Digitale Akte, papierloses Büro oder doch lieber alles schwarz auf weiß ins Gericht tragen? Der nicht immer einfache Spagat zwischen Tradition und Fortschritt beschäftigte nun am Rande eines Strafverfahrens das OLG Celle (Az.: 1 Ws 415/11 – 418/11).
In einem Strafverfahren erhielten die beiden Pflichtverteidiger im Rahmen der Akteneinsicht CDs, auf denen als Textdateien Übersetzungen von insgesamt 81.900 überwachten Telefongesprächen enthalten waren. Die beiden Verteidiger griffen zum Drucker und druckten sich die Textdateien aus: Jeweils 43.307 Seiten! Im Rahmen der Auslagenerstattung nach Nr. 7000 VV RVG machte jeder Verteidiger einen Betrag in Höhe von EUR 6.513,55 zuzüglich 19% Mehrwertsteuer für das Anfertigen der Ausdrucke geltend. Nachdem die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Kostenerstattungsanträge mit der Begründung ablehnte, dass die Dateien auch am Bildschirm (statt als Ausdrucke) hätten angesehen werden können, musste sich das LG Hannover im Rechtsmittelverfahren mit dem Kostenerstattungsantrag auseinandersetzen.
Das LG Hannover kam zwar zu dem Schluss, dass das Lesen von 43.307 Seiten am Computerbildschirm unzumutbar sei. Beide Strafverteidiger seien allerdings in einer Bürogemeinschaft tätig, so dass es nach Auffassung des LG Hannover ausreichend gewesen wäre, die Datensätze nur einmal auszudrucken und nach Durchsicht untereinander auszutauschen. Daher sei den beiden Verteidigern jeweils nur die Hälfte der geltend gemachten Auslagen zu erstatten. Gegen diese Entscheidung wandten sich sowohl die nach der Entscheidung des LG Hannover teilweise erstattungspflichtige Landeskasse als auch die Verteidiger selbst.
Das OLG Celle bestätigt grundsätzlich die Auffassung, dass das Lesen von 43.307 Seiten am Bildschirm unzumutbar sei. Allerdings beschränke es die Verteidigung in unzulässiger Art und Weise, wenn man von den beiden Verteidigern verlange, dass die Ausdrucke untereinander hätten austauschen sollen. Dennoch möchte auch das OLG Celle die Landeskasse mit einer vollen Auslagenerstattung zugunsten der beiden Verteidiger belasten: Das OLG Celle erweist sich als Hardware-affin, indem es den „zwei in eins″-Druck als zumutbar anordnet. Zwar dürfe jeder Verteidiger alle Dateien komplett für sich ausdrucken, ohne dem Anspruch auf Auslagenerstattung verlustig zu gehen. Dabei hätte er jedoch jeweils zwei Seiten um die Hälfte verkleinert im Querformat auf ein DIN A4-Blatt drucken können.
Zumindest Strafverteidiger haben nun schwarz auf weiß, welche Druckereinstellungen das OLG Celle im Rahmen der Auslagenerstattung für akzeptabel hält. Und nicht zuletzt aus umweltpolitischen Gründen bleibt ohnehin zu hoffen, dass 43.307 Seiten ohnehin die Ausnahme bleiben.