Der Einsatz von Leiharbeitnehmern zählt – insbesondere bei Arbeitsspitzen – zu den bewährten Methoden, einen befristeten Mehrbedarf an Arbeitskräften zu decken. Außerhalb dieses klassischen Einsatzgebiets für Leiharbeitnehmer haben sich aber auch andere Einsatzformen etabliert. Insbesondere in Konzernunternehmen ist der Einsatz von Mitarbeitern der Mutter-, Tochter-, Schwester- oder Enkelgesellschaft als Leiharbeitnehmer keineswegs unüblich. Denn die in nahezu allen Konzernen – auch Kommunalunternehmen – immer wieder notwendig werdenden Veränderungsprozesse machen auch eine Anpassung von Einsatzformen und -gesellschaften erforderlich.
Auch weil vielen Mitarbeitern ein Wechsel „ihres“ Vertragsarbeitgebers suspekt ist, kam es in derartigen Fällen oft zu Überlassungskonstruktionen. Mit dem klassischen Konfliktherd (Vermeidung von) „Equal Treatment“ oder „Equal Payment“ hatte das nichts zu tun. Es ging den Unternehmen nicht um Einsparungen, sondern um eine Anpassung der Arbeitsstrukturen an veränderte Verhältnisse, ohne bestehende Arbeitsverhältnisse beenden und neue begründen zu müssen – auch im Interesse der Mitarbeiter. Viele Konzerne und ihre Arbeitnehmer haben sich darauf eingerichtet und praktizieren seit Jahren dauerhaft den Einsatz von Leiharbeitnehmern. Doch damit ist es nun vorbei:
Das neu gefasste Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) untersagt ab dem 1.12.2011 einen dauerhaften Leiharbeitnehmereinsatz. Die Arbeitnehmerüberlassung ist nach den neuen gesetzlichen Vorgaben nur noch „vorübergehend“ erlaubt. Dazu, was das heißt, d. h. welcher Überlassungszeitraum noch zulässig sein soll, schweigt das Gesetz. Eine Konkretisierung durch die Rechtsprechung konnte natürlich noch nicht erfolgen. Da die Vorgabe der EG-Leiharbeitsrichtlinie entspringt, kann diese letztverbindlich ohnehin nur durch den EuGH geklärt werden. Die Arbeitsverwaltung hat dementsprechend auch noch keine Einschätzung veröffentlicht, die eine Orientierung ermöglicht.
Unsicherheit vorprogrammiert
Bis zu einer Positionierung herrscht relative Unsicherheit. Klar dürfte nur sein, dass eine Arbeitnehmerüberlassung nicht mehr „vorübergehend“ ist, wenn Mitarbeiter zeitlich unbefristet auf Dauerarbeitsplätzen eingesetzt werden – damit scheiden gerade die eingangs skizzierten konzernintern praktizierten Lösungen aus. Knüpft man an die bisherige Rechtsprechung des BAG zu § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG an, ist der „vorübergehende“ Charakter durch eine „Gesamtschau der Umstände“ festzustellen. Eine Bewertung als „vorübergehend“ scheidet danach aus, wenn die Gesamtwürdigung ergibt, dass sich der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses vom Verleiher zum Entleiher verlagert hat. Ein gewichtiges Indiz dafür ist die Betreuung mit Daueraufgaben (vgl. BAG v. 21.03.1990 – 7 AZR 198/89; BAG v. 05.05.1988 – 2 AZR 795/87). Folgt man dem, scheint eine „vorübergehende“ Überlassung auch bei einer Gesamtdauer von mehreren Jahren, ggf. auf der Grundlage einer befristeten Verlängerung, nicht unbedingt ausgeschlossen (vgl. BAG v. 10.03.2004 – 7 ABR 49/03).
Leider müssen sich die Unternehmen aber auf „Überraschungen“ gefasst machen. Denn teilweise herrscht ein völlig abweichendes Verständnis der neuen Vorgaben. Wie weit die Ansichten auseinanderklaffen, verdeutlicht die Auffassung Franz Josef Düwells, bis vor kurzem Vorsitzender Richter am BAG: Seiner Ansicht nach ist eine Arbeitnehmerüberlassung schon nach einer Dauer von 3 Monaten nicht mehr „vorübergehend“ im Sinne des neuen AÜG.
Diese Bewertung dürfte sich wohl nicht durchsetzen, belegt aber, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Denn ohne die jedenfalls erforderliche Anpassung der bestehenden Arbeitsstrukturen drohen erhebliche Nachteile und Risiken:
Nachteile drohen
Das Gesetz enthält zwar keine konkreten Vorgaben für den Umgang mit Verstößen gegen das Gebot der dauerhaften Überlassung. Eine ab dem 1.12.2011 planmäßig dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung dürfte aber ein klares Indiz für die Unzuverlässigkeit des verleihenden Unternehmens sein, das kaum widerlegt werden kann. In diesem Fall dürfte die ab dem 1.12.2011 ebenfalls nahezu ohne Ausnahme erforderliche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis von der Arbeitsverwaltung nicht erteilt bzw. widerrufen werden (müssen). Ohne diese Erlaubnis ist die Überlassung von Leiharbeitnehmern aber nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, ggf. sogar eine Straftat. Die Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis führt darüber hinaus auch zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Entleiher – das ist von vielen Unternehmen, Betriebsräten und Mitarbeitern in den in Rede stehenden Fällen nicht gewünscht. Unabhängig davon können Leistungsverweigerungsrechte der betroffenen Mitarbeiter bestehen, die zusätzliche wirtschaftliche Risiken begründen. Vor allem sollte aber das (unternehmens-)politische Risiko nicht unterschätzt werden, dass den beteiligten Unternehmen öffentlichkeitswirksam ein rechtswidriger Personaleinsatz vorgeworfen wird.
Wichtig ist deshalb, schnell zu handeln, d. h. (sehr) zeitnah Strategien zu entwickeln, die – möglichst unter Erhaltung der bewährten Arbeitsstrukturen – eine Beendigung der dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung ermöglichen.