17. Dezember 2015
Kleinanlegerschutzgesetz, Crowdfunding, Finanzierungen
Finanzierungen

Kleinanlegerschutzgesetz und Crowdfunding – Verbraucherschutz versus Startup-Finanzierung

Crowdfunding: Erstmals gesetzliche Berücksichtigung im Kleinanlegerschutzgesetz - was Anbieter von Crowdfunding-Plattformen und Anleger beachten müssen.

Mit Erlass des Kleinanlegerschutzgesetzes, dessen erste Stufe am 10. Juli 2015 in Kraft getreten ist, hat Crowdfunding – in der Übersetzung als Schwarmfinanzierung – erstmals gesetzgeberischen Niederschlag gefunden.

Gesetzgebungsverfahren und der finale Gesetzeswortlaut verdeutlichen, dass der Gesetzgeber einen Mittelweg zwischen kollektivem Verbraucherschutz und Förderung der Gründerkultur suchte. Die Auswirkungen des Gesetzes beschränken sich dabei nicht nur auf die Anbieter von Crowdfunding-Plattformen, denen in Zukunft ein höherer Professionalisierungsgrad abverlangt wird, sondern betreffen insbesondere auch Anleger.

Änderungen im VermAnlG – Ausweitungen und Ausnahmen

Der gesetzgeberische Balanceakt wird insbesondere an der praktisch relevanten Prospektpflicht des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG) deutlich.

Das Kleinanlegerschutzgesetz führt zunächst zu einer Erstreckung des Anwendungsbereiches des VermAnlG auf Nachrangdarlehen, partiarische Darlehen sowie bestimmte sonstige Anlagen (§ 1 Abs. 2 VermAnlG).

Die Ausweitung ist zu begrüßen, da der Anwendungsbereich nunmehr keine Differenzierung zu – bereits zuvor erfassten – stillen Beteiligen und Genussrechten vornimmt. Diese Vereinheitlichung hebt jedoch § 2a VermAnlG, der zentrale Ausnahmetatbestand für Schwarmfinanzierungen, direkt wieder auf. Die Ausnahmen sind lediglich auf die neu eingefügten Vermögensanlagen beschränkt. Eine sachgerechte Begründung für die damit beibehaltene Differenzierung zwischen Vermögensanlagen wie partiarischen Darlehen und stillen Beteiligungen ist jedoch nicht ersichtlich.

Unabhängig von diesem Widerspruch ist festzuhalten, dass über § 2a VermAnlG insbesondere partiarische Darlehen und Nachrangdarlehen, die ausschließlich im Wege der Anlageberatung oder Anlagevermittlung über eine Internet-Dienstleistungsplattform vermittelt werden, in den Genuss verschiedener Befreiungen kommen. Die Befreiungen beziehen sich insbesondere auf die Prospektpflicht, umfassen jedoch auch weitere Erfordernisse wie z.B. die Erstellung eines Lageberichtes oder eine Abschlussprüfung nach § 25 VermAnlG.

Die Voraussetzungen des § 2a VermAnlG knüpfen dabei zunächst an das von einem Emittenten gewünschte Investitionsvolumen an. Demnach darf der Verkaufspreis sämtlicher von einem Anbieter angebotener Vermögensanlagen eines Emittenten 2,5 Millionen Euro nicht überschreiten.

Daneben stellt das VermAnlG Investmentobergrenzen für Anleger auf, bei denen es sich nicht um eine Kapitalgesellschaft handelt. Ohne weitere Einschränkung ist lediglich ein Investment in Höhe von maximal 1.000 EUR zulässig (§ 2a Abs. 3 Nr. 1 VermAnlG). Auf Basis einer vom Anleger zu erteilenden Selbstauskunft kann dieser Betrag auf bis zu maximal 10.000 EUR ansteigen, sofern der Anleger über ein frei verfügbares Vermögen in Form von Bankguthaben bzw. Finanzinstrumenten von mindestens 100.000 EUR verfügt oder es sich um den doppelten Betrag des durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens handelt (siehe § 2a Abs. 3 Nr. 2 und 3 VermAnlG). Die Privilegierungswirkung setzt insoweit voraus, dass die Internet-Dienstleistungsplattform durch Gesetz oder Verordnung verpflichtet ist, die Einhaltung dieser Schwellenwerte zu prüfen.

