30. August 2022
Strafantrag stellen
Compliance

Kleine Fehler, große Folgen: Wirksam Strafantrag stellen

Die Anforderungen an die Strafantragstellung werden in der Praxis oft unterschätzt – wir stellen die Voraussetzungen und einige typische Fehlerquellen vor.

Ein kürzlich veröffentlichter Beschluss des 5. Strafsenates des Bundesgerichtshofes (BGH, Beschluss v. 12. Mai 2022 – 5 StR 398/21) verdeutlicht einmal mehr, dass es beim Stellen von Strafanträgen immer wieder zu schwerwiegenden Fehlern kommt. Dies zeigen auch die Beobachtungen der Autoren aus der Praxis. 

Die Fehler bei der Antragstellung haben oftmals fatale Folgen, nämlich dass die Verfolgung bestimmter Straftaten ausgeschlossen ist. Unterlaufen Unternehmen beim Stellen von Strafanträgen derartige Fehler, kann ihrem Strafverfolgungsinteresse letztlich keine Rechnung getragen werden. Die Strafverfolgungsbehörden führen keine Ermittlungen durch und das Aufklärungsbedürfnis der Unternehmen bleibt unbefriedigt. In Gerichtsprozessen gegen die mutmaßlichen Täter* haben sie dann mit Erkenntnisdefiziten und Beweisnot zu kämpfen.

All dies kann vermieden werden, wenn beim Stellen des Strafantrages die notwendige Sorgfalt aufgebracht wird.    

Strafanzeige und Strafantrag

Zunächst zur Begrifflichkeit: Es gibt die Strafanzeige und es gibt den Strafantrag. Die Unterschiede beider Rechtsinstitute sind erheblich. Die Strafanzeige ist die Information der Strafverfolgungsbehörden über einen möglicherweise strafbaren Sachverhalt. Sie soll die Ermittlungen anstoßen. Dem Strafantrag kommt hingegen weitergehende Bedeutung zu. Er ist oftmals Voraussetzung dafür, dass eine Straftat überhaupt verfolgt werden kann. Denn zahlreiche Straftaten werden nur auf Antrag verfolgt. 

Das Strafantragsrecht ist im Strafgesetzbuch, in der Strafprozessordnung und zahlreichen Nebengesetzen geregelt. Unter den Straftatbeständen finden sich zahlreiche sog. absolute oder relative Antragsdelikte. Deren Verfolgbarkeit ist vom Vorliegen eines wirksam gestellten Strafantrages abhängig. Bei den absoluten Antragsdelikten gilt dies ohne Ausnahme. Bei den relativen Antragsdelikten ist das Antragserfordernis aufgeweicht: Sie können in Ausnahmefällen auch ohne Antrag verfolgt werden, sofern ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.

Gesetz sieht absolute und relative Antragsdelikte vor

Klassische absolute Antragsdelikte sind bspw. die Beleidigung und der Hausfriedensbruch. Zu den klassischen relativen Antragsdelikten zählen etwa die Körperverletzung und die Sachbeschädigung.

Aber auch im Wirtschaftsstrafrecht finden sich zahlreiche Antragsdelikte, die die Bedeutung des wirksamen Strafantrags im Wirtschaftsleben unterstreichen. Antragserfordernisse bestehen z.B. auch bei Betrug und Untreue, sofern es nur um geringwertige Vermögensschäden geht, oder bei Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr. Besondere praktische Relevanz haben zudem Antragsdelikte, die den unberechtigten Zugriff auf Daten und Informationen, deren Verwendung oder Änderung betreffen. Hierzu gehören insbesondere die Verletzung des Steuergeheimnisses und der Vertraulichkeit des Wortes (absolute Antragsdelikte) sowie das Ausspähen von Daten, die Computersabotage oder Datenveränderung (relative Antragsdelikte).   

Auch im Nebenstrafrecht, etwa im Urheberrechtsgesetz oder im Geschäftsgeheimnisgesetz, finden sich Antragsdelikte, die für Unternehmen von hoher Relevanz sein können.

Strafanträge müssen form- und fristgerecht gestellt werden

Während der Anzeigeerstatter bei der Strafanzeige keine besonderen Wirksamkeitsanforderungen zu beachten hat, verhält es sich beim Strafantrag anders. Wenn das Gesetz einen Strafantrag vorschreibt, muss dieser form- und fristgerecht von der antragsberechtigten Person gestellt werden, damit es überhaupt zu einer Strafverfolgung kommen kann. Fehlt es am wirksam gestellten Strafantrag und kann dieser nach Ablauf der Antragsfrist nicht mehr nachgeholt werden, wird das Strafverfahren eingestellt. Dies gilt in jedem Verfahrensstadium. Selbst in der strafrechtlichen Hauptverhandlung kommt es noch zur Einstellung, wenn erst dann auffällt, dass es am wirksamen Strafantrag fehlt. Der fehlende Strafantrag stellt ein endgültiges Verfahrenshindernis dar, das die Strafverfolgung ausschließt.

