22. März 2018
Investment Arbitration
Dispute Resolution

Investment Arbitration – Internationales Recht trifft auf Politik

Internationales Recht, Politik, betriebswirtschaftliche Aspekte – Investment Arbitration ist eine vielseitige und spannende Form der Streitbeilegung.

Investment Arbitration ist eine Form der Streitbeilegung, die häufig in völkerrechtlichen Investitionsschutzabkommen vorgesehen ist. Solche Abkommen werden durch zwei oder mehrere Staaten abgeschlossen, um gegenseitige Investitionen zu fördern. Zu diesem Zweck werden Schutzstandards für Investitionen festgeschrieben, die von Investoren eines Vertragsstaats im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaats getätigt werden. Hierzu gehören beispielsweise der Schutz vor entschädigungslosen Enteignungen, vor Diskriminierung gegenüber inländischen Investoren und Investoren aus Drittstaaten, sowie vor unfairer und ungerechter Behandlung durch den Staat und seine Organe.

Kommt es zu einem Streit, ob ein Staat gegen diese Schutzstandards verstoßen hat, enthalten die meisten Investitionsschutzabkommen ein eigenständiges Recht für den Investor (der selbst gar nicht Partei des Abkommens ist), vor einem internationalen Schiedsgericht Klage gegen diesen Staat zu erheben. Stellt das Schiedsgericht einen Verstoß gegen einen der Schutzstandards durch ein dem Staat zurechenbares Handeln fest, hat der Investor Anspruch auf Ersatz des finanziellen Schadens, der ihm durch diesen Verstoß entstanden ist. Dieser Schaden kann auch den entgangenen Gewinn aus der Investition umfassen, wenn der Investor mit hinreichender Sicherheit belegen kann, dass er diesen Gewinn ohne den Verstoß auch tatsächlich erwirtschaftet hätte.

Wo Investment Arbitration zur Anwendung kommt

Derzeit gibt es weltweit fast 3.000 bilaterale Investitionsschutzabkommen. Alleine Deutschland hat über 130 solcher Abkommen geschlossen und deutsche Investoren profitieren seit Jahrzehnten von deren Schutz.

Daneben gibt es multilaterale Abkommen wie beispielsweise den Energiecharta-Vertrag, der in den 90er Jahren zwischen insgesamt 52 europäischen und asiatischen Staaten sowie der EU und der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) geschlossen wurde. Er sollte den Zugang der Staaten in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion zu den europäischen Energiemärkten fördern und eine sichere Energieversorgung gewährleisten. Zu diesem Zweck enthält der Vertrag auch Vorschriften zum Schutz von ausländischen Investitionen und die Möglichkeit für Investoren, Verstöße gegen diese Schutzvorschriften vor Schiedsgerichten geltend zu machen.

Unter dem Energiecharta-Vertrag wurden erstmals auch gegen Deutschland von einem schwedischen Energiekonzern zwei Investor-Staat Schiedsverfahren eingeleitet. Während das erste bereits früh durch Vergleich endete, steht das zweite Verfahren kurz vor dem Abschluss. In diesem Verfahren klagt der schwedische Investor auf Entschädigung wegen entgangener Gewinne aus Investitionen in deutsche Atomkraftwerke, die der Investor getätigt hatte, kurz bevor die Bundesregierung nach dem schweren Atomunfall in Fukushima 2011 den Ausstieg aus der Atomenergie beschloss. Da die Bundesregierung kurz zuvor noch eine Verlängerung der Laufzeiten angekündigt hatte, sieht der Investor in der Abkehr hiervon einen Verstoß gegen Deutschlands Verpflichtungen unter dem Energiecharta-Vertrag. Die Entscheidung des Schiedsgerichts wird für das zweite Quartal 2018 erwartet.

