11. Januar 2022
2G Einzelhandel
Dispute Resolution

2G im Einzelhandel: Rechtslöchrig wie ein Schweizer Käse?

Grundsätzlich gilt für den Einzelhandel 2G. Ausgenommen sind Geschäfte zur Deckung des täglichen Bedarfs. Ein Überblick zur Rechtslage, vor allem in Bayern.

Anfang Dezember 2021 kam die Ministerpräsidentenkonferenz überein, zur Eindämmung des Coronavirus deutschlandweit inzidenzunabhängig auch für den Einzelhandel 2G einzuführen. Das bedeutet, dass Kundinnen und Kunden grundsätzlich nur noch dann Zutritt zu einem Laden gewährt werden darf, wenn sie (vollständig) geimpft oder genesen sind. 

Einzelhändler sind zu entsprechenden Kontrollen verpflichtet. Die Vorlage eines negativen Corona-Tests genügt nicht. Ausgenommen sind jedoch sog. (Laden-)Geschäfte zur Deckung des täglichen Bedarfs (kurz: Geschäfte des täglichen Bedarfs): Hier darf nach wie vor jedem Zutritt gewährt werden.

Ausnahme für Geschäfte zur Deckung des täglichen Bedarfs: Maßgeblich sind das jeweilige Bundesland und die Entscheidungspraxis des dortigen Oberverwaltungsgerichts

Entsprechende Ausnahmevorschriften hat es auch schon zuvor gegeben. Seit jeher werden Geschäfte zur Deckung des täglichen Bedarfs bei Schutzmaßnahmen privilegiert, um allen Menschen zu ermöglichen, sich mit den notwendigsten Gütern zu versorgen. Zunächst ging es dabei vor allem um Ausnahmen von generellen Schließungspflichten, nun um Ausnahmen von der 2G-Regelung. 

Die Differenzierung zwischen dem „täglichen Bedarf“ und dem, was nicht „alltäglich“ ist (oder sein soll), führt allerdings zu einiger Rechtsunsicherheit, zumal es insoweit grundlegend auf das jeweilige Bundesland und die Entscheidungspraxis des dortigen Oberverwaltungsgerichts ankommt. Dabei ergibt sich mit Blick auf 2G – derzeit – folgendes Bild:

Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht setzt 2G-Regelung insgesamt außer Vollzug

Mitte Dezember 2021 setzte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die 2G-Regelung im Einzelhandel in Niedersachsen bereits kurz nach deren Inkrafttreten außer Vollzug (OVG Nds., Beschluss vom 16. Dezember 2021 – 13 MN 477/21): In ihrer konkreten Gestalt sei sie unverhältnismäßig und daher keine notwendige Schutzmaßnahme i.S.d. § 28 Abs. 1 IfSG (Rn. 26). Als milderes, möglicherweise gleich geeignetes, jedenfalls aber hinreichend effektives und deutlich weniger eingriffsintensives Mittel komme vor allem eine Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken (oder Masken eines vergleichbaren Schutzniveaus) in Betracht. Es fehle deshalb, wenn nicht bereits an der Erforderlichkeit (Rn. 34 ff.), so doch zumindest an der Angemessenheit der 2G-Regelung (Rn. 50 ff.). In diesem Zusammenhang rügte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht auch in bemerkenswerter Deutlichkeit (Rn. 35), dass noch immer

verlässliche und nachvollziehbare Feststellungen zur tatsächlichen Infektionsrelevanz des Geschehens in Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels

fehlten. Trotz mehrfacher Beanstandung durch das Oberverwaltungsgericht sei „nicht ersichtlich“, dass das Land Niedersachsen

die Erforschung von Infektionsumfeldern […] intensiviert [habe], um die Zielgenauigkeit seiner Schutzmaßnahmen zu erhöhen.

