23. August 2021
Online-Klagetool
Dispute Resolution

Klageeinreichung zukünftig per Online-Klagetool möglich?

Ein Online-Klagetool soll die Klageeinreichung zukünftig erleichtern. Was steht dahinter und welche Auswirkungen wird die neue Klagemöglichkeit haben?

Hintergrund des vom Bundesjustizministerium initiierten Projekts ist die Erkenntnis, dass insbesondere bei Ansprüchen mit geringer Forderungshöhe Anspruchsinhaber häufig von Klagen absehen, da sie den dafür nötigen Aufwand, das Prozesskostenrisiko und ggfs. auch die Kosten für einen Anwalt scheuen. 

Online-Klagetool soll den Zugang zur Justiz für alle Bürger verbessern

Es gibt mittlerweile zahlreiche private Rechtsdienstleister, wie z.B. „MyRight“, „MyFlight“ oder „wenigermiete.de“, derer sich Verbraucher in bestimmten Schadenskonstellationen – wie z.B. bei Flugverspätungen oder Mängeln an der Mietwohnung – bedienen können, um Schäden einzuklagen. Die Rechtsdienstleister werben in der Regel damit, dass der Service für die Verbraucher ohne Aufwand und Prozesskostenrisiko verbunden ist. Kostenlos ist er allerdings nicht. Im Fall der erfolgreichen Durchsetzung des Anspruchs müssen bis zu 30 % der Klageforderung den Rechtsdienstleistern überlassen.

Die Bundesregierung sieht daher insbesondere bei Ansprüchen mit geringer Forderungshöhe Handlungsbedarf. Sollte sich das Online-Klagetool als brauchbare und nützliche Form der Klageerhebung in diesen Fällen etablieren, könnte dies auch Auswirkungen auf das Geschäftsmodell privater Rechtsdienstleister, die auf diesem Markt tätig sind, haben.

Online-Klagetool als weiterer Schritt im Rahmen der Digitalisierung der Gerichtsprozesse

Daneben ist das Projekt als weiterer Schritt im Rahmen der stetig voranschreitenden Digitalisierung der Gerichtsprozesse zu sehen.

Schon seit 2018 ist es Anwälten möglich, über das besondere elektronische Anwaltspostfach sämtliche Schriftsätze in digitaler Form bei Gericht einzureichen. Ebenso stellen umgekehrt auch die Gerichte vermehrt Schriftsätze nicht mehr in Papierform, sondern über das besondere elektronische Anwaltspostfach Anwälten zu. Auch machen die Gerichte immer öfter – nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie – von der im Prinzip schon seit 2002 existierenden Möglichkeit (vgl. § 128a Abs. 1 ZPO) Gebrauch, mündliche Verhandlungen online als „Videoverhandlung“ anstatt als Präsenztermin durchzuführen.

Ein Online-Klagetool würde die zunehmende Digitalisierung in der Gerichtspraxis weiter vorantreiben. Erstmals könnten nicht nur Anwälte, sondern jedermann in digitaler Form klagen.

Konkrete Ausgestaltung eines Online-Klagetools offen – Maßstab: zulässige Klageerhebung

Wie das Online-Klagetool konkret ausgestaltet sein und funktionieren wird, ist noch offen. Denkbar wäre, dass Bürger in eine webbasierte Eingabemaske die Angaben zu dem erhobenen Anspruch eintragen und das ausgefüllte Online-Formular dann an die Gerichte digital übermitteln. 

Zu beachten ist, dass auch bei der Klageeinreichung mittels eines Online-Klagetools jedenfalls die Mindestvoraussetzungen für eine Klageerhebung erfüllt sein müssen; andernfalls kann die Klage schon unzulässig sein. Zu den Mindestvoraussetzungen gehört nach § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts. Diese Angaben könnten im Rahmen eines entsprechend gestalteten Online-Formulars abgefragt werden. 

Darüber hinaus ist gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Angabe des Anspruchsgegenstandes und des Anspruchsgrundes sowie ein bestimmter Klageantrag Zulässigkeitsvoraussetzung. Juristische Laien dürften sich insbesondere bei der Formulierung eines bestimmten Antrags schwertun. Inwieweit das neue Klagetool hier eine Hilfestellung bieten soll/kann, bleibt abzuwarten. 