In den vergangenen Jahren hat der Energiecharta-Vertrag zu einer Fülle von Verfahren gegen Staaten in Südeuropa geführt. Insbesondere Spanien und Italien hatten zur Förderung erneuerbarer Energien und speziell der Solarenergie nach der Jahrtausendwende Investoren in diesem Bereich per Gesetz oder Dekret hohe Subventionen in Aussicht gestellt. Durch diese Energiepolitik stiegen die Investitionen und damit auch die Kosten für die Bereitstellung der Subventionen stark an. Im Zuge der Finanzkrise wurden die Subventionen, auch für bereits operative Solarparks, durch verschiedene gesetzliche Maßnahmen schrittweise gekürzt und teilweise ganz eingestellt. Solarparks erwirtschaften daher nicht mehr die ursprünglich avisierte Rendite und sind in manchen Fällen gänzlich unrentabel geworden, sodass der Betrieb eingestellt werden muss oder gar nicht erst aufgenommen werden kann. Ob dies eine Verletzung von Schutzstandards im Energiecharta-Vertrag darstellt, hängt stark von den Umständen des Einzelfalls ab und wird in den bislang ergangenen Schiedssprüchen daher auch unterschiedlich beurteilt. Alleine gegen Spanien sind derzeit noch knapp 40 solcher Verfahren anhängig.

Weshalb Investment Arbitration so vielseitig ist

Maßstab für die Entscheidung eines Schiedsgerichts über die Klage eines Investors sind die Vorschriften und insbesondere die Schutzstandards in dem Investitionsschutzabkommen, auf das der Investor seine Klage stützt. Hinzu kommen Grundsätze des internationalen Rechts, die sich durch langjährige Rechtsprechung und Gewohnheit herausgebildet haben.

Das nationale Recht des Staats, in dem investiert wurde, kommt zwar nicht direkt zur Anwendung, spielt aber meist ebenfalls eine Rolle. So kann es beispielsweise bereits bei der Frage, ob eine geschützte Investition vorliegt, relevant werden, ob die Investition im Einklang mit den lokal geltenden Vorschriften getätigt wurde. Auch die Frage, ob die Erwartungen eines Investors an das regulatorische Umfeld für seine Investition schutzwürdig sind, hängt unter anderem von der Rechtslage zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung sowie davon ab, ob sich zu diesem Zeitpunkt bereits Änderungen im nationalen Recht abzeichneten.

Zusammenspiel von Recht und Politik – das Regulierungsrecht des Staats

Im Zusammenhang mit den vom Schiedsgericht zu beurteilenden rechtlichen Fragen spielen im Bereich Investment Arbitration auch politische Aspekte eine wichtige Rolle. Mit seiner Klage greift der Investor staatliche Maßnahmen an, die aus seiner Sicht gegen die internationalen Verpflichtungen des Staats verstoßen.

Ausgangspunkt ist das Recht eines souveränen Staates, seine innerstaatlichen Angelegenheiten entsprechend der von ihm verfolgten Politik zu regulieren und das regulatorische Umfeld abzuändern und fortzuentwickeln. Dieses Regulierungsrecht gilt grundsätzlich auch gegenüber ausländischen Investoren, sodass nicht jede Beeinträchtigung einer Investition auch einen Verstoß gegen internationales Recht darstellt. Umgekehrt bedeutet alleine das Verfolgen eines öffentlichen Interesses noch nicht, das eine Ausübung legitimer regulatorischer Staatsgewalt vorliegt, die vom Investor entschädigungslos hinzunehmen ist.

Insoweit spielt auch eine Rolle, ob und wie sich staatliche Stellen vor und nach der Investitionsentscheidung gegenüber der konkreten Investition geäußert haben und ob die angegriffenen Maßnahmen auf politischen Motiven beruhen. So kann es beispielsweise sein, dass ein Staat nach einem Regierungswechsel eine geänderte, sich auf die Investition negativ auswirkende Politik verfolgt. Verstößt der Staat dabei gegen konkrete Zusagen, die unter der vorherigen Regierung abgegeben wurden, kann ein Verstoß gegen die berechtigten Erwartungen des Investors vorliegen, der den Staat zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet.

Schadensersatz bedeutet hierbei Entschädigung in Geld. Ein Schiedsgericht kann dem Staat nicht aufgeben, bestimmte Genehmigungen zu erteilen oder Gesetze zu ändern.

Betriebswirtschaftliche Aspekte bei der Schadensbewertung

Spätestens wenn es um die Höhe eines Schadensersatzanspruchs geht, ist häufig ein gutes betriebswirtschaftliches Verständnis gefragt. Liegt ein Verstoß gegen einen Schutzstandard vor, hat der Investor Anspruch darauf, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der Staat im Einklang mit seinen internationalen Verpflichtungen gehandelt hätte.