Für die formgerechte Einreichung muss der Strafantrag gegenüber der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder einem Gericht gestellt werden. Erfolgt der Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft oder bei einem Gericht, kann er schriftlich oder zu Protokoll gebracht werden. Für die Antragstellung gegenüber der Polizei ist nur die Schriftform zulässig, wobei die Unterzeichnung eines polizeilichen Protokolls über die Antragstellung genügt.

Antragsberechtigt ist der vom Delikt Betroffene (= Verletzte), d.h. der Träger des durch die Tat verletzten Rechtsguts. Der Verletzte kann das Antragsrecht selbst ausüben oder sich dabei vertreten lassen. Wer Verletzter ist, muss durch Auslegung des jeweiligen Straftatbestands ermittelt werden. 

Für die fristgerechte Stellung des Strafantrags gilt eine Frist von drei Monaten. Sie beginnt, sobald der Verletzte ausreichendes Wissen von der Tat und der Person des Täters hat. 

Klassische Fallstricke bei der Antragstellung

Trotz dieser überschaubaren Wirksamkeitsvoraussetzungen kommt es in der Praxis immer wieder zu unwirksam gestellten Strafanträgen oder der Strafantrag wird bei der Anzeigeerstattung gleich ganz vergessen.

Für die betroffenen Unternehmen ist dies zum einen ärgerlich, denn ihr Interesse an der Strafverfolgung bleibt dann unbefriedigt. Zum anderen können damit aber auch wirtschaftliche Nachteile einhergehen. Denn die Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bildet oftmals für die straftatgeschädigten Unternehmen eine wichtige Erkenntnisquelle. Wenn es aber mangels wirksamen Strafantrages gar nicht erst zur Ermittlungstätigkeit kommt, werden naturgemäß auch keine derartigen Erkenntnisse gewonnen, die das Unternehmen etwa in einem zivilrechtlichen Schadensersatzprozess oder in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren hätte verwenden können.

Der hierfür unterlaufene Fehler hätte indes leicht verhindert werden können. Woran liegt es also, dass selbst erfahrenen Juristen beim Stellen von Strafanträgen immer wieder Fehler unterlaufen?

Wie die Praxis zeigt, verleitet die Formfreiheit bei der Erstattung der Strafanzeige beim Stellen des Strafantrags zu Ungenauigkeiten und Flüchtigkeitsfehlern. Die Strafanzeige kann in jedweder Form bei Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften und Amtsgerichten erstattet werden. Selbst mündliche Anzeigeerstattungen per Telefon sind möglich. Oftmals erfolgt die Anzeigeerstattung wegen des geringen Aufwandes per einfacher E-Mail. Dabei werden standardisierte Formulierungen wie „… erstatten wir Strafanzeige und stellen Strafantrag wegen aller in Betracht kommenden Delikte“ verwendet, ohne dass der Antragsteller sich über die Voraussetzungen einer wirksamen Strafantragstellung Gedanken macht.

Für die Strafanzeige bleibt dies folgenlos. Sollen aber Antragsdelikte verfolgt werden, kann ein solches Vorgehen eine gefährliche Fehlerquelle sein. 

Bei Antragsberechtigung ist zwischen den richtigen Betroffenen zu unterscheiden

So verleitet der pauschale Verweis auf alle in Betracht kommenden Delikte dazu, dass sich der Antragsteller bzw. sein Vertreter keine Gedanken über die Antragsberechtigung in Hinblick auf einzelne konkrete Delikte macht. Für unterschiedliche Delikte im Rahmen der angezeigten Tat kann aber auch die Antragsberechtigung unterschiedlich ausgestaltet sein. 

Insbesondere bei der Vertretung von Unternehmen sollte dies beachtet werden. Hier tauchen immer wieder Konstellationen mit verschiedenen Delikten auf, in denen das Unternehmen selbst für einen Teil der Delikte antragsberechtigt ist, für andere Delikte die Antragsberechtigung aber nur bei den für das Unternehmen tätigen Personen liegt, weil nur diese Träger des verletzten Rechtsgutes sind.

Veranschaulichen lässt sich das bspw. anhand des § 201 StGB. Dort ist die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes unter Strafe gestellt, etwa durch unbefugte Aufzeichnung einer Besprechung. Auch wenn diese Besprechung im Unternehmenskontext erfolgt, liegt die Antragsberechtigung nur bei den Personen, deren Wort unbefugt aufgenommen wurde. Ihr Arbeitgeber hingegen kann keinen wirksamen Strafantrag hinsichtlich der Verfolgung einer Tat nach § 201 StGB stellen. Geht dieser Beispielsfall noch mit der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen einher, die in § 23 Geschäftsgeheimnisgesetz unter Strafe gestellt ist, liegt die Antragsberechtigung diesbezüglich hingegen beim betroffenen Unternehmen.

