10. August 2023
Kreditzweitmarkt
Banking & Finance

Kreditzweitmarktgesetz – Gesetzgeber regelt Markt für NPL-Verkäufe

Bundesfinanzministerium (BMF) veröffentlicht Referentenentwurf zur Umsetzung der Kreditzweitmarktrichtlinie („Kreditzweitmarktgesetz“).

Das Kreditzweitmarktgesetz soll die Richtlinie (EU) 2021/2167 vom 24. November 2021 über Kreditdienstleister und Kreditkäufer (Kreditzweitmarktrichtlinie) in deutsches Recht umsetzen. Die Kreditzweitmarktrichtlinie ist Teil des Aktionsplans für den Abbau notleidender Kredite in der Europäischen Union (EU) und bis zum 29. Dezember 2023 von den Mitgliedsstaaten umzusetzen. Mit der Umsetzung der EU-Vorgaben wird sich der Markt für notleidende Kredite (Non-performing loans, NPLs) erheblich verändern.

Die Kreditzweitmarktrichtlinie: besserer Umgang mit notleidenden Krediten und bessere Voraussetzungen für Verkauf an Dritte

Hohe Bestände von NPLs in den Bilanzen der europäischen Banken stellten aus Sicht des Gesetzgebers in den Jahren nach der Finanzkrise ein zentrales Hindernis für eine schnelle Erholung von Finanz- und Realwirtschaft dar, weil dringend benötige Mittel zur Vergabe von neuen Krediten durch hohe NPL-Bestände gebunden wurden. Ziel der Richtlinie ist deswegen die Stärkung des europäischen Marktes für Verkäufe notleidender Kredite und der Handlungsoptionen für Banken.

Die vorgenommene Harmonisierung soll den Kreditinstituten einen besseren Umgang mit notleidenden Krediten ermöglichen und ihnen bessere Voraussetzungen für den Verkauf der Kredite an Dritte bieten. Sie sollen in der Lage sein, einen spezialisierten Kreditdienstleister zu beauftragen oder den Kreditvertrag an einen Kreditkäufer mit der nötigen Risikobereitschaft und Sachkompetenz zu veräußern. Zu diesem Zweck werden Hindernisse für die Übertragung notleidender Kredite von Kreditinstituten auf Kreditkäufer beseitigt und entsprechende Sicherheitsvorkehrungen für die Kreditnehmerrechte festgelegt. Zugleich soll der Schutz von Kreditnehmern gestärkt und europäisch harmonisiert werden.

Kern der gesetzlichen Neuregelungen des Kreditzweitmarktgesetzes

Das Kreditzweitmarktgesetz enthält primär ein vollständig neues Kreditdienstleistungsinstitutsgesetz (KrDIG). Das Gesetz regelt die Pflichten von Käufern und Verkäufern notleidender Kredite, die Anforderungen an die Erbringung von Kreditdienstleistungen und die Beaufsichtigung von Kreditdienstleistungsinstituten. Insbesondere wird ein eigenes Erlaubnisverfahren für Anbieter von Kreditdienstleistungen in Deutschland geschaffen und der Zugang europäischer Anbieter zum deutschen Markt geregelt. Der Gesetzentwurf enthält zudem aufsichtliche Anforderungen unter anderem an Geschäftsorganisation und Risikomanagement bei Anbietern von Kreditdienstleistungen und regelt ihre Verpflichtungen gegenüber den Kreditnehmern. Zum Zweck ihrer Beaufsichtigung soll die BaFin geeignete Aufsichtsbefugnisse erhalten und den erfassten Instituten werden Meldepflichten auferlegt. Des Weiteren soll ein Register der zugelassenen Kreditdienstleister ins Leben gerufen werden. 

Notleidende Kreditverträge

Das KrDIG gilt nur für den Regelungsbereich der notleidenden Kreditverträge, also Kreditverträge, die als notleidende Risikopositionen im Sinne des Artikel 47a CRR eingestuft werden. Zu diesen notleidenden Forderungen gehören insbesondere (i) Forderungen, bei denen ein Ausfall als eingetreten gilt, und (ii) Forderungen, die nach dem geltenden Rechnungslegungsrahmen als wertgemindert angesehen werden.

Das Gesetz ist allerdings erst anzuwenden auf Kreditkäufe, die nach dem 30.Dezember 2023 stattfinden. Es ist nicht anzuwenden auf Kredite, die von einem Kreditinstitut mit Sitz in einem Drittstaat gewährt wurden.

Kreditdienstleistungen

Das KrDIG führt neue Kreditdienstleistungen ein. Darunter fallen die Durchsetzung von fälligen Zahlungsansprüchen und anderen Ansprüchen des Kreditgebers aus einem notleidenden Kreditvertrag, die Neuverhandlung von Rechten und Pflichten oder sonstigen wesentlichen Bedingungen aus einem notleidenden Kreditvertrag (sofern der Kreditvermittler nicht unter die Richtlinie für Verbraucherkreditverträge (2008/48/EG) oder Wohnimmobilienkreditverträge (2014/17/EU) fällt), die Beschwerdebearbeitung sowie die Unterrichtung des Kreditnehmers über Änderungen der Zinssätze, Belastungen oder fälliger Zahlungen im Zusammenhang mit einem notleidenden Kreditvertrag.

