Die Covid19 Pandemie beeinträchtigt den Spielplan der Sportsaison 2020/21. Welche Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen mit Blick auf die Chancengleichheit?
Nachdem die Sportligen in der Spielzeit 2019/2020 erstmals ausgesetzt und im Anschluss teilweise fortgesetzt, teilweise abgebrochen wurden, bleibt auch der Spielplan der aktuellen Saison nicht von der Pandemie verschont.
Während im Amateursport die Sportsaison vielfach abgebrochen und größtenteils annulliert wurde, hofft man im Profisport, die Saison regulär zu beenden.
Allerdings wurde auch in allen drei Fußball-Bundesligen der Spielplan durch Mannschaftsquarantänen durcheinandergewürfelt. So befinden/befanden sich mit Dynamo Dresden, Holstein Kiel, SV Sandhausen und Hertha BSC Berlin in allen drei Bundesligen Teams in Quarantäne, die um den Aufstieg bzw. Abstieg spielen. Ein Mannschaftstraining der betroffenen Teams während der Quarantänepflicht war/ist ausgeschlossen und die betroffenen Teams müssen/mussten mit einem unmittelbar auf die Quarantäne folgenden, sehr engen Spielplan zurechtkommen.
Dynamo Dresden ereilte dieses Schicksal bereits in der letzten Spielzeit. Im Anschluss konnte der Klassenerhalt nicht mehr erreicht werden. Es lässt sich nur spekulieren, inwieweit die Quarantäne dafür verantwortlich war. Eine Chancengleichheit im Sinne gleicher Trainings- und Wettkampfbedingungen lag jedenfalls nicht vor. Auf Rechtsmittel in Folge des Abstiegs verzichtete der Verein jedoch. Anders hingegen der SC Preußen Münster, der aus der 3. Bundesliga abstieg und aufgrund erschwerter Vorbereitungsbedingungen in Folge regional unterschiedlicher Sportbeschränkungen geklagt hatte.
Diese Fälle warfen bereits damals die Frage auf, inwiefern Vereine sich gegen ungleiche Wettkampfbedingungen in Folge pandemiebedingter Entscheidungen des Verbandes bzw. der DFL überhaupt zu Wehr setzen können. Durch die Quarantäneanordnung für Hertha BSC Berlin ist die Frage im Oberhaus der Fußball Bundesliga angekommen.
Aufrechterhaltung des Ligabetriebs gegen Chancengleichheit im Wettbewerb
In Bezug auf die Grundsatzentscheidung zur Fortsetzung der Saison trotz der Pandemie urteilte das DFB-Bundesgericht (DFB BundesG, Beschluss v. 03. Juli 2020 – 9/2019/2020) bereits im letzten Jahr, dass diese Entscheidung
innerhalb des den Verbänden durch Art. 9 I des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland eingeräumten Entscheidungs- und Gestaltungsfreiraums
liegt und nicht gegen übergeordnetes Recht verstößt.
Bezüglich der Festlegung des Spielplans steht dem jeweiligen Verband ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht i.S.d. § 315 BGB zu. Bei Ausübung dieses Rechts hat der DFL e.V. die grundsätzlichen Prinzipien der Wettbewerbsintegrität und des Fairplay zu beachten und somit die Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb sicher zu stellen. Gleichzeitig muss der jeweilige Verband seiner Pflicht zur Durchführung des Wettbewerbs und Aufrechterhaltung des Ligabetriebs in der vorgegebenen Spielzeit gegenüber allen Vereinen nachkommen (vgl. SchiedsG 3. Liga, Schiedsspruch v. 21. September 2020 – SpuRT 2021, 47). Ob der DFB bzw. die DFL dieses Spannungsverhältnis bei Terminierung von Nachholspielen in rechtmäßiger Weise aufgelöst hat, ist anhand des Maßstabs des § 319 BGB (siehe dazu unten) zu bewerten.
Rechtsschutzmöglichkeiten der Vereine gegen einseitige Entscheidungen des Verbandes
Für sich daraus ergebende Streitigkeiten sind in erster Linie die Verbandsgerichte zuständig. Ihr Vorteil besteht darin, dass sie die erforderliche Sachnähe besitzen und die verbandsinternen Verfahren zügig durchführen. Da die Verbandsgerichte jedoch keine „echten″ Schiedsgerichte im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO darstellen, sind ihre Entscheidungen wiederum überprüfbar. Dies kann entweder vor den staatlichen Gerichten oder vor einem echten Schiedsgericht geschehen. Insbesondere die Lizenzvereine der 1. und 2. Fußballbundesliga haben sich mit dem ständigen Schiedsgericht einem echten Schiedsgericht unterworfen, so dass das ständige Schiedsgericht abschließend über Streitigkeiten zu entscheiden hat.
Daneben besteht die Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz vor den staatlichen Gerichten zu erlangen. Dies gilt laut dem LG Mannheim (Urteil v. 9. Dezember 2020 – 14 O 207/20 Kart) jedenfalls dann, wenn die Schiedsvereinbarung den staatlichen Rechtsschutz im einstweiligen Verfahren nicht ausdrücklich ausschließt. Einen Ausschluss sehe der Schiedsgerichtsvertrag des Ständigen Schiedsgerichts der Lizenzligen nicht vor. Generell wäre auch zweifelhaft, ob ein solcher Ausschluss überhaupt zulässig wäre.