Dies erfordert zunächst eine tatsächliche Feststellung, wie sich die Investition – häufig ein im beklagten Staat gegründetes Tochterunternehmen – ohne den Verstoß wahrscheinlich weiterentwickelt hätte. Bei Investitionen, die nicht über das Entwicklungsstadium hinausgegangen sind, weil beispielsweise eine wichtige Lizenz oder Genehmigung zum Betrieb am Ende der Entwicklungsphase nicht erteilt wurde, muss der Investor zunächst belegen, dass das Projekt alleine wegen der staatlichen Maßnahme(n) gescheitert ist.

Gelingt dem Investor dieser Beleg oder wurden mit dem Tochterunternehmen bereits operative Erträge erwirtschaftet, werden als Schaden häufig die durch die staatliche Maßnahme(n) entgangenen (zusätzlichen) Gewinne geltend gemacht. Im Falle einer Enteignung kann auch das gesamte Tochterunternehmen zu bewerten sein. Eine Berechnung der entgangenen Gewinne erfolgt in Investment Arbitration häufig nach komplexen betriebswirtschaftlichen Bewertungsmethoden, die durch Parteisachverständige beider Seiten angewandt und dem Schiedsgericht in umfangreichen Gutachten vorgelegt werden. Insbesondere als Parteivertreter ist es essentiell, die Bewertung der Sachverständigen im Detail nachvollziehen und gegenüber dem Schiedsgericht verständlich darlegen und erläutern zu können.

Kritik an Investment Arbitration

An der Investor-Staat Schiedsgerichtsbarkeit in ihrer jetzigen Form gibt es seit einiger Zeit durchaus nachvollziehbare Kritik. In Deutschland kamen die Verfahren vor allem durch das Verfahren gegen die Bundesrepublik im Zusammenhang mit dem Atomausstieg und die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) verstärkt in den öffentlichen Fokus.

Kritisiert werden mangelnde Transparenz der Verfahren und fehlende Beständigkeit der Rechtsprechung. Hinzu kommt bei einigen Kritikern die Tatsache, dass überhaupt nicht-staatliche Schiedsgerichte über die Haftung von Staaten entscheiden.

Mehr Transparenz gefordert

Der Ruf nach mehr Transparenz ist berechtigt. Zwar liegt es zunächst im traditionellen Wesen der Schiedsgerichtsbarkeit, dass Verfahren nicht öffentlich geführt werden und Schiedssprüche nur bei Zustimmung aller beteiligten Parteien veröffentlicht werden dürfen. Anders als bei Handelsschiedsverfahren zwischen zwei privaten Unternehmen geht es bei Verfahren mit Beteiligung der öffentlichen Hand jedoch um öffentliche Interessen und, im Falle einer Verurteilung zu einer Entschädigungsleistung, um beträchtliche Summen, die im Zweifel aus Steuergeldern gezahlt werden müssen.

Wenn sich alle Parteien einig sind, ist mehr Transparenz durchaus möglich. So konnte die interessierte Öffentlichkeit beispielsweise die mündliche Verhandlung im Schiedsverfahren gegen die Bundesrepublik per Video Stream online mitverfolgen. Interessanterweise sind es jedoch meistens die beklagten Staaten, die sich gegen zu viel Transparenz wehren. Internationale Bemühungen wie die Ratifizierung der Mauritius Konvention für mehr Transparenz in Investor-Staat Schiedsverfahren kommen – auch in Deutschland – nur langsam voran.

Überprüfung von Schiedssprüchen in zweiter Instanz

Forderungen nach mehr Beständigkeit in der Rechtsprechung sind häufig mit der Diskussion über die Einführung einer zweiten Entscheidungsinstanz verbunden. Bislang zeichnet sich die Schiedsgerichtsbarkeit dadurch aus, dass es keine Berufungs- oder Revisionsinstanz gibt. Schiedssprüche können nur im Rahmen eines Aufhebungsverfahrens in eng begrenztem Umfang auf grundlegende Verfahrensfehler, Widersprüche und teilweise auch auf Verstöße gegen den ordre public geprüft werden. Eine Nachprüfung der rechtlichen Bewertung des Sachverhalts durch das Schiedsgericht erfolgt gerade nicht.

