2. Mai 2024
Fußball Compliance
Fußball & Recht

Fair Play gewinnt – Compliance im Profisport

Das im Profisport gelebte Fair Play spielt auch abseits der jeweiligen Sportart in Gestalt der Compliance eine immer wichtigere Rolle für den Teamerfolg.

Eine Auseinandersetzung mit Compliance gehört für große und mittelständische Unternehmen schon seit einigen Jahren zur Tagesordnung. Die zu Anfang etwas unscharf erscheinende Begrifflichkeit (aus dem Englischen „to comply with“ – etwas einhalten) hat mittlerweile sowohl einen fortschreitenden rechtlichen Rahmen bekommen als auch ihren Weg in die öffentliche Aufmerksamkeit gefunden, wo sie firmierend als soziale Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility) als mitunter scharfes Schwert in Reputations- und Haftungsfragen ihre Auswirkungen zeigt. Die in der Compliance verankerten Legalitäts- (Einhaltung der geltenden Normen) und Legalitätskontrollpflichten (Überprüfung der Einhaltung der geltenden Normen) beabsichtigen zuvorderst, wirtschaftskriminelle Handlungen zu verhindern und Gesellschaft sowie Umwelt zu schützen, gleichsam jedoch auch die Haftung von Unternehmen und ihren Leitungspersönlichkeiten zu minimieren.

Compliance-Themen haben durch zunehmende nationale sowie internationale Regulierung an Fahrt aufgenommen. Zu nennen sind hier jüngste Entwicklungen wie das Hinweisgeberschutzgesetz, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, die Corporate Sustainability Reporting Directive (Richtlinie (EU) 2022/2464) und der neue Kompromissvorschlag einer Geldwäscheverordnung und sechsten Geldwäscherichtlinie der EU. Gleichzeitig häufen sich Berichterstattungen über rufschädigende und kostspielige Skandale im Sportbereich, so etwa bezüglich Korruption (jüngst um den Ex-Fußballboss Luis Rubiales), Doping (Eiskunstlauf bei Olympia), Wettbetrug und Spielmanipulation (Sportwetten in Griechenland), Vergabe von Sportereignissen (Austragung der Fußball-WM in Katar) und unethischem Verhalten von Trainer:innen und Fans (Rassismus- und Sexismusvorwürfe im spanischen Fußball). Bei einem Compliance-Verstoß drohen nicht nur zivil- und strafrechtliche Konsequenzen, sondern insbesondere auch massive Reputationsschäden durch Negativschlagzeilen in der Presse, die sich auf die wirtschaftliche Lage des Sportclubs auswirken.

Anlässlich der im Juni beginnenden Fußball-Europameisterschaft EURO 2024 lohnt sich daher der Blick auf den Profisport und die Frage, inwieweit auch die Sportwelt die Compliance als feste Mitspielerin für unternehmerische Erfolge und ein gelebtes Fair Play außerhalb des eigentlichen Spielfeldes aufstellen sollte.

Compliance relevante Risikofelder im Profisport

Als Startpunkt jeder Compliance-Überlegung steht die Identifizierung mitunter einer Bandbreite an Gesetzen, Richtlinien und sonstigen regulatorischen Normen, die eine Regeltreue verlangen. Neben den allgemeinen Gesetzen des Straf-, Steuer- oder Gesellschaftsrechtes existieren spezifische Sportregulierungen wie die DFL-, UEFA- oder FIFA-Vorgaben. Aus diesen und vielen weiteren Regulatorien ergeben sich im Profisport zahlreiche Legalitäts- und insbesondere Legalitätskontrollpflichten für die Unternehmen als solche, aber auch für ihre Funktionär:innen, Sportler:innen, Aktionär:innen, Agent:innen, Mitarbeiter:innen, Sponsor:innen und auch die Fans.

Das Herzstück der Compliance bildet die Feststellung von bestehenden individuellen Risikosphären der jeweiligen Branche. Im Profisport zählen zu Risikoclustern mit Compliance-Relevanz unter anderem:

  • Geldwäsche durch Investitionen in Vereine und Sportler:innen
  • Sponsoring und Hospitality
  • Intransparente Vergabe von Sportereignissen und Tickets
  • Korruption von Sportfunktionär:innen
  • Wettbetrug und Spielmanipulation
  • Doping und Gesundheitsschutz
  • Kartellrechtliche Vorschriften und die 50+1-Regel
  • Ausstrahlwirkung durch unethisches (Dritt-)Verhalten

