24. Mai 2019
Compliance Führungskraft
Compliance

„Ibiza-Affäre″ oder: Compliance kommt von oben

Ob in Politik oder Wirtschaft – Verfehlungen des Führungspersonals schwächen die Akzeptanz von Compliance. Für Unternehmen führt dies zu Haftungsrisiken.

Was haben die „Ibiza-Affäre″ um den unlängst zurückgetretenen österreichischen Vizekanzler Heinz-Christian Strache oder der Fall des ehemaligen DFB-Präsidenten Grindel mit der Compliance-Arbeit in Unternehmen gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel. Jedoch zeigen diese Fälle, welchen Schaden mangelnde Sensibilität für Compliance, ethisch-moralische Unzulänglichkeiten oder fehlende Integrität des Führungspersonals anrichten können – sowohl in der Politik, als auch in der Privatwirtschaft.

Neben brisanten Aussagen zu einer illegalen Parteifinanzierung unter Umgehung der Meldungspflicht beim österreichischen Rechnungshof, zum Umbau des österreichischen Mediensystems sowie zum Kauf der österreichischen Kronen-Zeitung enthält das kürzlich bekannt gewordene Ibiza-Video auch sensible Äußerungen zum Thema Korruption im öffentlichen Sektor. Strache bot seiner Gesprächspartnerin, die sich als Nichte eines russischen Oligarchen ausgab, im Fall einer Regierungsbeteiligung der FPÖ öffentliche Aufträge als Gegenleistung für Wahlkampfhilfe an. Ungeachtet dessen, ob diese Aussagen letztlich strafrechtlich relevant sind, offenbart die „Ibiza-Affäre″ neben moralischen Untiefen eine besondere Gleichgültigkeit im Umgang mit Compliance-Themen.

Auch andere, in der Vergangenheit öffentlich bekannt gewordene, Compliance-Skandale um Schmiergelder oder Preisabsprachen, aber auch das zumindest sorglose Verhalten des ehemaligen DFB-Präsidenten im Zusammenhang mit der Annahme von unangemessenen Geschenken zeigen, wie leicht das Vertrauen der Allgemeinheit, der Kunden oder der eigenen Mitarbeiter nachhaltig erschüttert werden kann. Dies gilt vor allem dann, wenn „Die da oben″ – sprich: das politische oder unternehmerische Führungspersonal – sich selbst nicht an die Regeln halten, die sie für alle anderen aufstellen.

Rechtstreues und integres Verhalten wird immer wichtiger

Die Bedeutung von Compliance hat im vergangenen Jahrzehnt nicht nur in der Politik, sondern vor allem in der Privatwirtschaft immens zugenommen. Unternehmen, die nachhaltig wirtschaftlich erfolgreich sein wollen, müssen sich heute mehr denn je gesetzestreu verhalten und dies auch dokumentieren. Tun sie dies nicht, droht neben dem Ausschluss von öffentlichen Aufträgen, Bußgeldern für das Unternehmen und das Management oder Schadensersatzforderungen gegen die Geschäftsleitung auch der Vertrauensverlust bei Geschäftspartnern und Kunden. Gravierende Compliance-Verstöße können existenzbedrohend sein.

Compliance-Management-System gehört zum Pflichtprogramm

In der Rechtsprechung und juristischen Literatur ist es heute allgemeine Ansicht, dass die Geschäftsleitung verpflichtet ist, ein angemessenes Compliance-Management-System einzurichten. Im Kern ist es Aufgabe eines Compliance-Management-Systems, Gesetzesverstöße, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden, möglichst zu verhindern oder jedenfalls wesentlich zu erschweren. Potentielle Risiken sollen analysiert und minimiert, Fehlentwicklungen schon im Vorfeld erkannt und beseitigt werden.

Die Verpflichtung betrifft nicht nur große Konzerne, sondern auch mittelständische Unternehmen. Jedes Unternehmen hat die in Relation zur eigenen Größe und zum eigenen Risikoprofil passenden, wirksamen Compliance-Maßnahmen zu implementieren. Um dieses Ziel zu erreichen, haben die meisten Unternehmen heutzutage ein mehr oder weniger ausgereiftes System von Verhaltensrichtlinien, detaillierten Regelungen zum Umgang mit Wettbewerbern oder Einladungen, Kontrollmechanismen und Schulungsmaßnahmen eingeführt. Ein funktionierendes Compliance-Management-System kann das Unternehmen und sein Führungspersonal im Falle eines Falles vor Bußgeldern und Schadensersatzforderungen bewahren.

„Tone from the Top″ ist essentiell

Alle Compliance-Maßnahmen sind jedoch nur die Hälfte wert, wenn die Compliance-Kultur nicht stimmt oder das Führungspersonal sich nicht an die selbst gesetzten Regeln hält. Der „Tone from the Top″ – gemeint ist das unbedingte Bekenntnis der Unternehmensleitung zu Compliance – ist eines der zentralen Elemente eines jeden funktionierenden Compliance-Management-Systems. Nur soweit die höchste Ebene ihrer Vorbildfunktion gerecht wird, fühlt sich auch die Basis an die Regeln gebunden.

Nicht umsonst schauen sich Staatsanwaltschaften und Gerichte bei Compliance-Verstößen die Rolle und das Verhalten der Geschäftsleitung sehr genau an. Ordnet die Geschäftsleitung hingegen die Compliance-Kultur oder die Einhaltung zwingender Regeln anderen, vermeintlich vorrangigen Zielen unter, so ist dies fatal. Denn Mitarbeiter bekommen so den Eindruck vermittelt, dass Compliance nichts weiter ist als ein Feigenblatt. Hierdurch wird die Akzeptanz von Compliance insgesamt erschüttert und die Wirkung eines Compliance-Management-Systems weitgehend beseitigt. Dies kann eine mühsam aufgebaute Reputation oder Marktposition massiv beschädigen.

Fazit: Die Führungsebene muss mit gutem Beispiel vorangehen

Ibiza-Affäre in der Politik und Compliance-Skandale in Wirtschaftsunternehmen haben (wenigstens) eine Gemeinsamkeit – Verfehlungen des Führungspersonals erschüttern das Vertrauen aller Beteiligten nachhaltig und können jahrelange und mühevolle Compliance-Arbeit an der Basis mit einem Schlag zunichtemachen. Der Aufbau eines Compliance-Management-Systems mit Richtlinien, Schulungen und Kontrollmechanismen ist für Unternehmen immens wichtig – ein wirksames Compliance-Management-System erfordert aber stets, dass die Unternehmensleitung mit gutem Beispiel vorangeht und sich von den eigenen Regeln nicht selbst ausnimmt.

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