Im Übrigen sei auch die Vereinbarkeit der konkreten 2G-Regelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG „erheblichen Zweifeln ausgesetzt“ (Rn. 60 ff.). In der Öffentlichkeit wurde Letzteres vielfach dahingehend missverstanden, dass das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht eine Differenzierung zwischen Geimpften/Genesenen und Ungeimpften beim Zutritt zu Einzelhandelsgeschäften für gleichheitswidrig erachtet habe. Tatsächlich ging es ihm um einen anderen Punkt: Auch in Niedersachsen waren „Einrichtungen des Einzelhandels“ mit bestimmten „Gütern des täglichen Bedarfs oder zur Grundversorgung der Bevölkerung“ durch eine Ausnahmeregelung (zuletzt § 9a Abs. 1 S. 3 und 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) von der 2G-Regelung ausgenommen worden. 

Welche Güter bzw. Läden erfasst waren, wurde durch die seinerzeit geltende Corona-Verordnung im Folgenden allerdings in einer Weise konkretisiert, die das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht für inkonsistent erachtete. Nach dem entsprechenden Ausnahmenkatalog wurden etwa „Gartenmarktgüter“, „Güter des Blumenhandels einschließlich der Güter des gärtnerischen Facheinzelhandels“ und „Güter zur Reparatur und Instandhaltung von Elektronikgeräten“ privilegiert: Für sie galt die 2G-Regelung nicht, für Baumärkte hingegen schon. Einen hinreichenden sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung konnte das Oberverwaltungsgericht nicht erkennen.

Erfolglose Eilanträge in anderen Bundesländern

Andere Oberverwaltungsgerichte sowie ein Verwaltungsgericht haben die 2G-Regelung im Einzelhandel in ihren jeweiligen Bundesländern demgegenüber im einstweiligen Rechtsschutz vorerst gebilligt (s. namentlich OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14. Dezember 2021 – 3 MR 31/21 –; OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2021 – 13 B 1858/21.NE1 –; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Dezember 2021 – 11 S 109/21 – und zuletzt OVG Bremen, Beschluss vom 4. Januar 2022 – 1 B 479/21; ferner VG Berlin, Beschluss vom 23. Dezember 2021 – VG 14 L 632/21).

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes trifft eine Eilregelung ausschließlich für Woolworth

Auch das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes lehnte es Ende Dezember 2021 ab, die 2G-Regelung im Saarland – so wie das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht für Niedersachsen – generell außer Vollzug zu setzen. Es entsprach einem Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO aber speziell mit Blick auf die dortige Antragstellerin, die Firma Woolworth (OVG Saarland, Beschluss vom 27. Dezember 2021 – 2 B 282/21). Grund für die Außervollzugsetzung war in diesem Fall ein (voraussichtlicher) Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG wegen des entsprechenden Ausnahmenkatalogs: Gemessen am dort angebotenen (Misch-)Sortiment sei es gleichheitswidrig, dass für Woolworth die 2G-Regelung und nicht die Ausnahme für „Ladenlokale der Grundversorgung“ gelte.

Rechtslage in Bayern gleicht einem Schweizer Käse

Geradezu skurril erscheint die Rechtslage in Bayern: Wegen der durchaus lebensnahen und gut vertretbaren, sicherlich aber nicht nur im Vergleich zu anderen Oberverwaltungsgerichten auch sehr großzügigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Hinblick darauf, was zu den Gütern des täglichen Bedarfs zählt, gleichen die 2G-Regelungen dort inzwischen einem Schweizer Käse. 

Gemessen am Maßstab des Verwaltungsgerichtshofes dürften zahlreiche Geschäfte für sich in Anspruch nehmen können, den täglichen Bedarf zu decken und daher von 2G ausgenommen zu sein. Hinzu kommt eine verwaltungsprozessuale Merkwürdigkeit, die sich mit dem Zusammenspiel der maßgeblichen Vorschrift des § 47 Abs. 6 VwGO und der Ausnahmeregelung für Geschäfte zur Deckung des täglichen Bedarfs erklärt: In den entsprechenden Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gewinnt der Antragsteller, wenn er formal verliert.

