Vertragliche Sicherheitsanweisungen sind ein wesentliches Element von Speditions- und Transportverträgen. In AGB bereiten sie weiter Schwierigkeiten.
Speditions- und Transportverträge enthalten häufig Anweisungen und Vorgaben zur Sicherung des Transportgutes durch den Beförderer. Mit seinem Urteil vom 23. Juli 2020 (I ZR 119/19) bekräftigt der Bundesgerichtshof die Bedeutung dieser vertraglichen Sicherheitsanweisungen für die verladende Wirtschaft und konkretisiert die daran zu stellenden Anforderungen.
Fahrer lässt Lkw-Anhänger in Gewerbegebiet stehen – EUR 1 Mio. Schaden
In dem vom BGH zu entscheidenden Fall hatte der Fahrer der mit dem Transport zu fixen Kosten beauftragten Spedition einen mit edelmetallbeschichteten Bauteilen für Katalysatoren beladenen Lkw-Anhänger ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen in einem Gewerbegebiet abgestellt. Über Nacht wurden der Anhänger und die Ladung gestohlen. Es entstand ein Schaden von über EUR 1 Mio.
In einem „Anforderungsprofil für Transporte im Straßengüterverkehr und kombinierten Verkehr″ des Absenders, welches Vertragsbestandteil geworden war, heißt es:
Werden beladene Fahrzeuge geparkt, so sind sie zu überwachen oder dort abzustellen, wo ausreichende Sicherheit gewährleistet ist.
Vorsätzliche Verstöße gegen vertragliche Sicherheitsanweisungen führen zu unbeschränkter Haftung
Der BGH bestätigt zunächst seine ständige Rechtsprechung zu Verstößen des Beförderers gegen vertragliche Sicherheitsanweisungen (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 – I ZR 257/03, Rn.31 f.; zu Art. 29 CMS vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2005 – I ZR 95/01, Rn. 30 f.). Setzen sich der Frachtführer, seine Leute oder andere Personen, deren er sich bei Ausführung der Beförderung bedient, vorsätzlich über vertragliche Sicherheitsanweisungen des Absenders hinweg, die der Sicherung des Transportgutes dienen, stellt dies grundsätzlich ein qualifiziertes Verschulden im Sinne von § 435 HGB dar. Der Frachtführer kann sich in der Folge nicht auf die gesetzliche Haftungsbeschränkung gemäß § 431 Abs.1 HGB auf 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts des Gutes berufen, sondern haftet der Höhe nach unbeschränkt für den Schaden.
Über vertragliche Vorgaben in Bezug auf die Behandlung des Transportgutes und einzuhaltende Sicherheitsstandards können Absender dem Beförderer mithin über das gesetzliche Maß hinausgehende Sorgfaltspflichten auferlegen. Somit können sie direkt Einfluss auf die Maßstäbe nehmen, an denen das Verhalten des Frachtführers im Schadenfall zu messen ist. Sie haben damit zugleich die Möglichkeit, die Voraussetzungen, unter denen eine Haftungsdurchbrechung stattfindet, zu präzisieren.
Bei der Formulierung von vertraglichen Sicherheitsanweisungen ist äußerste Sorgfalt geboten
Das Urteil des BGH zeigt aber auch, dass vertragliche Sicherheitsanweisungen nur wirksam sind und den gewünschten Effekt erzielen, wenn sie die entsprechenden Sorgfaltspflichten des Beförderers konkret bezeichnen. Vor allem wenn diese Sicherheitsanweisungen als AGB des Absenders zu qualifizieren sind – was in der Praxis häufig der Fall sein dürfte – ist auf eine möglichst präzise Ausgestaltung zu achten.
Die im vorliegenden Fall streitentscheidende Klausel zum sicheren Abstellen beladener Fahrzeuge war dem BGH nicht eindeutig genug. Aus ihr gehe nicht klar hervor, ob sie die von Gesetzes wegen ohnehin geltenden Sorgfaltsanforderungen an den Frachtführer hinsichtlich der Sicherung des Transportgutes überhaupt modifiziere.
Eröffnen AGB verschiedene Auslegungsvarianten, ist stets die kundenfreundlichste Auslegung zu wählen
Das OLG Celle (Urteil vom 13. Juni 2019 – 11 U 6/19) als Berufungsgericht hatte die Klausel so ausgelegt, dass beladene Fahrzeuge entweder persönlich zu überwachen seien oder eine mit der persönlichen Überwachung vergleichbare Sicherheit herzustellen sei. Das bedeute nach Ansicht des Berufungsgerichts, dass als Parkplätze nur Gelände in Betracht kämen, die durch Einfriedungen und Zutrittskontrollen gegen Diebe besonders geschützt sind oder abschließbare Garagen oder sonstige Gebäude. Mit dem Abstellen des beladenen Anhängers in dem Gewerbegebiet habe die beklagte Spedition dieser Sicherheitsanweisung zuwidergehandelt.
Dieser Auffassung ist der BGH nicht gefolgt. Er sieht in der Auslegung des Berufungsgerichts nur eine von mehreren Auslegungsmöglichkeiten. Ebenso gut könne man die zitierte Klausel aufgrund der Verwendung des Wortes „oder″ so lesen, dass den Beförderer keine unbedingte Pflicht zur Überwachung des geparkten Anhängers traf. In diesem Fall gehe die Pflicht, Fahrzeuge nur dort abzustellen, wo ausreichende Sicherheit gewährleistet ist, nicht über die ohnehin im Rahmen eines Transportvertrages anzuwendende Sorgfaltspflicht hinaus.
Da es sich bei der betreffenden Klausel um allgemeine Geschäftsbedingungen des Absenders handelt, geht diese Unklarheit in der Auslegung zu Lasten des Absenders. Bei der kundenfreundlichsten Auslegung bestand keine besondere vertragliche Verpflichtung zur Sicherung des Transportgutes, sodass die Rechtsprechung des BGH zur Durchbrechung der gesetzlichen Haftungsbeschränkung bei vorsätzlichen Verstößen gegen vertragliche Sicherheitsanweisungen nicht zur Anwendung gelangt.
Sicherheitsanweisungen in AGB – der BGH schafft keine abschließende Klarheit
Der BGH hat dementsprechend weiterhin offengelassen, inwieweit die Vereinbarung vertraglicher Sicherheitsanweisungen in AGB zulässig ist. Diese vielumstrittene Frage hängt maßgeblich davon ab, ob man die erhöhten Sorgfaltsanforderungen als allgemeinhin zulässige Leistungsbeschreibung qualifiziert oder aber als von § 435 HGB abweichende Haftungsregelung, die gemäß § 449 Abs.1 S.1 HGB unwirksam wäre.
Daneben wendet die Rechtsprechung die allgemeinen AGB-rechtlichen Grundsätze an, sodass sich in AGB enthaltende Sicherheitsanweisungen u.a. auch am Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 S.2 BGB messen lassen müssen.
Relevanz von vertraglichen Sicherheitsanweisungen bleibt ungeschmälert
Doch auch ohne höchstrichterliche Klärung bleiben vertragliche Sicherheitsanweisungen weiterhin ein wesentlicher Bestandteil in Speditions- und Transportverträgen. Denn sie liefern nicht nur im Schadenfall einen wichtigen Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der konkreten Pflichten des Beförderers und die bei der Behandlung des Transportguts anzuwendende Sorgfalt. Sie schaffen darüber hinaus auch im Vorfeld Klarheit über die geschuldete Leistung.