19. Juli 2023
Einziehung Beschlagnahme Kryptowährung
Compliance

Einziehung und Beschlagnahme von Kryptowährungen

Einziehung und Beschlagnahme von Kryptowährungen beschäftigen immer häufiger die Strafjustiz sowie Geschädigte und Beschuldigte von Strafverfahren.

Die Vorschriften über die Einziehung nach den §§ 73 ff. StGB dienen dem Staat der Abschöpfung von rechtswidrig erlangten Vermögensvorteilen aus Straftaten. Die Vorschriften bezwecken, dem Täter* den Anreiz zur Tatbegehung zu nehmen. Straftaten sollen sich nicht lohnen (crime must not pay), weshalb es das erklärte staatliche Ziel ist, sämtliche Taterträge – sowohl beim Täter als auch bei involvierten Dritten – wieder „abzuschöpfen“.

In diesem Zusammenhang gelangen auch immer öfter Kryptowährungen – wie beispielsweise Bitcoin, Ether oder Monero – in das Fadenkreuz der Ermittler. Wenngleich die Rechtsnatur von Kryptowährungen noch nicht abschließend geklärt ist, hat der BGH bereits mehrfach entschieden, dass auch Kryptowährungen als Vermögensvorteile der Einziehung bzw. Wertersatzeinziehung nach den §§ 73 ff. StGB unterliegen, sofern sie durch Straftaten erlangt wurden. Somit können Unternehmen, die durch Straftaten geschädigt wurden, von Einziehungsentscheidungen profitieren; § 459h StPO gewährt ihnen einen Anspruch auf Entschädigung mittels eingezogener Gegenstände gegen den Staat. Insgesamt steckt das Themenfeld noch „in den Kinderschuhen“ und es besteht daher viel Argumentations-bzw. Handlungsspielraum für Strafjustiz, Beschuldigte und Geschädigte. 

Die Einziehung von Kryptowährungen ist in der Praxis der Strafjustiz angekommen

Im Zuge der sich ausweitenden Einziehungspraxis in Bezug auf Kryptowährungen hat die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main bereits im Dezember 2021 mit einem privaten Bankhaus eine Rahmenvereinbarung zur Verwertung von Kryptowährungen im Wege des freihändigen Verkaufs abgeschlossen, um eingezogene oder beschlagnahmte inkriminierte Kryptowährungen handeln zu können. Anlass hierfür war die Beschlagnahme von mehr als 2.200 Bitcoins und neun weiteren Kryptowährungen in unterschiedlicher Stückzahl im damaligen Wert von fast EUR 100,0 Mio. 

Der Fall zeigt, dass Beschlagnahme und Einziehung von Kryptowährungen längst im Alltag der Strafjustiz angekommen ist.

Für Geschädigte von Vermögensstraftaten ist schnelles Handeln gefragt

Aus Sicht eines Geschädigten von Straftaten mit Bezug zu Kryptowährungen ist in der Regel schnelles Handeln besonders wichtig. Dies gilt natürlich, wenn einem Geschädigten durch Straftaten eine Kryptowährung unmittelbar entzogen wird. Oftmals besteht der Bezug zum Kryptomarkt aber auch dergestalt, dass Täter versuchen, ihre Tatbeute in Kryptowährungen umzutauschen, um die Nachverfolgung des Geldes zu erschweren. Dies ist gerade bei Betrugsfällen, wie den in vielen Unternehmen aus leidvoller Erfahrung bekannten CEO Fraud oder Fake President Fraud Fällen, oftmals zu beobachten. Gleiches gilt für Erpressungsfälle (Ransomware bzw. Einspielen von Schadprogrammen durch den Erpresser). Auch hier gilt es, schnell zu handeln.

Auch wenn die Täter die Kryptowährungen häufig zunächst durch viele Transaktionen auf viele Wallets verteilen, lassen sich die Transaktionen in der öffentlichen Blockchain nachvollziehen. Regelmäßig wird am Ende die (Rück-)Umwandlung in herkömmliches Geld das Ziel der Täter bleiben. Hierfür müssen die Kryptowährungen über Kryptobörsen in Geld umgetauscht werden. Da die Kryptobörsen in der Regel eine Verifizierung des Nutzers verlangen, könnten sich spätestens an dieser Stelle Anknüpfungspunkte für Ermittlungsmaßnahmen finden. Die Erfolgsaussichten „Stehen und Fallen“ hier oft mit der Handlungsschnelligkeit der Geschädigten. Gelingt es den Strafverfolgungsbehörden, die Kryptowährungen zu beschlagnahmen und einzuziehen, so kann der Geschädigte vom Staat insoweit nach § 459h StPO Entschädigung verlangen und sich schadlos halten.

