Der Bundesgerichtshof hat am 22. November 2013 (V ZR 96/12) für den Verkauf eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks entschieden, dass das Vorkaufsrecht des Mieters grundsätzlich nicht entsteht, wenn erst der Erwerber Wohnungseigentum begründet. Dies soll in der Regel auch bei dem so genannten Erwerbermodell gelten, wenn also die Erwerber beabsichtigen, die neu geschaffenen Wohnungseigentumseinheiten selbst zu nutzen. Die Konsequenzen der Entscheidung:
Die Ausgangslage
Der transaktionsbegleitende Rechtsanwalt wird bei dem Verkauf von vermieteten Wohnimmobilien regelmäßig mit der Frage des Bestehens eines mieterseitigen Vorkaufsrechts konfrontiert. Ein Blick in das Gesetz kann dabei noch keine hinreichende Antwort liefern. Es gewährt dem Mieter in § 577 Abs. 1 BGB ein Vorkaufsrecht, wenn vermietete Wohnräume an einen Dritten verkauft werden, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll.
Es fällt auf, dass der Gesetzeswortlaut bereits die Absicht zur Begründung von Wohnungseigentum ausreichen lässt („soll“). Wessen Absicht aber meint das Gesetz? Die des Verkäufers und/oder die des Käufers? Wie konkret muss diese Absicht sein? Reicht die rein innere Absicht oder muss sie sich – mit der wohl ganz überwiegenden Rechtsansicht – nach außen erkennbar objektiv manifestieren? Wie konkret muss sie sich nach außen manifestieren? Reicht jede eindeutige Äußerung der Umwandlungsabsicht oder muss gar eine beurkundete Teilungserklärung vorliegen?
Denkbar ungenau ist das Gesetz auch in gegenständlicher Hinsicht: Meint etwa der Verkauf von „Wohnräumen“ nur den Verkauf von Wohneinheiten (gesondert oder en bloc)? Oder ist auch der Verkauf eines Grundstücks mit dem aufstehenden Wohngebäude als Ganzes erfasst? Verlangt nicht schon das allgemeine Bestimmtheitsgebot bzw. die vorgenannte Absichtskonkretisierung, dass die einzelnen Wohnungen als Teilobjekte des Kaufvertrages hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar sind?
Die Interessenlage
Dies sind Fragen, die bei dem Verkauf eines Wohnhauses für alle Beteiligten von großer Bedeutung sind. Der Verkäufer will die Transaktion absichern, muss aber auch das Vorkaufsrecht des Mieters wahren, will er nicht ein Haftungsrisiko begründen. Der Käufer sieht durch das Vorkaufsrecht des Mieters regelmäßig sein eigenes Nutzungsinteresse bzw. sein Investitionskonzept einer Aufteilung nach WEG und anschließender Vermarktung der einzelnen Wohnungseigentumseinheiten gefährdet.
Der Mieter wiederum will durch das Vorkaufsrecht seinen Verdrängungsschutz realisieren. Er mag zudem ein Interesse daran haben, sein Vorkaufsrecht bereits im Rahmen des Verkaufs des Gesamtobjekts und nicht erst bei einem etwaigen Abverkauf der einzelnen Wohnungseigentumseinheiten auszuüben. Andererseits läuft der Mieter bei einer frühzeitigen Vorkaufsrechtsausübung Gefahr, dass er etwas anderes erwirbt als er eigentlich haben will und dass er unberechtigt die Transaktion behindert.
Die neue BGH-Entscheidung
Viele Fragen hat der BGH nun beantwortet: Da das Vorkaufsrecht des Mieters nicht zum Erwerb des gesamten Grundstückes oder zum Erwerb eines bloßen Miteigentumsanteils, sondern zum Erwerb des in seiner Entstehung schon angelegten Eigentums an der von ihm gemieteten Wohnung berechtigen soll, muss nach dem BGH die zukünftige Wohnungseigentumseinheit im Vertrag bereits hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar sein.
Zudem setzt ein Vorkaufsrecht des Mieters nach dem BGH in solchen Fällen grundsätzlich voraus, dass sich der Verkäufer gegenüber dem Käufer vertraglich verpflichtet hat, seinerseits die Aufteilung nach WEG durchzuführen. So erhält der Mieter mit der Vorkaufsrechtsausübung einen Anspruch auf Aufteilung gegenüber dem Verkäufer. Gegenüber dem Käufer des Gesamtobjekts hätte er dagegen keinen Anspruch auf Aufteilung. Der BGH sieht hier ganz erhebliche und zu verhindernde finanzielle und rechtliche Risiken des Mieters und führt im Übrigen an, dass die Gefahr einer Verdrängung des Mieters bei dem Erwerbermodell durch den neuen § 577a Abs. 1 a BGB vermindert sei.
Über allem schwebt jedoch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Wie zu erwarten, hat daher der BGH ergänzt, dass im Einzelfall das Vorkaufsrecht entstehen kann, wenn ein Rechtsmissbrauch vorliegt. Ein solcher liegt vor, wenn Verkäufer und Käufer nur zur Ausschaltung des Vorkaufsrechts bewusst auf eine an sich beabsichtigte Teilung durch den Verkäufer verzichten und die Teilung dem Käufer überlassen – allein die Kenntnis des Verkäufers von der Aufteilungsabsicht des Käufers reicht hierfür aber nicht.
Für die Fälle jenseits des Erwerbermodells, insbesondere wenn der Käufer des Gesamtobjekts die sodann begründeten Wohnungseigentumseinheiten wiederum verkaufen will, wird man zudem zu berücksichtigen haben, dass der Mieter im Rahmen des Verkaufs des gesamten Grundstücks nicht schutzbedürftig ist, wenn seine berechtigten Interessen erst durch den nachfolgenden Verkauf der Wohnungseigentumseinheit berührt werden und er hierauf bezogen sein Vorkaufsrecht ausüben kann.
Fazit
Der BGH hat wesentliche Fragen zum Vorkaufsrecht des Mieters beim Verkauf eines ungeteilten Wohnhauses überzeugend geklärt. Der mögliche Einwand des Rechtsmissbrauchs sowie die Fokussierung des BGH auf das Erwerbermodell machen jedoch eine rechtliche Bewertung eines jeden Einzelfalls unter Berücksichtigung dessen konkreten Eigenheiten weiterhin unabdingbar.