Arbeitnehmer können den Aufenthalt in Transfergesellschaften zukünftig für qualifizierte Weiterbildungen oder das Nachholen eines Berufsabschlusses nutzen.
Zum 01. August 2016 ist das Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz (AWStG) in Kraft getreten. Mit dem Gesetz soll der Zugang zur beruflichen Weiterbildung insbesondere für gering qualifizierte Arbeitnehmer, Langzeitarbeitslose und ältere Arbeitnehmer verbessert werden.
In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber mit § 111 a SGB III eine neue Fördermöglichkeit für Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung in Transfergesellschaften geschaffen, die es bisher nicht gab: Die Transfergesellschaft diente mit der Zahlung von Transferkurzarbeitergeld vorrangig der Vermittlung des Arbeitnehmers in einen neuen Job, auch wenn sich die Perspektive des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt z. B. durch ein Leiharbeitsverhältnis oder eine niedrig qualifizierte Tätigkeit langfristig nicht verbesserte. Qualifizierte Weiterbildungen oder gar Berufsabschlüsse nach §§ 81 ff. SGB III wurden während einer Transfergesellschaft nicht gefördert.
Hiergegen wurde häufig Kritik erhoben, weil gerade die Zeit in einer Transfergesellschaft für solche längeren Weiterbildungen genutzt werden könnte. Der Gesetzgeber hat dieses Defizit nun seit 01. August 2016 mit dem neuen § 111 a SGB III behoben. Eine Begrenzung der Fördermittel auf einen Höchstbetrag gibt es nicht. Allerdings hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Förderung; die Arbeitsagentur entscheidet im Einzelfall nach billigem Ermessen. Diese Neuerung kann den Einsatz von Transfergesellschaften bei Restrukturierungsmaßnahmen für Arbeitnehmervertreter und Arbeitgeber noch attraktiver machen als bisher.
Mit Transfergesellschaften betriebsbedingte Kündigungen vermeiden
Transfergesellschaften (oder auch: „Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften“, BQG) werden als Instrument bei Personalabbaumaßnahmen eingesetzt, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Hierfür wird den zur Entlassung vorgesehenen Arbeitnehmern ein Aufhebungsvertrag angeboten, der mit dem Abschluss eines befristeten Transferarbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft kombiniert ist (sog. dreiseitiger Vertrag).
Stimmt der Mitarbeiter dem dreiseitigen Vertrag zu, endet sein Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber und er wechselt nahtlos in das üblicherweise auf maximal 12 Monate befristete Transferarbeitsverhältnis. Ein Betriebs(teil)übergang nach § 613a BGB scheidet regelmäßig aus, weil die Transfergesellschaft einen anderen Betriebszweck (die Qualifizierung und Vermittlung) verfolgt, und die Arbeitsbedingungen der überführten Arbeitnehmer sich entsprechend ändern.
Transfergesellschaft effektiver als Arbeitsagentur
Zweck der Transfergesellschaft ist es, die Mitarbeiter bei der Bewerbung, Qualifizierung und Vermittlung von Arbeitsangeboten zu unterstützen und so den Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber zu erleichtern. Deshalb arbeitet ein Mitarbeiter in der Transfergesellschaft auch nicht, sondern er bewirbt sich mit Unterstützung der Transfergesellschaft, um so schnell wie möglich ein neues Arbeitsverhältnis zu beginnen.
Letztlich erbringen Transfergesellschaften die gleichen Leistungen wie die Arbeitsagenturen, nur der Betreuungsschlüssel zwischen Arbeitssuchenden und Vermittlern ist üblicherweise wesentlich besser (in Transfergesellschaften ca. 1:40, bei der Arbeitsagentur ca. 1:150).
Vorteile einer Transfergesellschaft für Arbeitnehmer
Transfergesellschaften vermeiden zunächst die Arbeitslosigkeit der betroffenen Mitarbeiter. Denn diese stehen für die Dauer des Transferarbeitsverhältnisses nach wie vor in einem Arbeitsverhältnis und erhalten eine Vergütung, die sich normalerweise aus dem Transferkurzarbeitergeld und einem Aufstockungsbetrag zusammensetzt.
Sozialversicherungsbeiträge werden in dieser Zeit ebenfalls abgeführt. Während des Transferarbeitsverhältnisses können sich die Mitarbeiter vollständig auf die Suche nach einer neuen Beschäftigung konzentrieren und erhalten professionelle Unterstützung bei der beruflichen Neuorientierung.
Vorteile einer Transfergesellschaft für Arbeitgeber
Für den Arbeitgeber stellen Transfergesellschaften eine Möglichkeit dar, einen notwendigen Personalabbau sozialverträglich umzusetzen. Da solche Maßnahmen gemeinsam mit dem Betriebsrat vereinbart werden, ist die Akzeptanz sowohl intern als auch extern wesentlich höher als sonst.
Zudem wird das Ende der Arbeitsverhältnisse nicht mit Rechtsstreitigkeiten belastet, da die Mitarbeiter bei Abschluss eines dreiseitigen Vertrages einvernehmlich ausscheiden.
Finanzierung einer Transfergesellschaft mit Transferkurzarbeitergeld
Eine Transfergesellschaft wird in erster Linie durch sog. Transferkurzarbeitergeld finanziert, das in der Höhe dem „normalen″ Arbeitslosengeld eines Arbeitnehmers entspricht (also 60 %/67 % des letzten maßgeblichen Nettoentgelts). Das Transferkurzarbeitergeld stellt die Arbeitsagentur für maximal 12 Monate zur Verfügung, wenn die Voraussetzungen des erfüllt sind; es wird letztlich an den Arbeitnehmer ausbezahlt.
