Der Rat der Europäischen Union (Council) einigt sich auf ein "Capital Markets Recovery Package", u.a. mit Änderungen zu MiFID II (sog. MiFID "Quick Fix").
Mitte Dezember 2020 hat der Rat der Europäischen Union verschiedene Änderungen zur Europäischen Finanzmarktregulierung beschlossen. Dies betrifft insbesondere die Richtlinie 2014/65/EU (MiFID II). Zuvor hatte es vermehrt Kritik an dem MiFID II-Regelwerk gegeben, so dass die EU-Kommission im Februar 2020 ein Konsultationsverfahren zum MiFID II-Review startete. Jedoch soll der MiFID „Quick Fix″ die noch ausstehende grundlegende Überarbeitung der MiFID II („MiFID III″) nicht ersetzt. Ziel der EU-Kommission ist es vielmehr, mit dem Quick Fix kurzfristig einige wichtige Kritikpunkte zu beheben (ähnlich dem ebenfalls kürzlich erfolgten CRR „Quick Fix″ vor dem Hintergrund der Covid-19 Pandemie).
Neben Änderungen zum Anlegerschutz und dem Research sind insbesondere Anpassungen im Bereich der Warenterminmärkte vorgesehen. Damit soll sichergestellt werden, dass das weitere Wachstum des Marktes mit in EUR denominierten Warenderivaten nicht behindert wird. Dies ist vor allem für den Handel mit Energiederivaten relevant.
Nebentätigkeitsausnahme nach MiFID II für Warenhändler
Die MiFID II sieht in Art. 2 (1) j) eine Ausnahme für Warenhändler vor. Diese können unter bestimmten Voraussetzungen von der sog. Nebentätigkeitsausnahme Gebrauch machen, so dass die eigentliche Erlaubnispflicht (in Deutschland gemäß § 32 Kreditwesengesetz (KWG)) entfällt. Die entsprechenden Regelungen in der deutschen Umsetzung der MiFID II finden sich in den § 2 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 6 Satz 1 Nr. 11 und § 32 Abs. 1a Satz 3 Nr. 3 KWG. Gegenstand von Geschäften, für die die Nebentätigkeitsausnahme in Anspruch genommen werden kann, können allerdings nur Warentermingeschäfte, Emissionszertifikate und Derivate auf Emissionszertifikate sein.
Nebentätigkeitstest
Das Vorliegen einer Nebentätigkeit regelt sich bisher nach der Delegierten Verordnung (EU) 2017/592. Die European Securities and Markets Authority (ESMA) hatte auf Grundlage des Art. 2 (4) MiFID II entsprechende Kriterien ausgearbeitet, nach denen eine Tätigkeit als Nebentätigkeit zur Haupttätigkeit gilt. Unternehmen, die eine oder mehrere der Nebentätigkeitsausnahmen in Anspruch nehmen wollen, haben bisher zwei Tests durchzuführen, den sog. Marktanteilstest und den sog. Main Business Test (Art. 2 und 3 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/592). Hierbei kommt es allein auf quantitative Kriterien an, d.h. es werden (vereinfacht gesagt) eigene spekulative Handelstätigkeiten ins Verhältnis zur gesamten Handelstätigkeit der Unternehmensgruppe sowie spekulative Handelstätigkeiten der Unternehmensgruppe ins Verhältnis zur gesamten Markthandelstätigkeit in der EU gesetzt. Je nach Ergebnis gelten dann verschiedene Schwellenwerte in Bezug auf die einzelnen Anlageklassen.
Anpassungen durch MiFID II Quick Fix
Im zugrundeliegenden Vorschlag der EU-Kommission zum MiFID II Quick Fix vom 24.7.2020 war vorgesehen, dass Marktteilnehmer, die von der Ausnahme für Warenhändler nach Art. 2 (1) j) MiFID II Gebrauch machen wollen, künftig nur noch einen vereinfachten Nebentätigkeitstest durchführen müssen. Insbesondere sollten alle quantitativen Kriterien gestrichen und durch eine rein qualitative Beurteilung ersetzt werden. Dem ist der Rat der Europäischen Union indes nicht gefolgt. Vielmehr ist nunmehr eine Kombination aus quantitativen und qualitativen Kriterien vorgesehen.
Aus diesem Grund soll die EU-Kommission nunmehr bis zum 31. Juli 2021 Delegierte Rechtsakte erarbeiten, wann eine Tätigkeit als Nebentätigkeit zur Haupttätigkeit der Unternehmensgruppe anzusehen ist. Dabei soll als maßgebliche Kriterien berücksichtigt werden, ob der ausstehende Nominalbetrag von Risikopositionen in Warentermingeschäften, Emissionszertifikaten und Derivaten auf Emissionszertifikate für ein finanzielles Settlement in der EU, mit Ausnahme von Warentermingeschäften, Emissionszertifikaten und Derivaten auf Emissionszertifikate, die auf einem Handelsplatz gehandelt werden, unterhalb des jährlichen Schwellenwertes von EUR 3 Mrd. liegt, oder ob das seitens der Unternehmensgruppe, zu der das Unternehmen gehört, eingesetzte Kapital überwiegend der Haupttätigkeit der Unternehmensgruppe zuzuordnen ist, oder ob der Umfang dieser (spekulativen) Aktivitäten nicht den Umfang der anderen Handelsaktivitäten auf Ebene der Unternehmensgruppe übersteigt.
Weiterhin ausgenommen bleiben sollen gruppeninterne Geschäfte, Absicherungsgeschäfte (Hedging) sowie Transaktionen zur Liquiditätsversorgung von Handelsplätzen.
Anzeige der Inanspruchnahme gegenüber der BaFin
Bisher müssen Unternehmen, die die Nebentätigkeitsausnahme in Anspruch nehmen möchten, dies der BaFin schriftlich anzeigen (wegen der Covid19-Pandemie kann die bis auf Weiteres allerdings auch per E-Mail erfolgen). Darin sind auch die Haupttätigkeit des Unternehmens sowie die KWG-Vorschrift, auf die sich das anzeigende Unternehmen beruft, anzugeben. Die BaFin veröffentlicht auf Ihrer Homepage eine Liste der Unternehmen, die die Inanspruchnahme der Nebentätigkeitsausnahme angezeigt haben.
Diese Vorgabe der jährlichen Meldung der Inanspruchnahme der Nebentätigkeitsausnahme gegenüber der zuständigen Aufsichtsbehörde ist im MiFID II Quick Fix nicht mehr enthalten. Eine entsprechende Mitteilung soll vielmehr nur noch auf Anfrage der zuständigen Aufsichtsbehörde notwendig sein. Dies erscheint nachvollziehbar, da die jährlichen Meldungen in der Praxis häufig für mehr Verwirrung als Mehrwert seitens der Aufsichtsbehörden sorgen.
Weitere Umsetzung: Geltung der Neuregelungen ab 2022
Die Änderungen im Rahmen des MiFID „Quick Fix″ müssen nunmehr vom EU Parlament verabschiedet werden bevor sie anschließend im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden. Es ist vorgesehen, dass die EU-Mitgliedstaaten die Änderungen 12 Monate nach ihrem Inkrafttreten anwenden.
Marktteilnehmer, die bereits heute von der Nebentätigkeitsausnahme Gebrauch machen oder dies für zukünftige Handelsaktivitäten im Bereich des Energiehandels planen, sollten somit damit rechnen, dass die Neuregelungen ab dem ersten Quartal 2022 zur Anwendung kommen.