Sofern in derartigen Konstellationen ein umfassendes Strafverfolgungsinteresse des Unternehmens besteht und insofern neben § 23 Geschäftsgeheimnisgesetz auch § 201 StGB verfolgt werden soll, genügt es für die wirksame Antragstellung nicht, dass das Unternehmen die Strafanträge allein stellt und sein (anwaltlicher) Vertreter auf seine Bevollmächtigung durch das Unternehmen verweist. Vielmehr muss der Strafantrag, der nicht das Unternehmen als Verletzten betrifft, von den für das Unternehmen tätigen Personen gestellt werden. Sie können den Vertreter des Unternehmens hierzu bevollmächtigen. Geschieht dies aber nicht fristgerecht, ist die Unwirksamkeit des vollmachtlos gestellten Antrages auch nicht mehr durch nachträgliche Genehmigung der Antragsberechtigten heilbar.

Strafantrag so genau wie möglich formulieren

Ein Pauschalverweis auf alle in Betracht kommenden Delikte kann zudem zur Folge haben, dass der in der Strafanzeige dargestellte Sachverhalt noch keinen Anfangsverdacht für bestimmte Delikte begründet, der Antragsteller jedoch von einem umfassenden Strafantrag auch insoweit ausgegangen ist. In diesem Fall besteht zumindest die Gefahr, dass dem Strafantrag später von Verteidigerseite entgegengehalten wird, dass er den Verfolgungswillen des Antragstellers hinsichtlich weiterer, von dem ursprünglichen Sachverhalt nicht erfasster Delikte nicht eindeutig erkennen lässt. 

Daher empfiehlt es sich, den Strafantrag stets so genau wie möglich zu formulieren und bei neuen Erkenntnissen vorsorglich einen Strafantrag wegen der weiteren Delikte zu stellen.  

Schriftform muss eingehalten werden

Dauerbrenner bei der Unwirksamkeit von Strafanträgen ist die Nichteinhaltung der Schriftform. Das verdeutlicht der anfangs erwähnte Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 12. Mai 2022. In diesem Fall musste der Senat ein Verfahren teilweise einstellen, weil der Antragsteller den erforderlichen Strafantrag lediglich als einfache E-Mail an die Staatsanwaltschaft geschickt hatte. Der Strafantrag war damit nicht schriftlich gestellt und deshalb unwirksam. Weil die Antragsfrist abgelaufen war, konnte er auch nicht mehr nachgeholt werden.

Auf das Schriftformerfordernis ist beim Stellen eines Strafantrags daher besonders zu achten. Strafanträge in einfacher E-Mail-Form verbieten sich grds. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass ein Strafantrag, der als elektronisches Dokument eingereicht wird (und hierunter fällt auch die E-Mail), entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur i.S.d. § 32a Abs. 3 Alt. 1 StPO versehen sein muss oder aber auf einem sog. sicheren Übermittlungsweg i.S.d. § 32a Abs. 3 Alt. 2, Abs. 4 S. 1 StPO übermittelt werden muss. Die einfache E-Mail genügt diesen Anforderungen nicht.

Offengelassen wurde vom Bundesgerichtshof allerdings die Frage, ob eine im Anhang einer einfachen E-Mail eingereichte Scankopie eines eigenhändig unterzeichneten Antrags­schrift­satzes durch Ausdruck und Aufnahme in die Akte zu einem formwirksamen Papierdokument werden kann. Dies wird jedenfalls in obergerichtlicher Rechtsprechung abgelehnt. Aus Vorsichtsgründen empfiehlt es sich daher, von einer Einreichung per einfacher E-Mail generell abzusehen.

Erfolgt die Antragstellung indes in Papierform, wird das Schriftformerfordernis etwas großzügiger gehandhabt. Auch ohne eigenhändige Unterschrift auf dem eingereichten Papierdokument soll der Antrag bspw. wirksam sein, wenn er etwa mit einem Faksimilestempel versehen ist. Aber auch hier gilt: Die Einreichung des handschriftlich unterzeichneten Antrages im Original ist der sicherste Weg.

Fazit: Der Teufel steckt im Detail 

Mit seinem Beschluss vom 12. Mai 2022 hat der BGH hinsichtlich der Anforderungen an einen wirksamen Strafantrag weitere Klarheit geschaffen. Es zeigt sich wie so oft, dass auch bei einfach strukturierten Regelungen den Details die gebührende Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Im Strafantragsrecht führt Leichtfertigkeit oder Unkenntnis zu gravierenden Folgen, nämlich zu einem Ausschluss der Strafverfolgungsmöglichkeit. Beim Stellen eines Strafantrages sind die Wirksamkeitsvoraussetzungen daher sorgfältig zu prüfen.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Compliance Schriftform stellen Strafantrag Wirtschaftsstrafrecht