Das Verhältnis von Juristen zur Sprache ist ebenso vielschichtig wie problembeladen. Die Sprache ist seit Jahrtausenden das wesentliche Arbeitsmittel unserer Profession - wir lesen, schreiben, reden und hören zu. Gleichwohl (oder gerade deshalb) wird das „Juristendeutsch″ von Laien als schwer oder nicht verständlich kritisiert. Einen überraschenden Denkanstoß zum Thema lieferte eben ein nettes Gimmick der FAZ, die auf ihrer Website ein statistisches Tool zur Stilanalyse von Texten anbietet. Nach Eingabe eines jüngeren Blogbeitrages lernte ich:
Sigmund Freud
Existieren da bislang unbekannte Querverbindungen zwischen Juristerei und Psychoanalyse (rein sprachlich, natürlich)? Jedenfalls ist diese Einschätzung ein Anlass, die Freud’schen Werke bei Gelegenheit einmal aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten – umso mehr als auch ein weiterer Blogbeitrag und der Auszug aus einem jüngst bei Gericht eingereichten Schriftsatz zu keinem anderen Ergebnis führten.
Einen weiteren Grund für nachfeierabendliche Literaturstudien lieferte übrigens das englischsprachige Pendant „I write like…″, das mich kurzerhand wie folgt analysierte:
Edgar Allan Poe
I Write Like by Mémoires, Mac journal software. Analyze your writing!
Offenbar ist das ein Standard für Juristen – ich schreibe auch wie Siegmund Freud.
Spricht viel dafür. Ich bin keine Juristin. Ich schreibe (wohl) wie Nietzsche. 🙂
Hmm, demnach schreibe ich wie Kafka.
Sollte ich beunruhigt sein? Kafkaesk lt. Wikipedia: „ein unheimliches Gefühl dunkler Ungewissheit, einer rätselhaften unkonkreten Bedrohung, eines Ausgeliefertseins gegenüber schemenhaften dunklen Mächten“
Ooops…
Da habe ich es mit Max Frisch ja noch gut getroffen…
Sehr aufschlussreiche Kommentare – Glückwunsch an diejenigen, die es zu nietzsche, kafka und frisch geschafft haben. Im unmittelbaren Büroumfeld liegt die freud-quote bedenklich hoch (recht gehabt, rena). @RA Müller: Ist das „Ausgeliefertsein gegenüber schemenhaften dunklen Mächten“ nicht das, was wir gelegentlich vor Gericht erleben? „Vor der Hacke ist es duster“.
@kmjkk – Für mich stellt sich jetzt natürlich die Frage (nein, sie drängt sich geradezu auf), wie ich schreiben würde, wäre ich nicht jahrelang von freu(n)dlichen Juristen umgeben gewesen … aber das werden wir wohl nie erfahren.
Ich schreibe wie Karl Marx – hhhmmmmmm….
Ich bin schockiert. Ich bin auch so einer: Freud (D), Poe (EN). Wenigstens war es nicht Karl Marx. Zur wissenschaftlichen Kontrolle habe ich aber einen Zweittest gefahren. Anderntags schreibe ich demnach wie Kafka (wie viele Autoren haben die eigentlich in ihrer Datenbank???), bei Poe bleibt es aber.
„Schreiben wie Freud“ ist ein Kompliment … Der Mann konnte nämlich schreiben. Vgl. z.B. seine Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse.
Ganz blöder Test. bei mir kam Melinda Nadj Abonji raus, wer immer das ist.
Und ich glaubte mich immer Marcel, Siegfried, Heinrich oder Thomas nahe…
Um ehrlich zu sein: Ich musste auch erst googeln – der Gewinn des Deutschen Buchpreises ist im Herbst spurlos an mir vorübergegangen, und ich könnte in Ermangelung von Lektüreerfahrung aus erster Hand noch nicht einmal etwas inhaltliches zu Ihrem Testergebnis beitragen. Aber vielleicht hat sich der Test ja mittlerweile auch zum Medium für mittelbare Produktplatzierung zugunsten unbekannterer Autoren gewandelt?!
Wie Frederike Mayröcker (ha!). Hab doch den Beruf verfehlt.
Wikipedia:
Friederike Mayröcker gilt als eine der bedeutendsten zeitgenössischen Schriftstellerinnen im deutschen Sprachraum. Diese Stellung verdankt sie in erster Linie der Lyrik, Erfolg hat sie aber auch mit Prosa und Hörspielen. Vier davon verfasste sie gemeinsam mit Ernst Jandl, mit dem sie von 1954 bis zu dessen Tod im Jahr 2000 zusammenlebte. Ihre Prosawerke werden der Kategorie „Autofiktion“ zugerechnet. Teile ihres Werks wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.
Ihre Arbeitsweise beschreibt Mayröcker so: „Ich lebe in Bildern. Ich sehe alles in Bildern, meine ganze Vergangenheit, Erinnerungen sind Bilder. Ich mache die Bilder zu Sprache, indem ich ganz hineinsteige in das Bild. Ich steige solange hinein, bis es Sprache wird.“[1]
In den Biographien über Frauen wird sie folgendermaßen eingeschätzt: „Ihre Texte entziehen sich dem rationalen Zugriff, sind ein poetisches, oft melancholisches Gespinst, sind Träume, die uns bezaubern – und befreien.“[2] Zu ihrem Buch Paloma schreibt Jörg Drews in der Süddeutschen Zeitung: „…die Autorin sagt ganz unkokett, dass sie 84 Jahre alt ist. Aber Friederike Mayröcker schreibt in ihrer „pneumatischen Fetzensprache”, haucht alles in einer melancholischen Hast hin, im Ton einer entzückenden Leier, klagend und zugleich glücklich im Schreiben und nur noch im Schreiben.“[3]
2008 wurde der Dokumentarfilm Das Schreiben & das Schweigen über die Schriftstellerin veröffentlicht.
Friederike Mayröcker lebt in Wien.
@Arnold Korroschek: Herzlich willkommen diesem zumindest in den hiesigen Kommentaren neuen literarischen alter ego – wir hatten uns ob der im nahbereich bedenklich hohen freud-quote schon gewundert…
Jetzt hab ich auch mal den Test gemacht: Ich schreibe wie Kafka. Bedeutet das jetzt, ich schreibe zu rätselhaft? 🙂
@kbl: Diese Frage hat sich RA Müller weiter oben in den Kommentaren auch schon gestellt – kein Grund zur Beunruhigung, glaube ich nach wie vor…