Der Ausschluss des Widerrufsrechts bei nach Kundenspezifikation gefertigten Waren gilt auch, wenn der Verkäufer noch nicht mit der Herstellung begonnen hat.
Am 21. Oktober 2020 hat der EuGH (C-529/19) entschieden, dass der gesetzlich geregelte Ausschluss des Widerrufsrechts bei Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten sind, auch dann gilt, wenn im Zeitpunkt des Widerrufs der Unternehmer noch nicht mit der Herstellung der Waren begonnen hat.
Grundlage des Vorabentscheidungsersuchens war ein Rechtsstreit zwischen einem Möbelhersteller und einer Verbraucherin, die auf einer gewerblichen Messe eine Einbauküche gekauft und kurze Zeit später den Widerruf des Vertrags erklärt hatte.
Das Amtsgericht Potsdam hatte das Verfahren unter Hinweis auf eine ältere Rechtsprechung des BGH, nach der das Widerrufsrecht dann nicht ausgeschlossen sei, wenn sich Ware ohne Einbußen der Substanz und Funktionsfähigkeit mit verhältnismäßig geringem Aufwand wieder in den Zustand vor Individualisierung versetzen lasse (BGH, Urteil v. 19. März 2003 – VIII ZR 295/01) ausgesetzt und dem EuGH die Frage vorgelegt, ob das
Widerrufsrecht gemäß Art. 16 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 auch dann ausgeschlossen [ist], wenn zwar Waren nach Kundenspezifikation angefertigt werden, der Verkäufer aber noch nicht mit der Anfertigung begonnen hat und die Anpassung beim Kunden selbst, nicht durch Dritte, vorgenommen hätte? Kommt es darauf an, ob sich die Waren mit nur geringen Rückbaukosten, etwa 5 Prozent des Warenwerts, wieder in den Zustand vor der Individualisierung hätten versetzen lassen?
Grundsatz: Auf einer Messe außerhalb eines Messestandes abgeschlossener Vertrag ist „außerhalb von Geschäftsräumen″ abgeschlossen
Zunächst weist der EuGH darauf hin, dass ein Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, der auf einer Messe, aber außerhalb eines Messestandes des Verkäufers, abgeschlossen wird, ein „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag″ sein könne. Für solche Verträge kann entsprechend nach § 312g Abs. 1 BGB grundsätzlich ein Widerrufsrecht des Verbrauchers in Betracht kommen. Anders kann dies aussehen, wenn der Vertragsschluss an einem Messestand des Verkäufers erfolgt, da ein solcher Stand unter Umständen als „Geschäftsraum″ gelten kann.
Widerrufsrecht bei individuell angefertigten Waren grundsätzlich ausgeschlossen
Der EuGH stellt weiter klar, dass das Widerrufsrecht jedoch dann nicht bestehe, wenn ein Verbraucher individuell angefertigte Waren kaufe. Insoweit komme es nicht darauf an, ob der Unternehmer bereits mit der Herstellung der Waren begonnen habe. Aus dem Wortlaut des Art. 16 lit. c der Verbraucherrechte-Richtlinie (RL (EU) 2011/83) lasse sich nicht entnehmen, dass der Ausschluss des Widerrufsrechts in diesen Fällen von irgendeinem Ereignis, welches zudem noch außerhalb des Einflussbereichs des Verbrauchers liege, abhängig sein solle.
Eine solche Sichtweise sei auch nicht mit der Pflicht des Unternehmers zu vereinbaren, den Verbraucher bereits vor Vertragsschluss darüber verbindlich zu informieren, ob ein Widerrufsrecht besteht oder nicht.
Kosten des Rückbaus sind irrelevant
Auf den zweiten Teil der Vorlagefrage geht der EuGH in seiner Entscheidungsbegründung nicht mehr ein. Dennoch lässt sich dem Urteil entnehmen, dass es für den Ausschluss des Widerrufsrechts insgesamt auch nicht darauf ankommt, ob sich die Waren mit relativ geringem Aufwand wieder in den ursprünglichen, also nicht individualisierten, Zustand versetzen lassen. Denn wenn das Widerrufsrecht bereits dann ausgeschlossen ist, wenn der Unternehmer noch nicht mit der Herstellung begonnen hat und ein „Rückbauaufwand″ gar nicht existiert, kann es auf die nachgelagerte Frage, wie hoch Rückbaukosten gewesen wären, nicht mehr ankommen. Insofern ist das vor Inkrafttreten der Verbraucherrechte-Richtlinie ergangene BGH-Urteil (s.o.) überholt.
Insgesamt sorgt der EuGH hier für begrüßenswerte Klarheit, die Rechtssicherheit für die beteiligten Verkehrskreise schafft.