4. Februar 2022
Sachmangelbegriff B2B
Commercial

Das neue Gewährleistungsrecht in B2B-Verträgen

Neuregelungen des Sachmangelbegriffs betreffen nicht nur das Verbrauchergeschäft, sondern erfordern auch die Aufmerksamkeit der Unternehmen in B2B-Verträgen.

Am 1. Januar 2022 sind die Neuregelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), welche die Warenkaufrichtlinie umsetzen, in Kraft getreten. Wir zeigen nachfolgend auf, wie sich die Neuregelungen im B2B-Bereich auswirken können und was es nun von Unternehmen zu beachten gilt. 

Während sich die neuen Regelungen bezüglich digitaler Produkte vor allem im B2C-Bereich auswirken, müssen insbesondere die Änderungen hinsichtlich des Sachmangelbegriffs sowie des Lieferantenregresses auch im B2B-Bereich beachtet werden. 

Diese für alle ab dem 1. Januar 2022 geschlossenen Kaufverträge geltenden Neuregelungen machen Anpassungen vor allem in Standardverträgen und AGB auf Verkäufer- sowie auf Käuferseite empfehlenswert. 

Änderungen des Sachmangelbegriffs in § 434 BGB 

In der Neuregelung des Mangelbegriffs in § 434 BGB wurde eine Abweichung von den objektiven Anforderungen der Abweichung von den subjektiven Anforderungen (Beschaffenheitsvereinbarung) gleichgestellt. 

Bisher:

Bisher galt eine Kaufsache als mangelhaft, wenn sie der vereinbarten Beschaffenheit nicht entspricht. Vereinbarte Beschaffenheit sind z.B. Spezifikation, die vereinbarte Art der Nutzung oder sonstige vertraglich festgehaltene Merkmale. Erst dann, wenn eine Eigenschaft nicht im Kaufvertrag vereinbart wurde, galten die objektiven Anforderungen (u.a. übliche Beschaffenheit). Diesen Vorrang bezeichnete man auch als „Stufenverhältnis“. 

Neu: 

Nach der Neuregelung muss die Kaufsache nun sowohl die vereinbarte Beschaffenheit aufweisen („subjektive Anforderungen“) als auch den Erwartungen eines objektiven Käufers*, d.h. der üblichen Beschaffenheit, entsprechen („objektive Anforderungen“).

Es ist nun denkbar, dass die Kaufsache den subjektiven Anforderungen entspricht, d.h. die vereinbarte Spezifikation aufweist, aber objektiv höhere Anforderungen an diese Spezifikation bestehen. 

Beispiel: Die Parteien vereinbaren einen bestimmten Stromverbrauch für eine Maschine von 1.000 kWh pro Jahr (Beschaffenheitsvereinbarung). Solche Maschinen weisen üblicherweise jedoch einen Stromverbrauch von lediglich 500 kWh auf (objektive Anforderungen). 

Nach dem alten Sachmangelbegriff liegt kein Mangel vor. Die Kaufsache entspricht dem, was die Parteien vereinbart haben. Nach neuem Sachmangelrecht läge allerdings (grundsätzlich) ein Sachmangel vor, denn die Kaufsache muss sowohl den subjektiven Anforderungen entsprechen (das tut sie im Beispielsfall) als auch den objektiven Anforderungen (das tut sie im Beispielsfall nicht). 

Auf die objektiven Anforderungen kommt es nach dem Gesetzeswortlaut jedoch nur dann an, „soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde“. Es stellt sich die Frage, ob eine Beschaffenheitsvereinbarung (die auch im Rahmen von Produktbeschreibungen getroffen werden kann) bedeutet, dass „etwas anderes vereinbart“ wurde, oder ob darüber hinaus explizit vereinbart werden muss, dass damit von den objektiven Anforderungen gerade abgewichen wird. 

Letzteres fordert die Neuregelung nämlich von einem Verkäufer, der an einen Verbraucher verkauft (§ 476 Abs. 1 S. 2 BGB n.F.). Danach muss der Verbraucher vor Abgabe seiner Vertragserklärung auf ein Abweichen von objektiven Anforderungen hingewiesen werden und die Abweichung muss ausdrücklich und gesondert vereinbart werden.