In der Praxis orientieren sich die Schiedsgerichte durchaus an bereits ergangenen Entscheidungen, daran gebunden sind sie aber nicht. Dies liegt zum Teil auch daran, dass die Schutzstandards in den verschiedenen Abkommen häufig ähnlich, aber doch nicht identisch formuliert sind. Eine Revisionsinstanz oder auch eine Vorabentscheidungsinstanz nach dem Vorbild des EuGH im EU-Recht könnte dazu beitragen, allgemeine Prinzipien und Auslegungskriterien klarer herauszuarbeiten.

Initiative der EU Kommission für einen Investitionsgerichtshof

Einen neuen Ansatz, der auf einen Vorschlag aus Deutschland zurückgeht, verfolgt derzeit die EU Kommission. Nach ihrer Vorstellung soll die Investor-Staat Schiedsgerichtsbarkeit mittel- bis langfristig durch einen multilateralen Investitionsgerichtshof einschließlich einer Berufungsinstanz ersetzt werden. Der Rat der EU hat die Kommission erst vor kurzem ausdrücklich ermächtigt, im Namen der EU ein Übereinkommen für einen solchen Investitionsgerichtshof auszuhandeln, und Verhandlungsrichtlinien vorgegeben.

Auch kurzfristig strebt die EU in den von ihr verhandelten Freihandelsabkommen deutliche Änderungen gegenüber den bislang vorherrschenden Formen der Streitbeilegung an. So soll es keine von den Parteien des Schiedsverfahrens benannten Schiedsgerichte mehr geben, sondern ein ständiges Gericht, dessen Richter von den Parteien des Abkommens ausgewählt werden. Zudem soll es eine vollwertige zweite Instanz geben, die das erstinstanzliche Urteil in rechtlicher und auch tatsächlicher Hinsicht überprüfen kann.

Dieser neue Ansatz wurde erstmals in das von der EU mit Vietnam verhandelten Abkommen sowie – etwas überraschend – auch in das Abkommen mit Kanada (CETA) aufgenommen. Andere Staaten hingegen stehen einer Abkehr von der Investor-Staat Schiedsgerichtsbarkeit sehr skeptisch gegenüber, sodass noch offen ist, wie sich die Initiative der EU weiterentwickeln wird.

Investment Arbitration wird sich weiterentwickeln

Investment Arbitration ist ein vielseitiger Anwendungsbereich des internationalen Rechts, der auch von politischen und betriebswirtschaftlichen Aspekten geprägt wird. Dies spiegelt sich nicht zuletzt im Reformprozess dieses Bereichs selbst wieder, der stark von politischen Strömungen in den einzelnen Staaten beeinflusst wird.

Die Investor-Staat Schiedsgerichtsbarkeit muss und wird sich weiterentwickeln, hin zu mehr Transparenz und möglicherweise auch einer beständigeren Rechtsprechung. Es bleibt weiterhin spannend, den Reformprozess zu verfolgen und auch aktiv mitzugestalten. Dies gilt nicht nur für die Initiative der EU Kommission, in die auch Schiedsinstitutionen und Praktiker eingebunden werden.

Auch die Schiedsinstitutionen selbst wie beispielsweise ICSID, die Schiedsstelle der Weltbank in Washington DC, rüsten sich für die geänderten Bedürfnisse der Schiedsverfahren von morgen und überarbeiten ihre Schiedsordnungen entsprechend der Reformvorschläge ihrer Nutzer.

Wie die in den letzten Jahren stark gewachsene Zahl an Investor-Staat Schiedsverfahren zeigt, besteht ein großer Bedarf für Investitionsschutz und Beilegung von Streitigkeiten durch unabhängige, neutrale (Schieds-)Gerichte. Dieser Bedarf wird angesichts der fortschreitenden Globalisierung von Investitionsströmen fortbestehen und es wird eine der großen Herausforderungen sein, Investitionsstreitigkeiten unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der beteiligten Investoren und Staaten zeitgemäß beizulegen.

Sehen Sie auch das Video aus der Edge Reihe zum Thema „Investment Arbitration: Internationales Recht trifft auf Politik„.

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