6. März 2024
Banking & Finance

EU-Bankenpaket – Neuregelungen für Nicht-EU-Banken

EU-Gesetzgeber einigt sich auf harmonisierte Vorgaben für den Marktzugang von Unternehmen aus Drittstaaten

Die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und der Europäische Rat haben sich als Abschluss ihrer Trilog-Verhandlungen auf einen finalen Kompromiss hinsichtlich der Eigenkapitalrichtlinie (CRD VI) und der Eigenkapitalverordnung (CRR) geeinigt; das Ergebnis wurde am 06. Dezember 2023 veröffentlicht. Nach der noch für das erste Halbjahr 2024 vorgesehenen abschließenden Abstimmung im Europäischen Parlament ist mit einer baldigen Umsetzung zu rechnen. Dies gibt Anlass sich mit den Neuregelungen der CRD VI für Unternehmen aus Drittstaaten genauer auseinanderzusetzen.

Banking Package 2021 der Europäischen Kommission

Ursprung der Neuerungen der CRD VI ist das sog. Banking Package 2021, das die Europäische Kommission im Oktober 2021 vorgestellt hat. Das Paket, das insbesondere die Widerstandsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit europäischer Banken stärken will, umfasst neben der Neufassung der CRD auch eine Überarbeitung der CRR. Teil der Änderungen der CRD ist unter anderem die Einführung neuer aufsichtsrechtlicher Mindestanforderungen für die Tätigkeit von Unternehmen aus Drittstaaten in der Europäischen Union (EU) bzw. im europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Hierdurch sollen die bisher bestehenden Unterschiede in der Beaufsichtigung dieser Unternehmen in den verschiedenen Mitgliedstaaten beseitigt bzw. verkleinert werden.

Erbringung sogenannter Kern-Bankgeschäfte

Drittstaat-Unternehmen werden von den Neuregelungen der CRD VI nur erfasst, soweit sie sog. Kern-Bankgeschäfte erbringen und als Kreditinstitut i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR qualifizieren würden, sofern sie in der EU bzw. EWR ansässig wären. Zu den Kern-Bankgeschäften zählt die CRD VI die Annahme von Einlagen und anderen rückzahlbaren Geldern, die Vergabe von Krediten, einschließlich Verbraucherkrediten, Immobiliarkrediten, Factoring, der Finanzierung von Handelsgeschäften sowie die Bereitstellung von Bürgschaften und Zusicherungen. Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind reine Interbankenverhältnisse, die Erbringung innerhalb einer Gruppe und Konstellationen, in denen der EU-Kunde von sich aus das Drittstaat-Unternehmen auswählt, (sog. reverse solicitation), vgl. Art. 21c CRD VI.

Erfasst werden somit neben Banken auch Wertpapierfirmen, die entsprechende Wertpapierdienstleistungen erbringen und deren konsolidierte Bilanzsumme selbstständig oder als Teil einer Gruppe den Gesamtwert von EUR 30 Mrd. erreicht oder übersteigt.

Um den hinreichenden Bezug zur EU herzustellen, dürfte dabei schon jedes Tätigwerden des Drittstaat-Unternehmens in Zusammenhang mit einer der oben genannten Leistungen gegenüber EU-Kunden ausreichen, da die EU-Kommission in ihren Materialen ein weites Verständnis von der Erbringung „in einem Mitgliedstaat“ zum Ausdruck bringt.

Zweigstellen unterliegen gleichen Voraussetzungen, aber kein Europäischer Pass

In der EU tätige Unternehmen aus Drittstaaten müssen zukünftig gemäß Art. 21c CRD VI über eine Zweigstelle in dem Mitgliedstaaten verfügen, in dem sie die jeweiligen Leistungen erbringen wollen.

Die Zweigstelle muss von der für den betreffenden Mitgliedstaat zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde nach den gleichen oder strengeren Voraussetzungen, wie sie für inländische Unternehmen gelten, zugelassen werden. Diese ist damit im gleichen Maße erlaubnispflichtig wie inländische Unternehmen und darf gemäß Art. 47 CRD VI keinen günstigeren Bestimmungen unterliegen. Um auch hier eine einheitliche Rechtsanwendung zu gewährleisten, stellt Art. 48c CRD VI Mindestanforderungen für die Zulassung in den Mitgliedstaaten auf. Art. 48d CRD VI führt dies weiter und statiert Gründe für die Versagung bzw. den Entzug einer Erlaubnis.

Im Gegensatz zu inländischen Unternehmen können die Zweigstellen gemäß Art. 48c CRD VI jedoch nicht durch die Nutzung des sog. Europäischen Passes von einem Mitgliedstaat aus in anderen Mitgliedstaaten tätig zu werden. Die Tätigkeit der Zweigstelle ist somit auf den jeweiligen Mitgliedstaat beschränkt.