Rechtlicher Hintergrund: Ausnahmeregelung für Ladengeschäfte zur Deckung des täglichen Bedarfs im aktuellen bayerischen Infektionsschutzrecht

Nach § 10 Abs. 1 S. 1 der Fünfzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (15. BayIfSMV) vom 23. November 2021 ist die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr für Handelsangebote nur unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 und des § 4 Abs. 3 und 5 der 15. BayIfSMV gestattet,

soweit diese nicht der Deckung des täglichen Bedarfs dienen.

Der Verweis auf § 5 Abs. 1 15. BayIfSMV hat zur Folge, dass der Zugang grundsätzlich nur (vollständig) geimpften und genesenen Personen gestattet werden darf, sofern es sich um Personen handelt, die bereits 14 Jahre alt sind. Eine Ausnahme gilt – neben Personen unter 14 Jahren – durch den Verweis auf § 4 Abs. 3 Nr. 1 15. BayIfSMV für Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können und dies vor Ort insbesondere durch Vorlage eines geeigneten ärztlichen Zeugnisses im Original nachweisen können. Außerdem müssen solche Personen einen negativen Corona-Test vorlegen (wobei ein Antigen-Schnelltest genügt). Gem. § 4 Abs. 5 15. BayIfSMV sind die Einzelhändler zu entsprechenden Zugangskontrollen verpflichtet.

Demgegenüber darf aufgrund der Einschränkung, die § 10 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 15. BayIfSMV enthält („soweit diese nicht der Deckung des täglichen Bedarfs dienen“), zu Ladengeschäften, die der Deckung des täglichen Bedarfs dienen, grundsätzlich allen Personen Zutritt gewährt werden. Auch die Vorlage eines negativen Corona-Tests ist in diesem Fall nicht erforderlich. Generell müssen dann keine Zugangskontrollen durchgeführt werden. Was zum „täglichen Bedarf“ in diesem Sinne zählt, wird in § 10 Abs. 1 S. 2 15. BayIfSMV konkretisiert. Darin heißt es:

Zum täglichen Bedarf gehört insbesondere der Lebensmittelhandel einschließlich der Direktvermarktung, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Schuhgeschäfte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Hörakustiker, Tankstellen, der Verkauf von Presseartikeln und Tabakwaren, Filialen des Brief- und Versandhandels, Buchhandlungen, Blumengeschäfte, Tierbedarfsmärkte, Futtermittelmärkte, Baumärkte, Gartenmärkte, der Verkauf von Weihnachtsbäumen und der Großhandel.

Wie das Wort „insbesondere“ zu Beginn der Aufzählung zeigt, ist diese nicht abschließend. Neben den ausdrücklich genannten Geschäften können also weitere Läden von der 2G-Regelung ausgenommen sein, sofern sie der Deckung des täglichen Bedarfs dienen.

Der Freistaat Bayern hat in diesem Zusammenhang (nicht rechtsverbindliche) FAQ veröffentlicht. Darin findet sich auch eine regelmäßig aktualisierte Übersicht darüber, welche Einzelhandelsgeschäfte nach Ansicht des Freistaats nicht von der 2G-Regelung umfasst sind.

Allerdings neigt der Freistaat selbst seit jeher zu einer eher restriktiven Auslegung der Ausnahmeregelung für Ladengeschäfte zur Deckung des täglichen Bedarfs. Zudem unterscheidet sich die Handhabung zum Teil in den einzelnen Kommunen. Ganz anders als der Freistaat agiert der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, wie das Oberverwaltungsgericht in Bayern genannt wird (vgl. § 184 VwGO): So großzügig wie kein anderes Oberverwaltungsgericht ordnet er Läden der Deckung des täglichen Bedarfs zu (was freilich auch mit den bayerischen Rechtsgrundlagen zusammenhängt). Deshalb kommt es insbesondere im Gefolge seiner Entscheidungen zu Aktualisierungen der FAQ.

