Künftig wird zur Verschärfung der Korruptionsbekämpfung jede unzulässige Interessenvertretung durch Mandatsträger:innen unter Strafe stehen.
Am 17. Mai 2024 hat der Gesetzesentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit der unzulässigen Interessenwahrnehmung den Bundesrat in seiner 1044. Sitzung passiert (Bundesrat Drucksache 198/24). Der Deutsche Bundestag hatte das Gesetz bereits am 25. April 2024 verabschiedet.
Es wird nunmehr der neue Straftatbestand der unzulässigen Interessenwahrnehmung geschaffen (§ 108f StGB-E), der den unzulässigen Einflusshandel durch Mandatsträger:innen auch dann unter Strafe stellt, wenn dieser auf eine Interessenwahrnehmung außerhalb der Mandatswahrnehmung abzielt. Damit einher geht eine Änderung des Strafgesetzbuches (StGB) im Hinblick auf die Korruptionstatbestände für Mandatsträger:innen.
Bisherige Rechtslage bestraft nur korruptes Verhalten bei unmittelbarer Mandatswahrnehmung im parlamentarischen Kontext
Nach dem bislang geltenden Recht ist eine Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträger:innen bereits schon strafbar. Allerdings verlangt der bisherige Korruptionstatbestand des § 108e StGB, dass sich ein:e Abgeordnete:r dafür bezahlen lässt, eine bestimmte Handlung „bei Wahrnehmung des Mandates“ vorzunehmen. Hierunter fallen lediglich unmittelbare Mandatstätigkeiten, wie die parlamentarische Arbeit durch Reden im Plenum oder Verhandlungen und Abstimmungen im parlamentarischen Ausschuss. Nur wenn bei dieser direkten Mandatsausübung im Auftrag oder auf Weisung einer anderen Person zur eigenen Bereicherung des:r Mandatsträgers:in agiert wird, liegt nach aktuell geltendem Recht ein strafbares Verhalten vor. Der Tatbestand des § 108e StGB erfasste demnach nur einen engen Anwendungsbereich der Korruptionsbekämpfung im Mandatsverhältnis. Bestraft wurden in der Folge lediglich Fälle schwerster Korruption.
Unzureichende Korruptionsbekämpfung sichtbar durch sog. Maskenaffäre
Nicht abgedeckt werden durch die bisherige Fassung des Strafgesetzbuches Fälle korrupter Verhaltensweisen, die zwar nicht die unmittelbare Mandatsausübung betreffen, jedoch hiermit im unmittelbaren Zusammenhang stehen und die sonstige Arbeit der Politiker:innen betreffen. Eine Strafwürdigkeit solcher Verhaltensweisen wird insbesondere in der Ausnutzung der besonderen Autorität und Stellung des:r Inhabers:in des Mandats zur eigenen Bereicherung gesehen. Ein solches Verhalten schadet der Integrität des Rechtsstaates sowie des politischen Prozesses und führt zu einem Vertrauensverlust und Demokratieverdruss der Bevölkerung.
Rechtpolitischen Aufwind erhielt die bereits früher angeregte Schließung der Strafbarkeitslücke durch die sogenannte Maskenaffäre. Mehrere Bundestags- und Landtagsabgeordnete der CDU und CSU hatten sich während der COVID-19-Pandemie 2020 und 2021 durch die lukrative Vermittlung von Atemschutzmasken an staatliche Stellen persönlich bereichert. Dabei flossen teils Provisionszahlungen in Millionenhöhe. Eine Strafbarkeit nach § 108e StGB scheiterte nach zutreffender Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Juli 2022 daran, dass die Vermittlung der Maskendeals nicht eine unmittelbare Mandatsausübung und damit nicht „bei Wahrnehmung des Mandats“ erfolgt waren. Trotz einer Hochstufung des § 108e StGB zum Verbrechen im Oktober 2021 konnte der Gesetzgeber dieser Form von korruptem Verhalten durch die bestehende Rechtslage nicht Herr werden. Es kam trotz massivem Störgefühl in der Gesellschaft zu einem Freispruch der betroffenen Abgeordneten. Die Gesetzesbegründung der neuen Strafvorschrift beschreibt dieses Störgefühl anschaulich:
Wenn Mandatsträger die ihnen im Interesse des Allgemeinwohls anvertraute Position durch Einflusshandel derart zum eigenen Vorteil ausnutzen, kann dies das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie und ihre Mandatsträger unterlaufen.
Neuer Straftatbestand § 108f StGB-E sanktioniert unzulässige Interessenwahrnehmung
Der Gesetzgeber hatte sich in den vergangenen Monaten daher auf die Fahne geschrieben, die Korruptionsbekämpfung auch im Bereich der Mandatsträger:innen auszuweiten und zu verschärfen: Es entstand der Vorschlag eines neuen Straftatbestandes, welcher neben den schon bestehenden § 108e StGB treten soll. Die neue Strafvorschrift § 108f StGB-E sieht nun konkret vor, die bestehende Strafbarkeitslücke zu schließen und dient zudem der Erreichung des in der UN-Agenda 2030 festgelegte Nachhaltigkeitsziels der Bekämpfung von Korruption.
Träger:innen eines Mandates im Sinne des neuen Straftatbestandes sind alle Mitglieder:innen einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder, des Europäischen Parlaments und der parlamentarischen Versammlung einer internationalen Organisation.
Mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe werden demnach gemäß § 108f Abs. 1 StGB-E Mandatsträger:innen bestraft, die für Handlungen, die sie während des Mandates vornehmen, eine ungerechtfertigte finanzielle Gegenleistung für sich oder eine:r Dritte:n für die Wahrnehmung fremder Interessen fordern, sich versprechen lassen oder annehmen (Bestechlichkeit). Umfasst sind damit auch Fälle, in denen Abgeordnete gegen Bezahlung ihre Kontakte und Beziehungen oder allein ihre Stellung als Mandatsträger:innen ausnutzen, um Verwaltungsabläufe zu beeinflussen. Auch die Vermittlung von Geschäften an ein Ministerium zur persönlichen Bereicherung stellt damit in Zukunft ein strafbewehrtes Verhalten dar. Irrelevant ist nach dem neuen Tatbestand ferner, ob die wahrgenommenen fremden Interessen solche des:r Vorteilsgebers:in oder eines:r Dritten betreffen.
Gleichermaßen wird durch § 108f Abs. 2 StGB-E in Zukunft bestraft, wer in einer solchen Konstellation dem:r Mandatsträger:in spiegelbildlich die finanzielle Gegenleistung anbietet, verspricht oder gewährt (Bestechung).
Die Strafandrohung der neuen Norm liegt unter der des § 108e StGB, da der neue § 108f StGB-E ein Korruptionsvorfeldbekämpfungsdelikt darstellt. Dies ist auch die Begründung für diverse weitere Unterschiede in den Feinheiten des neuen Tatbestandes, wie etwa der Begrenzung der strafbewehrten Vorteile auf Vermögensvorteile sowie die Nichtgeltung des Tatbestandes für Mandatsträger:innen in der Bundesversammlung oder Volksvertretungen kommunaler Gebietskörperschaften.
Das Gesetz zur Strafbarkeit unzulässiger Interessenwahrnehmung kann nun ausgefertigt und verkündet werden und wird als neuer § 108f StGB-E am Tag nach der Verkündung, in Kraft treten.