Kreditdienstleistungsinstitute

Die unter das KrDIG fallenden Institute werden als Kreditdienstleistungsinstitute definiert. Nicht als Kreditdienstleistungsinstitute gelten in Deutschland zugelassene Kreditinstitute mit der Erlaubnis zum Betreiben der Kreditgeschäftes nach dem KWG sowie in anderen EWR-Staat zugelassene CRR-Kreditinstitute, Kapitalverwaltungsgesellschaften nach dem KAGB sowie Nichtkreditinstitute, die der Beaufsichtigung nach der Richtlinie für Verbraucherkreditverträge oder Wohnimmobilienkreditverträge unterliegen.

Kreditkäufer, die keine Kreditinstitute sind, müssen ein Kreditinstitut oder ein Kreditdienstleistungsinstitut mit der Durchführung der Kreditdienstleistungen betrauen. Die Beziehung zwischen Kreditkäufer und Kreditdienstleister ist in einer Kreditdienstleistungsvereinbarung schriftlich oder elektronisch eindeutig festzulegen.

Der Gesetzgeber macht im KrDIG zudem von der in der Kreditzweitmarktrichtlinie angelegten Möglichkeit Gebrauch, dass Kreditdienstleistungsinstitute Mittel von Kreditnehmern entgegennehmen und halten. Hieran wird jedoch die Anforderung gekoppelt, zusätzliche Anforderungen in Bezug auf die Trennung von Konten und Mitteln einzuhalten, damit im Falle einer Insolvenz des Kreditdienstleistungsinstituts die vereinnahmten Vermögenswerte geschützt sind. Dies entspricht bereits aus anderen Finanzaufsichtsgesetzen bekannten Vorgaben zum Schutz von Kundengeldern.

Erlaubnisverfahren für Anbieter von Kreditdienstleistungen

Sofern eine Unternehmen beabsichtigt, Kreditdienstleistungen zu erbringen, bedarf es hierfür der Erlaubnis der BaFin. Die hierfür einzureichenden Unterlagen entsprechen größtenteils den bereits aus dem KWG bekannten Vorgaben (Nachweise von Zuverlässigkeit und Fachkenntnissen, geeignete Inhaber bedeutender Beteiligungen, tragfähiger Geschäftsplan etc.). Erstmals sieht das KrDIG auch konkrete zeitliche Vorgaben für die Prüfung und Bearbeitung der Anträge durch die BaFin gesetzlich vor. So hat die BaFin einen Antrag auf Erlaubnis binnen 45 Tagen nach dessen Eingang auf seine Vollständigkeit zu prüfen. Binnen 90 Tagen nach Eingang eines vollständigen Antrags die BaFin das antragstellende Unternehmen zu informieren, ob die Erlaubnis erteilt oder verweigert wird. Hier hat der Gesetzgeber offensichtlich Handlungsbedarf identifiziert (Anträge auf die Erteilung einer KWG-Erlaubnis für das Kryptoverwahrgeschäft beispielsweise können momentan mehrere Jahre in Anspruch nehmen) und möchte eine Beschleunigung entsprechender Verfahren erreichen. 

In Deutschland zugelassene Kreditinstitute mit der Erlaubnis zum Betreiben des Kreditgeschäftes benötigen keine zusätzliche Erlaubnis für das Erbringen von Kreditdienstleistungen. Sie unterliegen allerdings ebenfalls dem KrDIG, wenn sie notleidende Kredite kaufen oder verkaufen. Noch unklar im Referentenentwurf ist die Behandlung von Drittstaatenzweigstellen (§§ 53, 53c KWG).

Europäischer Pass

Mit Umsetzung der Kreditzweitmarktrichtlinie besteht für zugelassene Kreditdienstleistungsinstitute auch die Möglichkeit, mit dem sog. Europäischen Pass grenzüberschreitend tätig zu werden. Dies umfasst einerseits die grenzüberschreitende Erbringung von Kreditdienstleistungen von Unternehmen mit Sitz in einem anderen Staat des EWR in Deutschland (Inbound), andererseits die grenzüberschreitende Erbringung von Kreditdienstleistungen durch in Deutschland zugelassene Kreditdienstleistungsinstitute in einen anderen Staat des EWR (Outbound). Die im KrDIG angelegte Systematik entspricht dabei grundsätzlich den bereits aus den §§ 24a und 53b KWG bekannten Regelungen und sieht entsprechende Aufsichtskompetenzen der BaFin sowohl für das In- als auch Outbound Geschäft vor.