Schuhgeschäfte als Geschäfte zur Deckung des täglichen Bedarfs

So ist es schon dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu verdanken, dass sich in der Aufzählung des § 10 Abs. 1 S. 2 15. BayIfSMV inzwischen ausdrücklich auch die Schuhgeschäfte finden. Bereits im März 2021 hatte er – damals noch zu § 12 Abs. 1 S. 1 und 2 12. BayIfSMV – entschieden, dass ein Schuhgeschäft ein „sonstiges für die tägliche Versorgung unverzichtbares Ladengeschäft“ und deshalb von der seinerzeit bestehenden grundsätzlichen Schließungspflicht ab einer 7-Tage-Inzidenz von 100 ausgenommen sei (VGH Bayern, Beschluss vom 31. März 2021 – 20 NE 21.540).

Bereits in dieser Entscheidung zeigte sich auch die angesprochene verwaltungsprozessuale Merkwürdigkeit: Die Antragstellerin hatte beantragt, die entsprechende Regelung der 12. BayIfSMV, die Betriebsschließungen vorsah und von der sie sich – offenbar im Einklang mit der Rechtsauffassung des Freistaats Bayern – erfasst wähnte, im einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 47 Abs. 6 VwGO vorläufig außer Vollzug zu setzen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof lehnte ihren Antrag jedoch ab: Dieser sei bereits unzulässig, da der Antragstellerin die gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 VwGOerforderliche Antragsbefugnis fehle. Was gewöhnlich für einen Antragsteller eine schlechte Nachricht gewesen wäre, war hier eine gute: Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs konnte die Antragstellerin nicht, wie nach dieser Vorschrift erforderlich, geltend machen, durch den angegriffenen Verbotstatbestand der 12. BayIfSMV in ihren Rechten verletzt zu sein, weil sie von diesem gar nicht erfasst wurde. Da sie ein Schuhgeschäft betreibe, sie ihr Laden als „sonstiges für die tägliche Versorgung unverzichtbares Ladengeschäft“ von der Schließungspflicht ausgenommen.

Zuvor hatte der Bayerische Verfassungsgerichtshof bereits im Hinblick auf Versicherungsagenturen angenommen, diese müssten als „für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte“ nicht gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 11. BayIfSMVschließen (VGH Bayern, Beschluss vom 3. März 2021 – 20 NE 21.391), und einen Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO deshalb abgelehnt.

Spielwarengeschäfte als Geschäfte zur Deckung des täglichen Bedarfs

Gleichsinnig entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof Mitte Dezember 2021 – diesmal im Zusammenhang mit der 2G-Regelung – in Bezug auf ein Spielwarengeschäft (VGH Bayern, Beschluss vom 17. Dezember 2021 – 20 NE 21.3012): Der Antragsteller wähnte sich auch in diesem Fall – offenbar erneut im Einklang mit der Rechtsauffassung des Freistaats Bayern – von der entsprechenden Beschränkung (§ 10 Abs. 1 S. 1 15. BayIfSMV) erfasst und hatte deshalb deren vorläufige Außervollzugsetzung nach § 47 Abs. 6 VwGO beantragt.

Wieder lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Antrag mangels Antragsbefugnis als unzulässig ab, und wieder war dies für den Antragsteller eine gute Nachricht – sieht man von der Pflicht zur Kostentragung nach § 154 Abs. 1 VwGO ab, die einen Antragsteller grundsätzlich auch im Fall eines solchen „verkappten“ Sieges trifft, da er formal gleichwohl unterliegt. Spielwarengeschäfte dienten, so der Verwaltungsgerichtshof, zumal in der Weihnachtszeit, der Deckung des täglichen Bedarfs und würden daher ohnehin nicht von der 2G-Regelung erfasst.