Art. 48c Abs. 5 CRD VI sieht Bestandschutz für bereits vor Inkrafttreten der Regelung bestehende Verträge zwischen in der EU ansässigen Unternehmen und solchen aus Drittstaaten vor. Die praktischen Auswirkungen dieser Bestandschutzregelung sind angesichts der weiten Formulierung aber noch unklar.

Bisher grundsätzliche Erlaubnispflicht in Deutschland, aber Möglichkeit der Freistellung

Die Regulierung von Unternehmen aus Drittstaaten ist momentan noch Sache des jeweiligen Mitgliedstaates, was zu einem regulatorischen Flickenteppich in der EU geführt hat.

Grundsätzlich gilt in Deutschland die Erlaubnispflicht des § 32 Kreditwesengesetz (KWG) bereits jetzt für alle Unternehmen, die im Inland Bankgeschäfte erbringen, d.h. auch für solche, die ihren Sitz in einem Drittstaat haben. Der § 53 Abs. 1 KWG bestimmt ausdrücklich, dass inländische Zweigstellen von Unternehmen mit Sitz im Ausland als Kredit- bzw. als Finanzdienstleistungsinstitut anzusehen sind und damit nach § 53 Abs. 1 S.1 KWG grundsätzlich auch der Erlaubnispflicht des § 32 Abs. 1 KWG unterliegen.

Für allein grenzüberschreitende Dienstleistungen aus Drittstaaten besteht die Möglichkeit einer Befreiung nach § 2 Abs. 5 KWG. Hiernach kann die BaFin Institute mit Sitz in einem Drittland, die grenzüberschreitend Bank- oder Finanzdienstleistungen erbringen und damit grundsätzlich auch der Erlaubnispflicht unterliegen, im Einzelfall von dieser freistellen, sofern sie das Aufsichtssystem im Herkunftsstaat für gleichwertig befindet und die Zusammenarbeit mit den Behörden des Herkunftsstaats hinsichtlich der Beaufsichtigung des Unternehmens zufriedenstellend ist. Dies betrifft beispielsweise schweizerische oder amerikanische Institute.

Daneben besteht für Unternehmen mit Zweigstellen in Deutschland grundsätzlich die Möglichkeit einer Freistellung im Einzelfall nach § 2 Abs. 4 KWG, sofern die Unternehmen nach § 53 Abs. 1 KWG als Kredit- bzw. Finanzdienstleistungsinstitute angesehen werden. Hiernach kann die BaFin ein Unternehmen von der Erlaubnispflicht ausnehmen, wenn die von ihm betriebenen Geschäfte ihrer Art nach nicht der Aufsicht durch die BaFin bedürfen.

Der nunmehr gefundene Kompromiss auf EU-Ebene äußert sich zu der Möglichkeit, solche Ausnahmen bzw. Freistellungen weiterzuführen, nicht ausdrücklich. Jedoch ist ausgehend von der Zweckrichtung der Richtlinienänderung, einen einheitlichen Regelungsrahmen in der EU zu schaffen und Mindestanforderungen an die Beaufsichtigung von Drittstaatunternehmen zu stellen, darauf zu schließen, dass diese nationalen Ausnahmen unter der neuen Rechtslage zukünftig nicht mehr zulässig sein werden. Unklar bleibt indes, wie mit bereits erteilten Freistellungen umzugehen ist. Hier wird es dem deutschen Gesetzgeber bzw. der BaFin obliegen, für entsprechende Klarheit zu sorgen.

Erneute Erlaubnispflicht für bereits zugelassene Unternehmen

Der neue Art. 21c CRD VI umfasst die „Aufnahme und Fortsetzung“ der entsprechenden Tätigkeit. Daraus lässt sich eine Pflicht zur (erneuten) Beantragung einer Erlaubnis ableiten, auch wenn Drittstaatunternehmen, wie in Deutschland über § 53 KWG, bereits heute eine Erlaubnis benötigen. Dieses Verständnis wird durch Art. 48c Abs. 1 CRD VI unterlegt. Danach müssen die Mitgliedstaaten Regelungen vorsehen, nach denen die Drittlandunternehmen zur Errichtung von Zweigstellen „before commencing or continuing the activities“ verpflichtet werden, wobei die Errichtung einer Zweigstelle wiederum von der Zulassung nach den Vorgaben der Art. 48c ff. CRD VI abhängig ist.