Als besonders sensitiven Aspekt dieser Aufzählung verhält sich unter anderem das Geldwäscherisiko für Profisportunternehmen. Schon 2007 wurde im „Weißbuch Sport“ der EU-Kommission auf das Geldwäscherisiko im Sportsektor hingewiesen. Während auf deutscher Ebene noch über eine Aufnahme von Profisportvereinen in den Kreis der Verpflichteten nach dem Geldwäschegesetz diskutiert wird (siehe BT-Drcks. 32/22), erkennt das in diesem Jahr vorgestellte geplante Anti-Geldwäsche-Paket der EU ein hohes Risiko insbesondere im Fußball und erweitert die Liste der Verpflichteten um Profifußballvereine und ihre Agent:innen. Als Folge einer solchen Verpflichtung ergeben sich konkrete Compliance-Pflichten zur Etablierung einer Geldwäscheprävention. Dies gilt insbesondere bei Beteiligungen und Investitionen in die Vereine selbst als auch bei dem Transfermarkt von Spieler:innen, die häufig von Intransparenz in Bezug auf Zahlungsströme und Finanzierungsquellen geprägt sind. Weitere Geldwäscheprobleme bergen etwa auch das Sponsoring, der Ticketverkauf und die fortschreitende Kommerzialisierung des Profisports.

Neben dem Geldwäscherisiko stellen etwa auch Korruption und Schmiergeldzahlungen im Profisport, etwa bei der Vergabe von großen Sportevents, beim Sponsoring oder Ticketverkauf, wichtige Compliance-Risikofelder dar. Mit Blick auf die 2017 in Kraft getretenen strafrechtlichen Regelungen zu Sportwetten und Spielmanipulation in §§ 265c, 265d StGB wird, neben den klassischen Korruptionstatbeständen wie §§ 299, 331 ff. StGB, zudem sowohl korruptes Verhalten von Sportler:innen und Trainer:innen kriminalisiert, als auch durch §§ 30, 130 OWiG ein weiteres erhebliches Haftungsrisiko (Geldbuße von bis zu EUR 10 Mio.) für Profisportclubs geschaffen.

Etablierung von Compliance-Management-Systemen in Profisportclubs

Die Sportclubs nehmen typischerweise als Vereine, Dachverbände aber auch zunehmend als gewinnorientierte Kapitalgesellschaften am wirtschaftlichen Wettbewerb teil. Durch die fortschreitende Kommerzialisierung der Sportclubs werden im Profisport mittlerweile Millionenumsätze erwirtschaftet und Strukturen geschaffen, welche mit Großkonzernen und mittelständischen Unternehmen ohne Weiteres vergleichbar sind. Gleichzeitig existieren, wie soeben gezeigt, einige massive Risikocluster und Compliance sensitive Vorgänge im Profisport. Ebenso wie die übrigen Großkonzerne und mittelständischen Unternehmen wären die Profisportunternehmen – wie der FC St. Pauli bereits erkannt hat – daher gut beraten, ein funktionsfähiges Compliance-Management-System (CMS) aufzubauen.

Zwar existiert bislang im deutschen Recht keine flächendeckende explizite Pflicht zur Einrichtung eines solchen CMS in Sportclubs. Unumstritten besteht jedoch eine Organhaftung für Compliance-Verstöße, wobei die genauen Haftungsketten in Abhängigkeit zu der jeweiligen Rechtsform des Unternehmens stehen. In jedem Fall sind die jeweiligen Leitungspersonen aufgrund ihrer allgemeinen Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung de facto dazu angehalten, die Legalitäts- und insbesondere auch die Legalitätskontrollpflichten einzuhalten. Eine unterlassene Implementierung eines CMS kann dabei auch zu einer persönlichen Haftung der Leitungspersonen führen.

Ziel eines CMS ist primär präventiver Natur, da es als Abwehr drohender Haftungs- und Sanktionierungsrisiken sowie Reputationsschäden fungiert. Zugleich kann ein etabliertes CMS durch eine effektive Risikoanalyse Compliance-Verstößen zuvorkommen. Der wirtschaftlichen Ansehnlichkeit und dem Profit eines Unternehmens dient es zunehmend auch, soziale und ökologische Wertvorstellungen im Geiste einer Good Governance und Corporate Social Responsibility zu implementieren, welche an positivem politischen und gesellschaftlichen Einfluss, Gesundheit, ethischem Verhalten, Transparenz und Nachhaltigkeit (ESG) interessiert sind.

Während, wie eben gesehen, regelmäßig eine Pflicht für das „Ob“ der Etablierung eines CMS, besteht, ermöglicht das „Wie“ eine breitere Diskussionsfläche. Die Ausgestaltung eines CMS ist regelmäßig abhängig von der genauen Tätigkeit des Unternehmens, den Risikofeldern, seiner Rechtsform und seiner Größe. Grundsätzlich wird ein CMS in vier Bestandteile eines zusammenhängenden Prozesses gegliedert. Im ersten Schritt werden die vorhandenen Organisationsstrukturen des Sportunternehmens, im zweiten Schritt die individuellen Risikocluster analysiert. Auf Grundlage dessen können konkrete Präventionsmaßnahmen, beispielsweise in Gestalt von selbstgesetzten Compliance-Richtlinien und Verhaltenskodizes (Code of Conducts) – wie etwa das Compliance-Handbuch der FIFA oder der Ethik-Kodex des DFB – entwickelt werden. An dritter Stelle werden klare Verantwortlichkeiten für die herausgearbeiteten Risikobereiche geschaffen und die Durchführung des CMS an verantwortliche Personen (Compliance Officer oder Compliance-Beauftragte) delegiert. Zuletzt müssen sämtliche Maßnahmen durch die zuständigen Leitungspersonen dokumentiert, kontrolliert und stetig verbessert werden.