Art und Weise der Einziehung – Originaleinziehung oder Einziehung von Wertersatz

Im jeweiligen Einziehungsfall ist zu klären, ob die Kryptowährungen im Wege der Originaleinziehung nach § 73 StGB oder der Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB einzuziehen sind. Grundsätzlich gilt, ist der Tatertrag noch im Original vorhanden, so ist eine Originaleinziehung beim Täter durchzuführen. Eine Einziehung von Wertersatz findet demgegenüber nach § 73c StGB dann statt, wenn die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich ist.

Aufgrund der hohen Kursschwankungen von Kryptowährungen kann es mitunter einen großen Unterschied ausmachen, ob eine Original- oder Wertersatzeinziehung stattfindet. Während bei der Originaleinziehung die Kryptowährungen selbst der Einziehung (und anschließenden Verwertung) unterliegen, kommt es bei der Wertersatzeinziehung – die an die Unmöglichkeit der Originaleinziehung anknüpft – auf die Bewertung der Kryptowährung im Zeitpunkt des Eintritts der Unmöglichkeit an. Spätere Wertzugewinne oder Wertverluste bleiben für die Bestimmung der Höhe der Wertersatzeinziehung in der Regel außer Betracht. Die Unmöglichkeit tritt grundsätzlich bei jeder Transferierung der Kryptowährungen ein, da hierdurch die wertzuweisenden Informationen verändert werden bzw. sie der Zugriffsmöglichkeit des Einziehungsadressaten entzogen werden. Ein weiterer großer Unterschied ist, dass auf Basis der Wertersatzeinziehung in sämtliche Vermögensgegenstände des Betroffenen vollstreckt werden kann, während sich die Originaleinziehung lediglich auf die konkreten Einziehungsgegenstände wie die Kryptowährungen bezieht.

Entscheidungen des BGH zur Original- oder Wertersatzeinziehung

Im Rahmen einer Entscheidung aus dem Jahr 2017 (Beschluss v. 27. Juli 2017 − 1 StR 412/1) befasste sich der BGH mit der Strafbarkeit des illegalen Bitcoinschürfens unter Inanspruchnahme fremder Computer nach §§ 202a, 303a StGB. In der Entscheidung führte der BGH aus,

dass die Bitcoins aus der Tat, nämlich der Datenveränderung gemäß § 303 a StGB erlangt wurden (seien) und gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 aF StGB dem Verfall unterliegen (würden).

Im Fall nutze der Täter nach 120 Sekunden Inaktivität des Computersystemnutzers die Rechnerleistung der Grafikkarte des Computersystemnutzers für eigene Rechenoperationen, um Bitcoins zu schürfen. Durch die Nutzung der Rechenleistung seien dem Täter 1.816 Bitcoins ohne jeden weiteren Zwischenschritt zugeflossen, mithin unmittelbar durch die – während der Nutzung der fremden Rechnerkapazitäten – andauernde Verwirklichung des Tatbestandes der Datenveränderung gemäß § 303a Abs. 1 StGB. Die Entscheidung des BGH erging zwar noch auf Basis der alten Rechtslage, sie ist aber auf die aktuelle Rechtslage im Hinblick auf § 73 StGB ohne Weiteres übertragbar.

In einer jüngeren Entscheidung aus dem Jahr 2022 betonte der BGH (Beschluss v. 22. September 2022 – 3 StR 175/22), dass Kryptowährungen gemäß § 73 Abs. 3 StGB als Surrogat eingezogen werden können, soweit der Täter die Kryptowährungen mit Geldern aus konkreten Straftaten erwarb, für die er verfolgt wird. Der BGH hatte hier einen Fall zu entscheiden, in dem es um Betäubungsmittelgeschäfte des Täters und die daran anknüpfende Frage ging, ob die Kryptowährungen mit Geldern aus den konkreten Betäubungsmittelgeschäften erworben wurden. In diesem Fall finde ebenfalls keine Wertersatzeinziehung statt, sondern die Kryptowährungen würden selbst eingezogen werden.