Art. 48c Abs. 5 CRD VI lässt den Mitgliedstaaten zumindest offen, bestimmte Unternehmen von der Pflicht zur erneuten Stellung eines Erlaubnisantrages auszunehmen. Allerdings gilt dies dem Wortlaut nach nur für solche Unternehmen, die ihre Zulassung zwölf Monate vor Inkrafttreten der Neuregelungen erhalten haben. Auch hier wird der deutsche Gesetzgeber bzw. die BaFin gefordert sein, für entsprechende Klarheit zu sorgen.

Konkretisierung der Regelungen durch die neuen Artikel 48a ff. CRD

Nach Art. 48a CRD VI müssen die Mitgliedstaaten die Zweigstellen anhand festgelegter Kriterien in zwei Kategorien einordnen. Entscheidend für die Einordnung ist das Risiko, das von der Tätigkeit der Zweigstelle für die Marktintegrität und finanzielle Stabilität im jeweiligen Mitgliedstaat und der EU insgesamt ausgeht.

Die Zweigstellen unterfallen der ersten Kategorie, wenn

  • der Gesamtwert der von der Zweigstelle in einem Mitgliedstaat verbuchten oder begründeten Aktiva des jährlichen Berichtszeitraums EUR 5 Mrd. oder mehr beträgt,
  • die zugelassenen Tätigkeiten der Zweigstelle die Entgegennahme von Einlagen oder anderen rückzahlbare Gelder von Privatkunden erfasst, sofern der Betrag dieser Einlagen und anderen rückzahlbaren Geldern 5 % oder mehr der gesamten Verbindlichkeiten der Zweigstelle oder der Betrag dieser Einlagen und andere rückzahlbare Gelder EUR 50 Mio. übersteigt; oder
  • die Zweigstelle keine qualifizierte Zweigstelle im Sinne von Artikel 48b CRD VI ist.

Eine solche qualifizierte Drittstaat-Zweigstelle liegt vor, wenn

  • das Hauptunternehmen der Zweigstelle in einem Land ansässig ist, dessen aufsichtsrechtliche Standards und Beaufsichtigung mit der CRD und CRR zumindest gleichwertig sind,
  • die für das Hauptunternehmen der Zweigstelle zuständigen Aufsichtsbehörden Vertraulichkeitsanforderung unterworfen sind, die denjenigen der CRD VI gleichwertig sind, und
  • das Land, in dem das Hauptunternehmen der Zweigstelle seinen Sitz hat, nicht als Hochrisiko-Drittland mit strategischen Mängeln in seiner Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gemäß Artikel 9 der Richtlinie (EU) 2015/849 ist.

Die Artikel 48e bis 48i CRD VI enthalten Anforderungen an das vorzuhaltende Kapital, die Liquidität, interne Verwaltung und das Risikomanagement sowie die Buchführung der Zweigstellen. Nach Art. 48j CRD VI sollen die nationalen Aufsichtsbehörden zudem die Befugnis erhalten, die Zweigstellen, sofern notwendig, zur Gründung von Tochtergesellschaften zu zwingen, welche dann als CRR-Kreditinstitut zugelassen werden müssen. Notwendig soll eine solche Anordnung insbesondere im Rahmen des Risikomanagements sein. Weitere Befugnisse und Pflichten der Aufsichtsbehörden sind in den Artikel 48n ff. CRD VI geregelt. Beispielsweise sollen die Mitgliedstaaten die Zweigstellen nach Art. 48l CRD VI zu regelmäßigen Berichten verpflichten. Inhaltlich sollen diese Berichtspflichten insbesondere regulatorische und finanzielle Informationen über die Zweigniederlassung im Drittland und über das Hauptunternehmen erfassen. Für die Erfüllung dieser Pflichten soll die EBA gemäß Art. 48m CRD VI standardisierte Formvorlagen entwickeln.

Auswirkungen auch für Deutschland zu erwarten

Mit der Umsetzung der Neuregelungen ist noch in der ersten Jahreshälfte 2024 zu rechnen. Nach dem anvisierten Inkrafttreten am 01. Januar 2025 wird den Mitgliedstaaten gemäß der Umsetzungsfrist von 18 Monaten bis Herbst 2026 Zeit bleiben, die Regelungen in nationales Recht umzusetzen.

Auch wenn die Auswirkungen in Deutschland aufgrund der heute schon bestehenden Erlaubnispflicht für Zweigstellen von Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat nicht so einschneidend sein werden wie in anderen Mitgliedstaaten, sollten sich die hier ansässigen Unternehmen mit den Änderungen zeitnah auseinandersetzen und, sofern notwendig, ihre (erneuten) Erlaubnisanträge vorbereiten. Auch wer bisher ohne eigene Erlaubnis aufgrund einer Freistellung nach § 2 Abs. 5 KWG in Deutschland grenzüberschreitend tätig ist, sollte die weitere Entwicklung im Blick behalten und mögliche Anpassungen des Geschäftsmodells prüfen.

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