12. Oktober 2010
Internationale Zuständigkeit
Kanzleialltag

Sigmund Freud, der Rechtsanwalt und die Sprache

Das Verhältnis von Juristen zur Sprache  ist ebenso vielschichtig wie problembeladen. Die Sprache ist seit Jahrtausenden das wesentliche Arbeitsmittel unserer Profession - wir lesen, schreiben, reden und hören zu.  Gleichwohl (oder gerade deshalb) wird das „Juristendeutsch″ von Laien als schwer oder nicht verständlich kritisiert. Einen überraschenden Denkanstoß zum Thema lieferte eben ein nettes Gimmick der FAZ, die auf ihrer Website ein statistisches Tool zur Stilanalyse von Texten anbietet. Nach Eingabe eines jüngeren Blogbeitrages lernte ich:

Sigmund Freud

Existieren da bislang unbekannte Querverbindungen zwischen Juristerei und Psychoanalyse (rein sprachlich, natürlich)?  Jedenfalls ist diese Einschätzung ein Anlass, die Freud’schen Werke bei Gelegenheit einmal aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten – umso mehr als auch ein weiterer Blogbeitrag und der Auszug aus einem jüngst bei Gericht eingereichten Schriftsatz zu keinem anderen Ergebnis führten.

Einen weiteren Grund für nachfeierabendliche Literaturstudien lieferte übrigens das englischsprachige Pendant „I write like…″, das mich kurzerhand wie folgt analysierte:

I write like
Edgar Allan Poe

I Write Like by Mémoires, Mac journal software. Analyze your writing!

Tags: Edgar Allen Poe Juristendeutsch Juristensprache Recht und Sprache Rechtsanwalt Sigmund Freud Sprachstil Zitat
Alexander
am 12.10.2010 um 11:28:27

Offenbar ist das ein Standard für Juristen – ich schreibe auch wie Siegmund Freud.

Rena
am 12.10.2010 um 15:06:48

Spricht viel dafür. Ich bin keine Juristin. Ich schreibe (wohl) wie Nietzsche. 🙂

RA Müller
am 12.10.2010 um 20:58:28

Hmm, demnach schreibe ich wie Kafka.
Sollte ich beunruhigt sein? Kafkaesk lt. Wikipedia: „ein unheimliches Gefühl dunkler Ungewissheit, einer rätselhaften unkonkreten Bedrohung, eines Ausgeliefertseins gegenüber schemenhaften dunklen Mächten“
Ooops…

Heike
am 13.10.2010 um 10:22:51

Da habe ich es mit Max Frisch ja noch gut getroffen…

Michael Kamps
am 14.10.2010 um 10:39:46

Sehr aufschlussreiche Kommentare – Glückwunsch an diejenigen, die es zu nietzsche, kafka und frisch geschafft haben. Im unmittelbaren Büroumfeld liegt die freud-quote bedenklich hoch (recht gehabt, rena). @RA Müller: Ist das „Ausgeliefertsein gegenüber schemenhaften dunklen Mächten“ nicht das, was wir gelegentlich vor Gericht erleben? „Vor der Hacke ist es duster“.

Rena
am 14.10.2010 um 15:19:28

@kmjkk – Für mich stellt sich jetzt natürlich die Frage (nein, sie drängt sich geradezu auf), wie ich schreiben würde, wäre ich nicht jahrelang von freu(n)dlichen Juristen umgeben gewesen … aber das werden wir wohl nie erfahren.

kfd
am 14.10.2010 um 21:40:46

Ich schreibe wie Karl Marx – hhhmmmmmm….

Wolf J. Reuter
am 15.10.2010 um 18:42:17

Ich bin schockiert. Ich bin auch so einer: Freud (D), Poe (EN). Wenigstens war es nicht Karl Marx. Zur wissenschaftlichen Kontrolle habe ich aber einen Zweittest gefahren. Anderntags schreibe ich demnach wie Kafka (wie viele Autoren haben die eigentlich in ihrer Datenbank???), bei Poe bleibt es aber.