In einer weiteren Entscheidung des Jahres 2022 bestätigte der BGH (Beschluss v. 2. Juni 2022 – 2 StR 12/22) die grundsätzliche Möglichkeit der Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB. In diesem Fall betrieben die Täter eine Verkaufsplattform im Darknet, über die vor allem Betäubungsmittel gehandelt werden konnten. Zur Abwicklung der Bezahlverfahren betrieben die Täter einen eigenen Bitcoin-Server, auf dem Einmal-Bitcoin-Adressen in vier marktplatzeigenen Wallets verwaltet wurden. Zunächst zahlten die Käufer den Kaufpreis auf ein marktplatzeigenes Wallet ein. Von dort leiteten die Täter die Geldern abzüglich Provision an den Verkäufer weiter und zahlten sich monatlich ein- bis zweimal etwa die Hälfte des Kontostandes zu gleichen Teilen auf ihre privaten Wallets. Der BGH führte aus, dass die Täter jederzeitigen Zugriff auf die marktplatzeigenen Wallets und damit die faktische Verfügungsgewalt über die erlangten Vermögensgegenstände – die Bitcoins – gehabt hätten. Daher hätten die Täter die Kryptowährungen bereits bei Transferierung auf die marktplatzeigenen Wallets erlangt, woran sich die Wertersatzeinziehung anknüpfen könne. Man ging in der Entscheidung deshalb von Wertersatzeinziehung aus, da die Kryptowährungen von den marktplatzeigenen Wallets an Verkäufer und private Wallets der Täter weitertransferiert wurden, weshalb eine Originaleinziehung ausschied. 

Vorläufige Sicherung der späteren Einziehung / Möglichkeit der Entschädigung für zu Unrecht Verfolgte

Da die Einziehungsentscheidung nach den §§ 73 ff. StGB immer erst im Strafurteil bzw. Strafbefehl ausgesprochen wird, können bis zu der Einziehungsentscheidung mitunter viele Jahre vergehen. Um zu verhindern, dass die Kryptowährungen zuvor dem staatlichen Zugriff entzogen werden, stehen den Verfolgungsbehörden Mittel zur vorläufigen Sicherung nach §§ 111b ff. StPO zur Verfügung. Konkret können Bitcoin oder sonstige Kryptowährungen beschlagnahmt oder arrestiert werden. Beschlagnahme und Vermögensarrest werden grundsätzlich durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug ausnahmsweise auch durch die Staatsanwaltschaft, angeordnet. Dem von der Sicherungsmaßnahme betroffenen steht gegen die Anordnung der Rechtsbehelf der Beschwerde nach § 304 StPO zur Verfügung.

Wird der Betroffene später freigesprochen, das Verfahren gegen ihn eingestellt oder lehnt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn ab, so kann ihm ein Entschädigungsanspruch nach § 2 StrEG gegen die Staatskasse zustehen. Der Umfang der Entschädigung richtet sich dabei grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln des Zivilrechts (§§ 249 ff. BGB). Ersatzfähig kann auch der entgangene Gewinn aus Spekulationsgeschäften sein, die der Betroffene wegen der Sicherung der Kryptowährungen nicht vornehmen konnte. Hierfür muss der Betroffene schlüssig darlegen, zu welchem Zeitpunkt er eine gewinnbringende Transaktion ohne die Beschlagnahme vorgenommen hätte. 

Schwierigkeit der Vollstreckung von Einziehungsentscheidungen und vorläufigen Maßnahmen

Während sowohl die vorläufige Sicherung der Einziehung nach §§ 111b ff. StPO als auch die Einziehung selbst nach den §§ 73 ff. StGB ohne größere Schwierigkeiten angeordnet werden können, stellt die Vollstreckung solcher Anordnungen die Strafverfolgungsbehörden mitunter vor große Herausforderungen.

Die aus dem sog. Public Key abgeleitete Wallet-Adresse kann als eine Art Kontonummer oder öffentliches Profil betrachtet werden, auf welches Krypto-Transaktionen eingehen können, während nur der sog. Private Key den Zugriff auf die Kryptowährung ermöglicht. Da sich die Verfügungsgewalt aus dem Innehaben des Private Key ergibt, muss dieser im Rahmen der Vollstreckung grundsätzlich dem Täter „entzogen“ werden.**

Einfach gestaltet sich der Vollstreckungszugriff, wenn die Kryptowährungen auf typischen Kryptobörsen gehalten werden. Auf zentralisierten Kryptobörsen – wie beispielsweise Coinbase oder Binance – gehaltene Kryptowährungen werden treuhänderisch für den Berechtigen verwaltet, welcher regelmäßig selbst die Private Keys gar nicht kennt. Daher kann bei der Sicherung an die aus der Vertragsbeziehung erwachsenden Rechte des Täters gegen die Kryptobörse angeknüpft werden. Das Verfahren dürfte daher im Ergebnis einer typischen Kontopfändung nicht unähnlich sein. 