Dies begründete er wie folgt: Die Auslegung, was zum „täglichen Bedarf“ zähle, werde maßgeblich durch die Regelbeispiele angeleitet, die § 10 Abs. 1 S. 2 15. BayIfSMV nenne (entsprechend zuvor: § 12 Abs. 1 S. 2 11./12. BayIfSMV). Diese belegten, dass Ladengeschäfte nicht erst dann erfasst seien, wenn sie der Deckung eines im eigentlichen Wortsinn „täglich“ auftretenden Bedarfs jedes Einzelnen dienten, sondern vielmehr schon dann, wenn sie einen individuellen Bedarf abdeckten, der jederzeit und damit „täglich“ eintreten könne (Rn. 13). Überdies zeige sich mit Blick auf die Regelbeispiele eine „heterogene Gemengelage“ (Rn. 14): Einige der genannten Läden seien

eindeutig der (lebens-)notwendigen Grund- und Akutversorgung zuzuordnen […], andere hingegen ebenso eindeutig nicht […]. Wenn aber auch solche nicht der notwendigen Akutversorgung dienenden Ladengeschäfte ausdrücklich von den Zugangsbeschränkungen ausgenommen sind, kann ein Bedarf i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 15. BayIfSMV jedenfalls kein größeres Gewicht und keine höhere Dringlichkeit voraussetzen[,] als dem Bedarf an Buchhandlungen, Blumenfachgeschäften und Gartenmärkten zukommt.

Auf der Grundlage dieses Subsumtionsmaßstabs begründete der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Einschlägigkeit der Ausnahmeregelung im Hinblick auf Spielwarengeschäfte sodann folgendermaßen (Rn. 16):

Obwohl das Angebot von Spielwarengeschäften im Regelfall keine lebensnotwendigen Bedarfsgüter umfasst, haben Spielwaren – was der Senat als allgemein bekannt voraussetzt – bei generalisierender Betrachtung jedenfalls für Kinder und zumal in der Weihnachtszeit (mindestens) dieselbe Bedeutung wie (für Erwachsene) Bücher, Schnittblumen und Gartengeräte.

Bekleidungsgeschäfte als Geschäfte zur Deckung des täglichen Bedarfs

Ende Dezember 2021 entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof schließlich, dass auch Bekleidungsgeschäfte nach dem bereits dargestellten Subsumtionsmaßstab als Ladengeschäfte zur Deckung des täglichen Bedarfs anzusehen seien und deshalb von der 2G-Regelung nicht erfasst würden (VGH Bayern, Beschluss vom 29. Dezember 2021 – 20 NE 21.3037).

Auch in diesem Fall hatten offenbar sowohl die Antragstellerin als auch der Freistaat Bayern angenommen, dass die Ausnahmevorschrift für Ladengeschäfte zur Deckung des täglichen Bedarfs nicht einschlägig sei. Die Antragstellerin hatte jedenfalls auch hier die vorläufige Außervollzugsetzung der 2G-Regelung nach § 10 Abs. 1 S. 1 15. BayIfSMV beantragt. Wieder lehnte der Verwaltungsgerichtshof den Antrag mangels Antragsbefugnis als unzulässig ab. Zur Begründung für seine Einordnung von Bekleidungsgeschäften führte er aus (Rn. 15):

Bekleidung gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen, deren Bedeutung für die Allgemeinheit nicht hinter Schuhe, Bücher, Schnittblumen und Gartengeräte zurücktritt. Der Bedarf an Kleidung besteht zudem täglich.

Problem: dennoch Kostenlast wegen Unterliegens

Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass es durchaus eine Möglichkeit gäbe, den Antragstellern in entsprechenden Fällen – trotz ihres formalen Unterliegens – auch die Kosten des Verfahrens zu ersparen, jedenfalls wenn der Freistaat Bayern selbst zu erkennen gegeben hat, die jeweiligen Ladengeschäfte nicht als solche zur Deckung des täglichen Bedarfs anzusehen. Dann könnten (und sollten) ihm als Antragsgegner gemäß § 155 Abs. 4 VwGO auch dann die Kosten des Verfahrens auferlegt werden, wenn ein Antrag als unzulässig abgelehnt wird, weil der jeweilige Antragsteller doch von der entsprechenden Ausnahmevorschrift erfasst wird. Nach § 155 Abs. 4 VwGO können Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden. Richtigerweise gilt insoweit: Ein Antragsteller muss nicht klüger sein als der Freistaat Bayern, zumal dieser die Möglichkeit hätte, seine Rechtsgrundlagen klar(er) zu gestalten. Falsche bzw. irreführende Behauptungen, explizit oder implizit, zur rechtlichen Qualifikation eines Geschäfts sind grundsätzlich „schuldhaft“ und kausal für die Verfahrenskosten.

