“Organised crime is using international arbitration to launder money”. Diese Nachricht war letzte Woche in dem Artikel “Wising up the wise guys” auf der Internetseite The Lawyer zu lesen. Ist an dieser These etwas dran? Jedenfalls ist sie Grund genug, sich mit folgenden Fragen zu auseinanderzusetzen.
Werden Schiedsverfahren tatsächlich zur Geldwäsche missbraucht?
In der Sache geht es um Schiedsverfahren, in denen ein „Scheingefecht″ über ein fingiertes Rechtsverhältnis ausgetragen wird. Das Schiedsgericht erlässt als „undoloses Werkzeug“ einen Schiedsspruch, der die Grundlage für anschließende Geldwäschetransaktionen bildet und diese quasi legitimieren bzw. offizialisieren soll. Aufgedeckte Fälle sind bisher nicht bekannt. Jedoch ist diese ausgefeilte Methode der Geldwäsche aufgrund der Erfahrungen zahlreicher Schiedsrichter immer wieder Thema vor allem von Schiedsrechtskonferenzen gewesen. Grund genug, sensibel für das Thema zu sein.
Müssen wir uns Sorgen um die Integrität der Schiedsgerichtsbarkeit als Streitbeilegungsmittel Nr. 1 in grenzüberschreitenden Rechtsverhältnissen machen?
Diese Frage ist mit einem klaren Nein zu beantworten. Zum einen kann davon ausgegangen werden, dass die Zahl derartiger Schiedsverfahren eher gering bemessen ist. Das (Aus-)nutzen der Schiedsgerichtsbarkeit in dieser Form gehört für die Straftäter sicherlich zu den besonders schwierigen Techniken der Straftatbegehung und erfordert ein tiefgehendes Verständnis der Sachmaterie Schiedsgerichtsbarkeit. Die Durchführung eines Scheingefechts erfordert vor einem Schiedsgericht erfordert zudem einen hohen finanziellen und organisatorischen Aufwand. Ferner ist die Durchführung durchaus mit dem Risiko für die Verantwortlichen verbunden, dass die Sache auffliegt. Zum anderen ist die Durchführung solcher Verfahren nicht durch strukturelle Schwächen begünstigt, die der Schiedsgerichtsbarkeit zu Eigen wären und sich auf diese beschränken würden. Auch im staatlichen Verfahren beherrschen die Parteien aufgrund der Geltung des Verhandlungsgrundsatzes den inhaltlichen Ausgang des Verfahrens weitgehend. Daher können auch staatliche Gerichte Opfer von Missbrauch werden, wie das schon vor Jahren diskutierte Beispiel des sog. Scheinprozesses zeigt.
Wie sollten Schiedsrichter sich in solchen Fälle verhalten?
Wie im staatlichen Verfahren sind die Parteien eines Schiedsverfahrens der Wahrheit verpflichtet. Auch dann, wenn der Schiedsrichter an der Wahrheit ihres Sachvortrags zweifelt, bedeutet dies nicht das Ende der unredlichen Bemühungen. Solange die Schiedsparteien in tatsächlicher Hinsicht „gemeinsame Sache“ machen, ist das Schiedsgericht an den Sachvortrag gebunden und keinesfalls ermächtigt, nun von sich aus Sachverhaltsermittlungen gegen den Willen beider Parteien vorzunehmen. Dies gilt selbst für den Fall, dass die Schiedsparteien keine eigenen Verfahrensvereinbarungen getroffen haben, sondern es bei dem nach deutschem Schiedsrecht geltenden „beschränkten Untersuchungsgrundsatz“ belassen. Wie das Wort „beschränkt“ schon andeutet, hängen die schiedsgerichtlichen Ermittlungsbefugnisse von der Herrschaft der Parteien über das Schiedsverfahren ab. Die Parteiautonomie bestimmt das Verfahren. Solange die Parteien einvernehmlich handeln, sind eigenmächtige Ermittlungen des Schiedsgerichts abgeschnitten. Der Schiedsrichter hat weder die Rolle eines Strafgerichts noch die einer Polizeibehörde (und im Übrigen nicht deren Mittel). Die Grenzen der Parteiautonomie sind daher erst dort erreicht, wo dass Schiedsgericht von dem unwahren Parteivortrag überzeugt ist oder aber hinreichende Hinweise auf das Vorhaben der Parteien hat, das Verfahren für unlautere Zwecke zu missbrauchen. Die Messlatte liegt also sehr hoch.