Kerstin
am 18.10.2010 um 10:53:39

„Schreiben wie Freud“ ist ein Kompliment … Der Mann konnte nämlich schreiben. Vgl. z.B. seine Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse.

Thomas B.
am 15.01.2011 um 18:26:19

Ganz blöder Test. bei mir kam Melinda Nadj Abonji raus, wer immer das ist.
Und ich glaubte mich immer Marcel, Siegfried, Heinrich oder Thomas nahe…

Michael Kamps
am 17.01.2011 um 11:39:44

Um ehrlich zu sein: Ich musste auch erst googeln – der Gewinn des Deutschen Buchpreises ist im Herbst spurlos an mir vorübergegangen, und ich könnte in Ermangelung von Lektüreerfahrung aus erster Hand noch nicht einmal etwas inhaltliches zu Ihrem Testergebnis beitragen. Aber vielleicht hat sich der Test ja mittlerweile auch zum Medium für mittelbare Produktplatzierung zugunsten unbekannterer Autoren gewandelt?!

Arnold Koschorreck
am 02.02.2011 um 15:19:13

Wie Frederike Mayröcker (ha!). Hab doch den Beruf verfehlt.
Wikipedia:
Friederike Mayröcker gilt als eine der bedeutendsten zeitgenössischen Schriftstellerinnen im deutschen Sprachraum. Diese Stellung verdankt sie in erster Linie der Lyrik, Erfolg hat sie aber auch mit Prosa und Hörspielen. Vier davon verfasste sie gemeinsam mit Ernst Jandl, mit dem sie von 1954 bis zu dessen Tod im Jahr 2000 zusammenlebte. Ihre Prosawerke werden der Kategorie „Autofiktion“ zugerechnet. Teile ihres Werks wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

Ihre Arbeitsweise beschreibt Mayröcker so: „Ich lebe in Bildern. Ich sehe alles in Bildern, meine ganze Vergangenheit, Erinnerungen sind Bilder. Ich mache die Bilder zu Sprache, indem ich ganz hineinsteige in das Bild. Ich steige solange hinein, bis es Sprache wird.“[1]

In den Biographien über Frauen wird sie folgendermaßen eingeschätzt: „Ihre Texte entziehen sich dem rationalen Zugriff, sind ein poetisches, oft melancholisches Gespinst, sind Träume, die uns bezaubern – und befreien.“[2] Zu ihrem Buch Paloma schreibt Jörg Drews in der Süddeutschen Zeitung: „…die Autorin sagt ganz unkokett, dass sie 84 Jahre alt ist. Aber Friederike Mayröcker schreibt in ihrer „pneumatischen Fetzensprache”, haucht alles in einer melancholischen Hast hin, im Ton einer entzückenden Leier, klagend und zugleich glücklich im Schreiben und nur noch im Schreiben.“[3]

2008 wurde der Dokumentarfilm Das Schreiben & das Schweigen über die Schriftstellerin veröffentlicht.

Friederike Mayröcker lebt in Wien.

Michael Kamps
am 02.02.2011 um 16:00:04

@Arnold Korroschek: Herzlich willkommen diesem zumindest in den hiesigen Kommentaren neuen literarischen alter ego – wir hatten uns ob der im nahbereich bedenklich hohen freud-quote schon gewundert…

kbl
am 02.02.2011 um 17:29:45

Jetzt hab ich auch mal den Test gemacht: Ich schreibe wie Kafka. Bedeutet das jetzt, ich schreibe zu rätselhaft? 🙂

Michael Kamps
am 03.02.2011 um 13:20:42

@kbl: Diese Frage hat sich RA Müller weiter oben in den Kommentaren auch schon gestellt – kein Grund zur Beunruhigung, glaube ich nach wie vor…

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