18. März 2011
Say what?
Arbeitsrecht

Wie jetzt, Kündigungsgründe? – Arbeitsrecht im Big Apple

„From dishwasher to millionaire″ und „hire and fire″ – diese Doktrinen verbinden viele mit einer typisch U.S.-amerikanischen Personalpolitik. Doch was ist dran an diesen Vorstellungen vom amerikanischen (Alb-)traum? Tobias Polloczek geht dieser Frage im Rahmen seines Secondments nach: ein Bericht aus New York.

„Wie jetzt, Kündigungsgründe? Aber ich habe doch entschieden, dass die Stelle ‚redundant‘ ist!″ Solche Äußerungen kennt jeder deutsche Arbeitsrechtler, der U.S.-amerikanischen Mandanten die Feinheiten des deutschen Kündigungsschutzgesetzes näher zu bringen versucht. Im Rahmen meines Secondments habe ich seit Anfang Januar Gelegenheit, die arbeitsrechtliche Praxis eines in über 100 Ländern aktiven Unternehmens einmal aus Sicht des New Yorker Headquarters hautnah mitzuerleben. Ein doppelter Perspektivenwechsel also: Vom deutschen zum U.S.-amerikanischen Arbeitsrecht und vom Rechtsanwalt zum Inhouse-Juristen.

Bekanntlich gibt es in den USA keinen gesetzlichen Kündigungsschutz. Die „At-will employment Doktrin“ besagt, dass beide Seiten grundsätzlich frei darin sind, die Zusammenarbeit von heute auf morgen zu beenden. Auch gibt es in den USA kein ausgeprägtes Mitbestimmungsregime zu beachten. In Deutschland dreht sich die arbeitsrechtliche Beratungspraxis allerdings häufig um diese Themen. Was machen also U.S.-amerikanische Arbeitsrechtler bloß den lieben langen Tag?

Keineswegs sich langweilen! Für hinreichend Beschäftigung sorgt insbesondere die Befassung mit (vermeintlichen) Diskriminierungsfällen und (behaupteten) Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften. Das Zusammenspiel von punitive damages und class actions führt dabei zu aus Sicht des deutschen Zivilrechts schlicht unvorstellbaren Kostenrisiken für die Unternehmen (z.B. Zahlung von über 150 Millionen USD von Novartis in 2010 im Rahmen eines Vergleichs an Sammelkläger). Kompliziert wird das Ganze dadurch, dass neben den federal statutes unterschiedliche arbeitsrechtliche Vorschriften auf Ebene der 50 Staaten bestehen.

Durch diese Einblicke in den Arbeitsalltag eines U.S.-amerikanischen Unternehmens lässt sich ein gutes Verständnis für die rechtlichen und wirtschaftlichen Probleme unserer internationalen Mandanten gewinnen. Im Gegenzug bringe ich den U.S.-amerikanischen Kollegen das europäische Arbeitsrecht in der täglichen Zusammenarbeit, aber auch durch Vorträge und Webinars näher. Daneben ist für mich die Bearbeitung von grenzüberschreitenden Projekten an der Tagesordnung: Codes of Conduct, Document retention policies oder der Umgang mit Social Networks am Arbeitsplatz sind nur einige der arbeitsrechtlichen Themen, die heutzutage in einem global aufgestellten Unternehmen möglichst einheitlich geregelt werden sollten. Die Befassung mit „Arbeitsrecht im Big Apple“ hilft dabei, die Relativität der eigenen Herangehensweise hinsichtlich der Lösung arbeitsrechtlicher Fragen nicht aus den Augen zu verlieren. Sie erschließt aber auch neue Denkansätze und Argumente, die durchaus in Deutschland hilfreich sein können…

Tags: at-will employment doctrine class action code of conduct document retention policy Kündigungsschutz New York punitive damages Sammelklage Secondment Serie Social Networks USA