Abschließend sei angemerkt, dass § 2a Abs. 4 VermAnlG ein Kombinationsverbot aufstellt, sofern eine Vermögensanlage eines Emittenten, welche unter den bereits existierenden Befreiungstatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 3 VermAnlG fällt, öffentlich angeboten wird oder eine auf diese Weise angebotene Vermögensanlage nicht vollständig getilgt ist.

Ergänzende Organisations- und Vertriebsanforderungen: Widerrufsrecht und VIB

Trotz der vorhandenen Ausnahmebestimmungen hat auch das gesetzgeberische Verlangen nach Regulierung und Anlegerschutz eine hinreichende normative Ausprägung im VermAnlG erfahren. Als Korrektiv für die dargestellten Befreiungsmöglichkeiten sieht § 2d VermAnlG zunächst ein zweiwöchiges Widerrufsrecht des Anlegers vor.

Weiterhin stellt das Kleinanlegerschutzgesetz spezifische Anforderungen an den Vertrieb von Vermögensanlagen. Das noch im Gesetzesentwurf geforderte Verbot für Werbung in sozialen Netzwerken hat zwar berechtigterweise keinen Eingang in das Gesetz gefunden, jedoch enthält das Kleinanlegerschutzgesetz dezidierte Anforderungen an die Bewerbung von Vermögensanlagen sowie das Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB). Partiell geht die Regelungsdichte dabei so weit, dass das VermAnlG – vergleichbar mit der Werbung für Tabakprodukte – die Formulierung von Warnhinweisen wortwörtlich sowie deren drucktechnische Hervorhebung vorgibt, u.a.:

Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum Verlust des eingesetzten Vermögens führen.

Für Crowdfunding, welches naturgemäß auf Online-Kommunikation und einem Online-Vertrieb basiert, war insbesondere die geforderte Bestätigung über den Erhalt und die Kenntnisnahme des VIB Gegenstand von Diskussionen. Ursprünglich sah der Gesetzgeber einen Ausdruck, die Unterzeichnung und Rücksendung des VIB vor.

Im Gesetzgebungsverfahren konnte der damit verbundene Medienbruch jedoch weitgehend entschärft werden. Sofern Vertragsverhandlungen und Vertragsschluss ausschließlich über Fernkommunikationsmittel erfolgen, ist nunmehr auch eine rein elektronische Form der Bestätigung von der Kenntnisnahme eines näher vorgegebenen Warnhinweises ausreichend. Die näheren Anforderungen regelt die hierzu ergangene – und griffig betitelte – Vermögensanlagen-Informationsblatt-Bestätigungsverordnung (VIBBestV).

Selbstverordnete Testphase: KASG bis Ende 2016 unter Beobachtung

Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz verfolgt der Gesetzgeber das Ziel einer stärkeren Regulierung und Transparenz im Bereich des grauen Kapitalmarktes insgesamt – nicht nur beim Crowdfunding. Verbraucher sollen besser vor unseriösen und intransparenten Finanzprodukten geschützt werden. Trotz teilweise unsachgemäßer Differenzierungen ist der gesetzgeberische Ausgleich zwischen Verbraucherschutz und Stärkung bzw. Erhalt von Crowdfunding zu begrüßen.

Befreiungen von der Prospektierungspflicht und den damit verbundenen Fixkosten sind sowohl für diese Finanzierungsform als auch die kapitalsuchenden Unternehmen regelmäßig von essentieller Bedeutung. Die Auswirkungen des Kleinanlegerschutzgesetzes sollen im Jahr 2016 – insbesondere mit Blick auf die Regulierung von Crowdfunding – nochmals einer gesetzgeberischen Analyse unterzogen werden.

Unabhängig von der nunmehr verstärkten Regulierung durch das Kleinanlegerschutzgesetz wird das Themengebiet rund um Crowdfunding für Rechtsanwender, Unternehmen und Anleger auch weiterhin eine Vielzahl von Rechtsfragen aufwerfen. So weist u.a. die Haftung der Plattform und des Zielunternehmens gegenüber dem Anleger eine Vielzahl weiterer – nicht abschließend geklärter – Fragestellungen auf.

Tags: Crowdfunding Finanzierungen Kleinanlegerschutzgesetz