Was tun, wenn das Schiedsgericht vom Missbrauch überzeugt ist? Ein Ausnutzen des Schiedsverfahrens zur Straftatbegehung stellt einen institutionellen Rechtsmissbrauch dar. Gelangt das Schiedsgericht daher im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung zu dem Schluss, dass die Schiedsparteien keinen wirklichen Rechtsschutz begehren, sondern vielmehr sittenwidrige Zwecke vor Augen haben, dann kann es das Schiedsverfahren gegen deren Willen beenden. Die Verfahrenszwecke bewirken zum einen die Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung, zum anderen sind sie verfahrensfremd, so dass den Parteien das Rechtsschutzbedürfnis zu versagen ist. Vom Schiedsrichteramt kann der Schiedsrichter sich zudem durch Kündigung des Schiedsrichtervertrags aus wichtigem Grund lösen.
Allerdings ist ein Schiedsgericht nicht verpflichtet, einen Verdacht oder etwaige Hinweise auf die zukünftige Begehung einer Geldwäsche den zuständigen Strafverfolgungsbehörden anzuzeigen. Gesetzliche Meldepflichten, wie sie z.B. im nach dem Geldwäschegesetz bestehen, gelten für Schiedsrichter nicht. Gleichwohl sind sie keinesfalls daran gehindert, einen Verdacht bei den zuständigen Behörden anzuzeigen. Gegen Schweigepflichten verstößt der Schiedsrichter in diesem Fall nicht. Sämtliche berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten finden auf den Schiedsrichter keine Anwendung, selbst wenn dieser in seinem sonstigen Berufsleben einer Richter-, Notars- oder Anwaltstätigkeit nachgeht. In gleicher Weise ist der Schiedsrichter auch nicht der strafrechtlichen Schweigepflicht aus § 203 StGB unterworfen. Zu beachten hat der Schiedsrichter einzig und allein die Pflicht zur allgemeinen Verschwiegenheit aus dem Schiedsrichtervertrag. Die vertragliche Auslegung dieser Verschwiegenheitspflicht ergibt jedoch, dass die Offenlegung von Straftaten von der Verpflichtung nicht erfasst ist. Im Übrigen wäre sie auf Grundlage des rechtfertigenden Notstands zulässig. Schließlich greift die gesetzliche (Haftungs-)Freistellung des § 12 GwG zugunsten des Schiedsrichters.
Gibt es klare Zeichen für den Missbrauch? Klar sind die Zeichen sicherlich selten. In erhöhte Aufmerksamkeit sollte jeder Schiedsrichter jedoch versetzt sein, wenn der von den Schiedsparteien vorgetragene Sachverhalt und die in diesem Zusammenhang vorgelegten Dokumente nicht authentisch erscheinen. Auch das Prozessverhalten des Schiedsbeklagten wird in Bezug auf die tatsächlichen aber auch rechtlichen Grundlagen des Schiedsspruchs in der Regel außergewöhnlich klägerfreundlich ausgestaltet sein.
Macht sich der Schiedsgericht zum strafbaren Gefährten? Je offener die Straftatbegehung zu Tage tritt, desto eher besteht auch für die Schiedsrichter die Gefahr, selbst zum Täter oder wenigstens zum strafbaren Gehilfen zu werden. Erkennt ein Schiedsrichter leichtfertig die kriminelle Herkunft etwaiger Gelder nicht, die die Parteien an ihn leisten, dann wird er sich im Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts regelmäßig wegen Geldwäsche strafbar machen. Beihilfe zur Geldwäsche ist durch den Erlass des Schiedsspruchs denkbar. Allerdings überschreitet der Schiedsrichter erst dann die Schwelle zur Strafbarkeit, wenn die Umstände sehr deutlich auf ein strafbares Vorhaben der Schiedsparteien hinweisen, und der Schiedsrichter trotz allem den von den Parteien erstrebten Schiedsspruch erlässt. Strafrechtliche Konsequenzen müssen Schiedsrichter folglich kaum fürchten.