechtung in der Regel ausgeschlossen. In diesem Fall können die unzutreffenden Angaben in den Unterlagen für den Abschluss des Arbeitsvertrages nicht relevant gewesen sein. Der Arbeitgeber kann dann nicht vortragen, dass er den Arbeitsvertrag nicht geschlossen hätte, wenn er von der Fehlerhaftigkeit der Angaben gewusst hätte.

Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitnehmer die falschen Angaben schon vor Abschluss des Arbeitsvertrages mündlich in einem Bewerbungsgespräch gemacht hat und diese in den nachträglich eingereichten Bewerbungsunterlagen lediglich wiederholt. Dies kann freilich im Einzelfall schwer nachzuweisen sein. Es ist daher dringend anzuraten, die vollständigen Bewerbungsunterlagen vor Vertragsschluss anzufordern und mit einem Eingangsvermerk zu versehen, der das Eingangsdatum nennt. So lässt sich im Nachhinein nachweisen, dass die Bewerbungsunterlagen dem Arbeitgeber bereits vor Abschluss des Arbeitsvertrages vorlagen.

Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen Eigenschaftsirrtums

Daneben kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag auch mit der Begründung anfechten, dass er sich über eine „verkehrswesentliche Eigenschaft″ des Arbeitnehmers geirrt hat (§ 119 Abs. 1, 2 BGB). Die fachliche Qualifikation des Arbeitnehmers stellt eine solche verkehrswesentliche Eigenschaft dar.

Auch hier kommt es aber auf den Einzelfall an. Das Anfechtungsrecht kann insbesondere dann eingeschränkt sein, wenn die Täuschung über die fachliche Qualifikation bereits viele Jahre zurückliegt und der Arbeitnehmer zwischenzeitlich seine Tätigkeit beanstandungslos ausgeführt hat. Anderes gilt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht weiter beschäftigen darf, weil z.B. öffentlich-rechtliche Vorschriften eine Weiterbeschäftigung untersagen.

Achtung: Einhaltung der Anfechtungsfristen!

Eine Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums ist nur innerhalb von zwei Wochen, eine Arglistanfechtung innerhalb eines Jahres ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes möglich (§§ 121, 124 BGB). Nach Ablauf der Fristen ist die Anfechtung ausgeschlossen. Arbeitgebern ist daher zu raten, nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes zügig zu reagieren.

Folgen der Anfechtung: Muss der Arbeitnehmer den Lohn zurückzahlen?

In der Vergangenheit an den Arbeitnehmer geleisteten Arbeitslohn kann der Arbeitgeber auch nach einer Anfechtung des Arbeitsvertrages in der Regel nicht zurückfordern.

Etwas anderes kann gelten, wenn der Arbeitnehmer bereits vor der Anfechtung keine Arbeitsleistung mehr erbrachte. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer nach einer wirksamen Anfechtung den Lohn zurückzahlen, den er ab dem Zeitpunkt weiterhin erhielt, ab welchem er seine Arbeitsleistung einstellte.

Kündigung des Arbeitsvertrages

Neben der Anfechtung des Arbeitsvertrages kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag auch kündigen. In Betracht kommt hier eine außerordentliche fristlose Kündigung, daneben eine ordentliche verhaltens- oder personenbedingte Kündigung.

Auch hier kommt es im Einzelfall darauf an, ob die fehlerhafte Angabe für das konkrete Arbeitsverhältnis bedeutsam war. Dies ist etwa der Fall, wenn ein als Prokurist beschäftigter Arbeitnehmer eine erhebliche Vorstrafe wegen Untreue verschweigt oder wenn ein Unternehmensjurist falsche Angaben über sein juristisches Staatsexamen macht.

Das LAG Hamm verneinte die Bedeutsamkeit der fehlerhaften Angabe im Fall eines Arbeitnehmers, der ausländische Studierende an einer deutschen Universität betreute und in seinem Lebenslauf unzutreffend ein iranisches „Jura-Diplom″ angeführt hatte. Ein derartiger Abschluss sei für seine Tätigkeit nicht vertragswesentlich (LAG Hamm, Urt. v. 12.02.2009 – 8 Sa 1386/08).

Eine personenbedingte Kündigung kann insbesondere dann ausgesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer nicht weiter beschäftigt werden darf. Dies ist z.B. bei einem angestellten Arzt der Fall, der kein Examen abgelegt hat und deshalb seine Approbation verliert.

Eine außerordentliche Kündigung ist nur innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis der Täuschung möglich. Eine ordentliche Kündigung ist zwar nicht fristgebunden; dennoch sollte der Arbeitgeber auch mit ihrem Ausspruch nicht zu lange warten, um nicht den Eindruck zu erwecken, die Pflichtverletzung sei aus seiner Sicht eher geringfügig.

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