Der Arbeitgeber übernimmt häufig die Zahlung eines Zuschusses an die Arbeitnehmer, um das Transferkurzarbeitergeld z. B. von 60/67 % des letzten Nettoentgelts auf 80 % oder mehr aufzustocken. Daneben trägt der Arbeitgeber die sog. Remanenzkosten (vor allem Gesamtsozialversicherungsbeiträge, Entgelt für Feiertage, Urlaub und Krankheit) und die Verwaltungskosten der Transfergesellschaft.
Die Finanzierung der Transfergesellschaft wird in dem (Transfer-)Sozialplan zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbart, der im Rahmen des Personalabbaus abzuschließen ist. Vor Abschluss des Interessenausgleichs und Sozialplans müssen sich die Betriebsparteien seit 2012 zwingend von der Arbeitsagentur beraten lassen; die Beratung ist eine der Voraussetzungen, die für die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld erfüllt sein muss (§ 111 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB III).
Bisher keine Förderung einer Weiterbildung bei Eintritt in Transfergesellschaft
Bisher sah § 111 SGB III während der Zeit in einer Transfergesellschaft keine Förderung der Arbeitsagentur für Weiterbildungsmaßnahmen vor. Während der Zeit in einer Transfergesellschaft sollten sich alle Beteiligten vorrangig auf die Vermittlung des Arbeitnehmers in ein neues Arbeitsverhältnis konzentrieren. Die Förderung der Arbeitsagentur beschränkte sich auf die Zahlung des Transferkurzarbeitergeldes als Lohnersatzleistung.
Einen Zuschuss zu Weiterbildungsmaßnahmen gab es für Arbeitnehmer nur vor Eintritt in die Transfergesellschaft, wenn im Sozialplan sog. Transfermaßnahmen angeboten wurden und die Voraussetzungen des vorlagen. „Transfermaßnahmen″ waren dabei alle Maßnahmen zur Eingliederung von Arbeitnehmern in den Arbeitsmarkt, an denen sich der Arbeitgeber angemessen beteiligte (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Auch in diesem Fall war der Zuschuss der Arbeitsagentur auf 50 % der Kosten, maximal auf EUR 2.500,00 je gefördertem Arbeitnehmer beschränkt (§ 110 Abs. 2 SGB III).
Gefördert wurden z. B. Profiling-Leistungen, Bewerbungs-/Orientierungsseminare, Qutplacementberatungen, arbeitsplatzbezogene Qualifizierungen und Praktika, alles mit dem Ziel einer möglichst schnellen Vermittlung in einen neuen Job. „Echte″ Weiterbildung dahingehend, dass z. B. fehlende Berufsabschlüsse nachgeholt wurden, wurden nicht gefördert.
§ 111 a SGB III regelt neue Förderungsmöglichkeit
Für von Restrukturierungen betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Transfergesellschaften wird mit § 111 a SGB III nun eine neue Fördermöglichkeit bei beruflicher Weiterbildung eingeführt. Nach § 111 a Abs. 1 SGB III können notwendige Qualifizierungen in einer Transfergesellschaft gefördert werden, wenn
- den Arbeitnehmern ein Berufsabschluss fehlt oder sie bei Beginn der Weiterbildung das 45. Lebensjahr vollendet haben;
- die Arbeitsagentur den Arbeitnehmer vor Beginn der Weiterbildung beraten hat;
- die Weiterbildung selbst und der Anbieter der Weiterbildung zugelassen ist (Träger- und Maßnahmenzulassung nach §§ 178, 179 SGB III);
- die Maßnahme während des Bezugs von Kurzarbeitergeld endet, also nicht länger als die Verweildauer des Arbeitnehmers in der Transfergesellschaft dauert und
- der Arbeitgeber mindestens 50 Prozent der Lehrgangskosten trägt.
Von der Arbeitsagentur werden bei Bewilligung der Förderung nicht nur die vom Arbeitgeber nicht getragenen Lehrgangskosten übernommen, sondern auch Fahrtkosten, Kosten für auswärtige Unterbringung und Verpflegung und für die Betreuung von Kindern (§§ 111 a Abs. 1 Satz 1, 83 Abs. 1 SGB III).
Die Fördermöglichkeit kann bis zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf führen, der wegen der dafür erforderlichen Ausbildung erst nach Ende der Transfergesellschaft erworben werden kann, wenn der Arbeitgeber zumindest 50 % der Lehrgangskosten während der Dauer der Transfergesellschaft trägt (§§ 111 a Abs. 2, 81 SGB III). Ist der Arbeitgeber insolvent, kann die Arbeitsagentur auch eine niedrigere Beteiligung an den Lehrgangskosten für den Arbeitgeber vorsehen (§ 111 a Abs. 3 SGB III).
Kein Anspruch auf Förderung nach § 111 a SGB III
Einen Anspruch auf Förderung einer Weiterbildungsmaßnahme schafft der neue § 111 a SGB III für den Arbeitnehmer nicht. Die Arbeitsagentur entscheidet in ihrem Ermessen, ob eine Weiterbildungsmaßnahme während der Transfergesellschaft gefördert wird oder nicht. Die Erfahrungen zeigen aber, dass sich die Arbeitsagentur sinnvollen Maßnahmen nicht verschließt.