Mit anderen Worten: Reicht im B2B-Verkehr eine Beschaffenheitsvereinbarung (Stromverbrauch von 1.000 kWh pro Jahr) als „andere Vereinbarung“ aus, die andere Werte dieser Spezifikation (also z.B. niedrigere Stromverbräuche) ausschließt, auch wenn diese objektiv erwartbar wären? Oder muss der Verkäufer ausdrücklich darauf hinweisen, dass die vereinbarte Beschaffenheit (Stromverbrauch 1.000 kWh) von den objektiven Anforderungen (500 kWh) abweicht?

Es spricht einiges dafür, dass die Beschaffenheitsvereinbarung als konkludente Vereinbarung weiterhin eine anderweitige objektive Anforderung ausschließt. Der Gesetzgeber hat z.B. in seiner Begründung des Gesetzes darauf hingewiesen, dass sich im B2B-Verkehr nichts ändern soll (BT-Drucksache 19/27424, S. 23): 

Für Kaufverträge zwischen Unternehmern und Kaufverträge zwischen Verbrauchern wird dieser geänderte systematische Ansatz keine Auswirkungen haben, weil die Parteien weiterhin frei sind, ausdrücklich oder konkludent eine Beschaffenheit der Kaufsache zu vereinbaren, die von den objektiven Anforderungen abweicht. 

Auch hat der Gesetzgeber die Pflicht zum Hinweis auf abweichende objektive Anforderungen gerade auf den Verkauf an Verbraucher beschränkt. 

Es bleibt allerdings abzuwarten, ob sich diese Auffassung in der Rechtsprechung durchsetzen wird. 

Praxistipps:

Verkäufer sollten 

  • in ihren Verträgen vorsorglich ausdrücklich regeln, dass Beschaffenheitsvereinbarungen gegenüber den objektiven Anforderungen vorrangig sind.
  • sicherstellen, dass Spezifikation und Beschaffenheit, die ggf. von den objektiven Anforderungen abweichen, Bestandteil des Kaufvertrages werden. Spezifikationen in Prospekten oder außerhalb des Kaufvertrages gelten im Zweifel nicht als „anderweitige Vereinbarung“.
  • prüfen, ob ggf. auf abweichende objektiv erwartbare Beschaffenheiten ausdrücklich hingewiesen wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Einkäufer durchsetzt und eine ausdrückliche Hinweispflicht vereinbart wird (siehe nachfolgend).

Wiederverkäufer sollten die Beschaffenheitsangaben ihres Verkäufers möglichst weitergeben, um auch ihrem Käufer gegenüber (konkludent) die anderweitigen objektiven Anforderungen auszuschließen. 

Einkäufer könnten die Anforderungen aus einem Verbraucherverkauf (d.h. Hinweispflicht bei Abweichung von objektiven Anforderungen, Formerfordernis einer solchen Abweichung) auch im B2B-Verkehr durchsetzen. Insbesondere gilt dies dann, wenn das eingekaufte Produkt an Endverbraucher abgegeben wird, weil beim Weiterverkauf an Endverbraucher kaum eine Gewährleistung für objektive Anforderungen ausgeschlossen werden kann. 

Standardverträge und AGB sollten sowohl auf Käufer- als auch auf Verkäuferseite überprüft und ggf. angepasst werden. 

Änderungen der Vorschriften zum Lieferantenregress

Auch hinsichtlich des Lieferantenregresses sind gesetzliche Anpassungen vorgenommen worden. Während das alte Kaufrecht vorsah, dass Ansprüche des Verkäufers gegen den Lieferanten spätestens fünf Jahre nach Ablieferung der Sache beim Verkäufer verjähren, ist diese Höchstgrenze weggefallen (§ 445b Abs. 2 S. 2 BGB a.F.). Als Konsequenz kann der Verkäufer den Lieferanten auch nach Ablauf von fünf Jahren wegen Gewährleistungsansprüchen, die er gegenüber seinem Käufer erfüllen musste, in Anspruch nehmen. 

Praxistipp:

Anpassungsbedarf kann dann bestehen, wenn die Höchstgrenze von fünf Jahren in die allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen wurde bzw. in diesen auf die entsprechende gesetzliche Regelung verwiesen wird. 

Tags: b2b Commercial Lieferantenregress Sachmangelbegriff