Besondere Pflichten beim Kreditkauf und -verkauf

Das KrDIG enthält verschiedene Verhaltens-, Informations- und Meldepflichten für Verkäufer notleidender Kredite, Kreditkäufer und Kreditdienstleister. So hat beispielsweise das verkaufende Kreditinstitut einen potenziellen Kreditkäufer vor Abschluss einer Vereinbarung über den Erwerb eines notleidenden Kreditvertrags umfassend über den Kreditvertrag oder die Ansprüche hieraus zu informieren. Zudem müssen Kreditinstitute, die notleidende Kreditverträge auf einen Kreditkäufer übertragen, zweimal jährlich der BaFin und Bundebank Informationen zu den Kreditkäufern übermitteln. 

Da die Kreditkäufer keine neuen Kredite vergeben, sondern lediglich bestehende notleidende Kreditverträge auf eigenes Risiko kaufen, sieht die Kreditzweitmarktrichtlinie bzw. das KrDIG für diese Personen und Unternehmen keine Erlaubnispflicht vor. Der Kreditkäufer muss jedoch bei Abschluss einer Vereinbarung über den Erwerb eines notleidenden Kreditvertrags einen Kreditdienstleister beauftragen, um Kreditdienstleistungen im Zusammenhang mit dem notleidenden Kreditvertrag durchzuführen, sofern der Kreditvertrag mit einer natürlich Person oder einem KMU geschlossen worden ist. Beauftragt der Kreditkäufer einen Kreditdienstleister, so muss der Kreditkäufer der BaFin und Bundesbank spätestens an dem Tag, an dem die Erbringung der Kreditdienstleistungen beginnt, den Namen und die Anschrift des Kreditdienstleisters mitteilen. Zudem bestehen regelmäßige Mitteilungspflichten gegenüber den Aufsichtsbehörden. 

Inkassodienstleistungen

Da Kreditdienstleister einer umfassenden Aufsicht unterliegen und den weitreichenden Anforderungen des KrDIG genügen müssen, ist eine Geltung des RDG hinsichtlich der Kreditdienstleistungen aus Sicht des Gesetzgebers entbehrlich. Zur Vermeidung doppelter Aufsichtsstrukturen ist daher eine Bereichsausnahme aus dem RDG vorgesehen. Sofern Kreditdienstleister jedoch Inkassodienstleistungen i.S.d. Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) erbringen, die nicht Kreditdienstleistungen sind, sind insoweit die spezielleren Regelungen des RDG anzuwenden, so insbesondere die Informationspflichten gegenüber den Schuldnern dieser Forderungen. 

Anpassungen weiterer Finanzmarktgesetze

Über die Umsetzung der Kreditzweitmarktrichtlinie hinaus sind im Gesetzgebungsverfahren weitere Änderungen in Finanzaufsichtsgesetzen enthalten, deren Umsetzung sich aus Sicht des Gesetzgebers aus zeitlichem oder sachlichem Zusammenhang anbietet. Beispielsweise erfolgt eine Klarstellung in § 2c Abs. 1 KWG, wonach nunmehr auch gesetzlich ein Vollzugsverbot des Erwerbs oder der Erhöhung einer bedeutenden Beteiligung an einem Institut vor Freigabe der Transaktion durch die Aufsichtsbehörden besteht. Dies spiegelt das bisherige Verständnis der BaFin und die entsprechende Verwaltungspraxis wider, wenngleich dies in der Literatur regelmäßig angezweifelt wird. 

Hinweis: Prüfen, ob Geschäftstätigkeiten dem KrDIG unterfallen

Das Inkrafttreten des Gesetzes, insbesondere des KrDIG, ist (bereits) für den 30. Dezember 2023 vorgesehen. Der Zeitraum für das Gesetzgebungsverfahren ist somit äußerts knapp. Mit einem entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesregierung ist somit noch in dritten Quartal 2023 zu rechnen. 

Unternehmen, die im NPL-Markt tätig sind, sollten deswegen zeitnah prüfen, ob ihre Geschäftstätigkeiten zukünftige dem KrDIG unterfallen und wenn ja, so bald wie möglich mit der Vorbereitung ihrer Anträge auf die nach dem neuen System erforderliche Erlaubnis beginnen. Für bereits bei Inkrafttreten des Gesetzes tätige Unternehmen ist zumindest eine Übergangsregelung von sechs Monaten vorgesehen, in der die Kreditdienstleister ihre Tätigkeit nach derzeitigem Recht weiter ausüben können. Kreditkäufer wiederum sollten sich Gedanken über potenzielle Kreditdienstleister machen, die für den Erwerb eines notleidenden Kreditvertrags beauftragt werden können. 

Kreditinstitute sollten insbesondere prüfen, ob sie im Rahmen der Kreditverkäufe den neuen Vorgaben des KrDIG entsprechen und die Meldepflichten erfüllen können. Notwendige Anpassungen sollten zeitnah angestoßen werden.

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