Sehr schwierig ist es demgegenüber bei Kryptowährungen, die auf selbstverwalteten Wallets (sog. Unhosted Wallets) gehalten werden. Um die Kryptowährungen auf den Staat zu übertragen bzw. zu sichern, gibt es hier grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder werden die Kryptowährungen zum Staat transferiert oder der Private Key wird eingezogen und in einer behördeneigenen Wallet verwaltet. Beides setzt aber voraus, dass den Behörden neben dem Public Key auch der Private Key bekannt ist. Der jeweilige Nutzer kann den Private Key aber auch offline auf einem USB-Stick, Papier oder schlicht im Gedächtnis aufbewahren. In diesem Fall können die Behörden auf die Mithilfe des Betroffenen angewiesen sein. Ist der Private Key unbekannt und schweigt der Betroffene hierzu, so hat die Staatsanwaltschaft schlicht keine Möglichkeit, die Kryptowährungen zu sichern. Dies zeigt eindrucksvoll der bekannte „Chemical Love“-Fall der Staatsanwaltschaft Koblenz. Sie hatte ohne Kenntnis des Private Key die Beschlagnahme des Wallets des Täters anordnen lassen. Später musste sie dann dabei zusehen, wie unbekannte Dritte 753 der 757 „beschlagnahmten“ Bitcoins weitertransferierten.

Grundsätzlich keine Erzwingungsmöglichkeit zur Preisgabe der Private Keys

Ist der Private Key den Behörden unbekannt, so besteht regelmäßig auch keine rechtlich zulässige Möglichkeit, dessen Herausgabe zu erzwingen. Es handelt sich bei der Vermittlung der Kenntnis dieser Daten um eine unvertretbare Handlung. Zwar sieht das Gesetz für den Fall der Vornahme der unvertretbaren Handlung nach §§ 459g Abs. 3, 111f Abs. 1 S. 2 StPO, 928 ZPO i.V.m. § 888 Abs. 1 ZPO grundsätzlich vor, dass auf den Willen des Betroffenen etwa durch Zwangsgeld oder Zwangshaft eingewirkt werden kann. Rein praktisch dürfte dies aber nur in ganz seltenen Fällen in Betracht kommen, da in der Regel ein Konflikt mit der Selbstbelastungsfreiheit des Betroffenen nicht ausgeschlossen werden kann. Durch die Mitteilung des Private Key müsste der Betroffene die Wallet als seine eigene bezeichnen oder zumindest die Möglichkeit des Zugriffs darauf einräumen.

In diesem Fall bestünde für die Behörden einzig die Möglichkeit, über eine Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB auf sonstige Vermögenswerte des Täters zuzugreifen, falls solche vorhanden sind. Ist die Kryptowährung an sich noch beim Täter vorhanden, hat aber eigentlich eine Originaleinziehung nach § 73 StGB stattzufinden, während eine Wertersatzeinziehung für diesen Fall derzeit im Gesetz eigentlich nicht eindeutig angelegt ist. Es bleibt abzuwarten, wie die Ermittlungsbehörden und Gerichte mit solchen Fällen künftig umgehen werden.

Handlungsempfehlung: Schnelle und umfangreiche Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden bzw. sorgfältige Prüfung der Verteidigungsmöglichkeiten 

Aufgrund der großen Komplexität von Fragestellungen im Zusammenhang mit der Einziehung von Kryptowährungen oder Straftaten mit Bezug zum Kryptomarkt, sollten sich Betroffene möglichst frühzeitig rechtlichen Rat einholen. Da die Einziehung und die vorläufige Sicherung der Einziehung nach wie vor „in den Kinderschuhen steckt“, ist es hier besonders wichtig, die staatlichen Ermittlungsbehörden auf relevante Umstände hinzuweisen, ihnen je nach eigener Perspektive Hilfestellung zu leisten und ggf. intensiv mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Dies gilt besonders aus Sicht eines Geschädigten, wenn es um die Ermittlung, Sicherung und Rückgewinnung von abhanden gekommenen Vermögen geht. Aber auch aus der Perspektive eines Beschuldigten oder sonstigen Betroffenen des Strafverfahrens gilt es vor dem Hintergrund der schwierigen Rechtslage sehr sorgfältig die Verteidigungsmöglichkeiten zu prüfen.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

** Bei den jeweiligen Kryptowährungen können sich hier Abweichungen ergeben.

Tags: Beschlagnahme Bitcoin blockchain Compliance Einziehung Kryptowährung Strafrecht