Weitere sinnvolle konkrete Compliance-Maßnahmen im Profisport

Allein die Implementierung von Richtlinien und Kodizes wird nicht genügen, um Compliance-Verstöße im Profisport vorzubeugen. Mitarbeiter:innen, Sportler:innen, Funktionär:innen und sonstige Verpflichtete sind regelmäßig über ihre Pflichten etwa im Bereich der Annahme von Geschenken, den Konsequenzen von Doping-Verstößen und unethischem Verhalten zu schulen.

Zudem sind Sportunternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitenden durch das neue Hinweisgeberschutzgesetz seit dem 17. Dezember 2023 u.a. dazu verpflichtet, Hinweisgebersysteme zu installieren, die eine anonyme, niedrigschwellige und vertrauliche Meldung von bestimmten Compliance-Verstößen gewährleistet. Anderenfalls droht ein Bußgeld von bis zu EUR 50.000.

Soweit Sportunternehmen zukünftig als Verpflichtete nach dem Geldwäschegesetz eingestuft werden, müssen sie geldwäscherechtliche Sorgfaltspflichten erfüllen und Meldepflichten bei Verdachtsfällen beachten.

Maßgeblich sollte sich der Profisport eine zunehmende Transparenzschaffung auf die Fahne schreiben. Gerüchte über „Klüngelei“, Abhängigkeiten, Stimmenkäufe oder anderweitige Bestechungshandlungen stehen im Profisport seit Jahren im Raum. Ein konkretes Positivbeispiel bildet hingegen die DFB-Vergabe der Spielorte für die EURO 2024, bei welcher der Auswahlprozess durch den Aufbau eines Compliance-Programms von Transparency International begleitet wurde.

Auch bei der Ticketvergabe vor allem von Großevents sollten klare Maßgaben festgelegt und nach außen hin kommuniziert werden. Profisportunternehmen sind zudem gut beraten, ihre Geschäftspartner einem Business-Partner-Check zu unterziehen und vorab die Konformität mit dem eigenen CMS zu überprüfen.

Im Hinblick auf die sportspezifischen Risiken von Wettbetrug, Spielmanipulation und Doping müssen die Sportclubs darüber hinaus eine klare Zero Tolerance-Haltung kommunizieren und vor allem aktiv betreiben.

Compliance als Teamplayerin: Fazit und Ausblick

Der Fair Play-Gedanke ist schon auf dem Spielfeld konstituierend für den Profisport. Der Sport lebt von einem von Fairness, Regelkonformität und Integrität geprägtem Verhalten aller Beteiligten. Nichts anderes kann außerhalb des Spielfeldes für die großen Vereine, Verbände und Kapitalgesellschaften des Profisports gelten. Diese müssen sich – wie ihre Sportler:innen untereinander – mit ihrem eigenen wirtschaftlichen Wettbewerb, den Großkonzernen und mittelständischen Unternehmen, gleich welcher Branche, messen lassen. Gewinnen kann auch hier – wie die oben angeschnittenen Nachteile bei unlauteren Geschäftspraktiken gezeigt haben – nur ein ganzheitliches Fair Play.

Unsere Gesellschaft und unser Rechtssystem fordern mittlerweile zurecht von den millionenschweren Wirtschaftsunternehmen, Good Governance nicht nur zu behaupten (siehe Green-, Pink- und Bluewashing-Fragen), sondern dies auch konsequent zu leben, hierfür einzustehen und proaktiv durchzusetzen. Dazu zählt fraglos auch die Beschäftigung mit Compliance und eine Implementierung von konkreten Compliance-Maßnahmen im Unternehmen. Profitieren können hierdurch nicht nur die Gesellschaft und unsere Umwelt, sondern auch die Unternehmen durch ersparte Kosten, die Aktionär:innen durch ersparte Verluste, die Leitungspersönlichkeiten durch minimierte Haftung und die Fans durch gesteigerte Identifizierungsmöglichkeiten mit ihrem Verein.

Perspektivisch wird dieser „Trend“ zu nachhaltiger, integrer und ethischer Unternehmensführung auch in der Profisportwelt durch fortschreitende Regulierungen, weitere höchstgerichtliche Entscheidungen und zunehmenden gesellschaftlichen Fokus weiter an Relevanz gewinnen. Aus diesem Grund widmet sich die diesem Beitrag folgende Blog-Serie „Fußball-EM & Recht“ vertieft diversen, konkreten Compliance-Themen rund um den Profisport im Allgemeinen und die Fußball-EM im Speziellen. Bleiben Sie am Ball!

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