Im Übrigen können Antragsteller die Pflicht zur Kostentragung ggf. vermeiden, indem sie nicht im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vorgehen, sondern nach § 123 Abs. 1 VwGO beim jeweils örtlich zuständigen Verwaltungsgericht die vorläufige Feststellung beantragen, nicht der 2G-Regelung zu unterfallen (vgl. dazu namentlich in Bezug auf ein Textilhandelsgeschäft VG Regensburg, Beschluss vom 23. Dezember 2021 – RO 5 E 21.2425). Ein solches Vorgehen bringt zwar auch Nachteile mit sich, kann aber insbesondere Sinn ergeben, wenn ein Antragsteller angesichts der großzügigen Entscheidungspraxis des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs erwarten darf, nach Auffassung des jeweiligen Verwaltungsgerichts ein Ladengeschäft zur Deckung des täglichen Bedarfs zu betreiben. Im Regelfall orientieren sich natürlich auch die Verwaltungsgerichte an der Spruchpraxis „ihres“ Oberverwaltungsgerichts.

Fazit: 2G im Einzelhandel – erheblicher Regelungsaufwand, erhebliche Regelungsunsicherheit und ein Geschenk für den Versandhandel

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die 2G-Regelung im Einzelhandel zu erheblichem Regelungsaufwand geführt und zugleich auch erhebliche Regelungsunsicherheit mit sich gebracht hat, gerade weil es – auch aus verfassungsrechtlichen Gründen – zwingend geboten ist, bestimmte Bereiche auszunehmen. Dabei geht es nicht allein um Güter, die lebensnotwendig sind. Der Mensch darf nicht allein auf seine physische Existenz reduziert werden. Einen bestimmten „Grundbedarf“ zu definieren, dessen Deckung jederzeit möglich sein muss, fällt jedoch schwer und birgt – zumal in einem freiheitlich verfassten Staat – ständig das Risiko, sich in unauflösbare Wertungswidersprüche zu verstricken. Wenn etwa – aus einleuchtenden Gründen – Buchhandlungen privilegiert werden, stellt sich die Frage, warum Gleiches im Lichte der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 GG) nicht auch für Kunsthandlungen gelten sollte. Letztlich kann bei offener Formulierung der jeweiligen Ausnahmevorschriften in zahlreichen Fällen ein „täglicher Bedarf“ begründet werden. Sind Ausnahmenkataloge dagegen abschließend formuliert, erscheinen regelmäßig – wie im niedersächsischen Fall – Verstöße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG zumindest naheliegend. Freilich sind viele (Ober-)Verwaltungsgerichte hier bislang zurückhaltender.

Bereits die Frage, ob die 2G-Regelung im Einzelhandel wirklich zum Infektionsschutz beiträgt, wird kontrovers beurteilt. Mehr noch gilt das für die Frage, ob der damit verbundene Grundrechtseingriff tatsächlich erforderlich und angemessen ist. Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Schwierigkeiten und „Ungereimtheiten“ stellt sich aber auch die Frage nach der politischen „Räson“ entsprechender Regelungen. Fest steht jedenfalls: Für den stationären Einzelhandel bedeutet 2G – erneut – eine harte Einschränkung, von der insbesondere der Versandhandel profitiert. Betroffene Einzelhändler sollten daher in jedem Fall genau prüfen, ob entsprechende Einschränkungen für sie überhaupt gelten, und ggf. verwaltungsgerichtlichen (Eil-)Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Hat der Staat – zumal durch Berufung auf eine in Wahrheit nicht bestehende Rechtslage – veranlasst, dass ungeimpfte Kunden unnötigerweise ausgeschlossen wurden, stellt sich überdies die Frage nach Staatshaftungsansprüchen.

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