Noch unklar ist auch, inwieweit das Erfordernis einer Original-Unterschrift auf der Klageschrift (vgl. §§ 253 Abs. 4, 130 Nr. 6 ZPO) im Rahmen eines Online-Klagetools umgesetzt werden kann. Hintergrund dieses Erfordernisses ist es, dass die Urheberschaft der Klage und der Willen, diese in Verkehr zu bringen, sichergestellt sein muss. Möglicherweise wird daher eine elektronische Signatur Voraussetzung für die Nutzung des Online-Klagetools sein. Dies würde die Nutzung der digitalen Klagemöglichkeit limitieren.

Schließlich wird man sich bei der Umsetzung des Projekts auch Gedanken hinsichtlich der Verschlüsselungstechnik bei der Übertragung der digitalen „Klageschrift″ an das Gericht machen müssen.

Beschränkter Anwendungsbereich eines Online-Klagetools auf Klagen vor Amtsgerichten

Es ist zu erwarten, dass das Online-Klagetool auf die Geltendmachung von Ansprüchen vor Amtsgerichten beschränkt sein wird. Denn vor den Landgerichten besteht Anwaltszwang (vgl. § 78 Abs. 1 S. 1 ZPO). Klagen, die zur funktionellen Zuständigkeit der Landgerichte gehören, können daher ohnehin nur durch einen Anwalt – ab dem 1. Januar 2022 verpflichtend mittels der Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs – eingereicht werden.

Das Online-Klagetool wird daher lediglich eine zusätzliche Möglichkeit der Klageeinreichung bei Amtsgerichten darstellen – neben den bereits bestehenden Möglichkeiten der Einreichung einer Klageschrift in Papierform und der – in der Praxis so gut wie nie genutzten – mündlichen Erhebung der Klage zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 496 ZPO). 

Es wird dementsprechend nur nutzbar sein für Ansprüche, für die die Amtsgerichte funktionell zuständig sind. Dies betrifft insbesondere Ansprüche, deren Gegenstandswert EUR 5.000 nicht übersteigt (vgl. § 23 Nr. 1 GVG), sowie mietrechtliche Ansprüche (vgl. § 23 Nr. 2 lit. a GVG). 

Gerichte und Unternehmen haben keine Klagewelle aufgrund eines Online-Klagetools zu befürchten

Wegen des beschränkten Anwendungsbereichs eines solchen Online-Klagetools auf die Amtsgerichte dürften die Auswirkungen auf die deutschen Gerichte insgesamt wohl eher gering sein. Wegen der geringen Anspruchshöhen müssen auch potenziell beklagte Unternehmen die neue Klagemöglichkeit nicht allzu sehr fürchten. 

Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn das Online-Klagetool zu einer Klagewelle bei den Amtsgerichten führen wird, weil es nunmehr eine Klageeinreichung „per Knopfdruck″ online möglich macht.

Dies ist jedoch unwahrscheinlich. Denn selbst wenn die Einreichung einer Klage via Online-Klagetool „per Knopfdruck″ möglich sein wird, bleibt die weitere Führung des Gerichtsprozesses mit Aufwand verbunden. Darüber hinaus ändert ein Online-Klagetool nichts an dem Unterliegens- und Kostenrisiko, das Kläger bei der Anstrengung eines jeden Gerichtsprozesses zu tragen haben. Dementsprechend steht nicht zu erwarten, dass künftig Forderungen mit niedrigen Streitwerten aufgrund der Einführung einer Online-Klagemöglichkeit massenweise geltend gemacht werden.

Schließlich dürfte ein Online-Klagetool sogar zur Entlastung des Justizsystems beitragen. Die Digitalisierung wird Effizienzgewinne hinsichtlich Zeit und Kosten zur Folge haben: es muss weniger gedruckt werden, Klagen können besser bearbeitet und einfacher zugestellt werden.

Tags: Amtsgericht Online-Klagetool