Somit kann parallel zur Verbandsgerichtsbarkeit ein staatliches Gericht im einstweiligen Rechtsschutz angerufen werden, um sich gegen einseitige Leistungsbestimmungen zu wehren.
Rechtswidrige einseitige Leistungsbestimmung liegt bei grober Unbilligkeit vor
Eine einseitige Leistungsbestimmung, wie etwa eine Terminierung von Nachholspielen, kann jedoch nur dann von den Gerichten aufgehoben und ersetzt werden, wenn sie offenbar unbillig ist, § 319 BGB. Diesen Maßstab sieht auch der Schiedsgerichtsvertrag der Lizenzligen in § 1 III vor, der von grober Unbilligkeit spricht.
Bei einer solchen Billigkeitsprüfung prüfen Gerichte nicht, ob sie eine andere Regelung für zweckmäßiger halten. Vielmehr ist innerhalb eines Billigkeitsspielraums mehr als nur eine rechtmäßige Entscheidung möglich. Geprüft werden kann nur, ob ein Beschluss die Grenzen der Billigkeit überschreitet, was unter Berücksichtigung des Vertragszwecks und Abwägung der Einzelfallumstände und beiderseitigen Parteiinteressen zu beurteilen ist (BGH, Urteil v. 4. April 2006 – X ZR 80/05). Schiedsgerichte wie staatliche Gerichte haben außerdem den nach Art. 9 I GG eingeräumten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum der Verbände einschränkend zu berücksichtigen (SchiedsG 3. Liga, Schiedsspruch v. 21. September 2020 – SpuRT 2021, 47).
Allgemein ist die Billigkeitsprüfung ergebnisorientiert vorzunehmen. So stellte der BGH schon 1977 fest, dass
die Unbilligkeit allein dem Ergebnis zu entnehmen
sei (BGH, Urteil v. 2. Februar 1977 – VIII ZR 155/75). Ob in Fällen der Terminierung von Nachholspielen verfahrensrechtlich z.B. eine Anhörungspflicht der betroffenen Vereine besteht, ist bei der nachfolgenden Prüfung durch die Gerichte somit nicht entscheidend, solange die Terminierung nicht grob unbillig war.
„Ein Gebot zur Schaffung absoluter Chancengleichheit kann es nicht geben“
Aufgrund dieses weiten Ermessensspielraums waren sowohl Verbands- als auch staatliche bzw. Schiedsgerichte sehr zurückhaltend, eine grobe Unbilligkeit von pandemiebedingten Entscheidungen der Verbände anzunehmen.
So stellte das Schiedsgericht der 3. Bundesliga fest, dass es ohnehin kein
Gebot zur Schaffung absoluter Chancengleichheit zwischen den teilnehmenden Klubs eines Wettbewerbs […] geben kann.
Dies ergebe sich unter anderem bereits aus den verschiedenen infrastrukturellen, personellen und finanziellen Bedingungen. Temporäre Einschränkungen einzelner Wettbewerbsteilnehmer seien sportimmanent und grundsätzlich hinzunehmen. Der Organisator habe lediglich dafür Sorge zu tragen, dass die Rahmenbedingungen generell dazu geeignet sind, faire Bedingungen zu ermöglichen (SchiedsG 3. Liga, Schiedsspruch v. 21. September 2020 – SpuRT 2021, 47).
Eine unterschiedlich lange Vorbereitungszeit aufgrund lokaler Gegebenheiten und damit verbundene Härten seien letztlich aufgrund der Pandemie unvermeidbar und führten nicht dazu, dass die Entscheidung über die Fortsetzung der 3. Liga unverhältnismäßig sei (SchiedsG 3. Liga, Schiedsspruch v. 21. September 2020 – SpuRT 2021, 47).
Auch das LG Mannheim (Urteil v. 9. Dezember 2020 – 14 O 207/20 Kart) sah in Bezug auf die Regionalliga Südwest eine unterschiedlich lange Vorbereitungszeit nicht als unbillig an, da sämtlichen Vereinen vor Beginn der Saison 2020/2021 jedenfalls noch 11 Tage Vorbereitungszeit blieb.
Mannschaftsquarantäne als Betriebsrisiko während der Pandemie
Eine absolute Chancengleichheit ist insbesondere in einer pandemiegeplagten Saison nicht möglich bzw. durchsetzbar. Die Pandemie begründet daher in Bezug auf den Spielplan das Betriebsrisiko der Mannschaftsquarantäne, die für jeden Verein zu einem Wettbewerbsnachteil führen kann.
Die Terminierung von Nachholterminen in Folge einer Quarantäneanordnung wird daher im Nachhinein kaum angreifbar sein. Der enge Spielplan gibt schon faktisch keine Möglichkeit, bereits gespielte Spiele nachzuholen. Nach Abpfiff werden es die Gerichte daher im Zweifel vermeiden, in den Spielbetrieb einzugreifen. Insbesondere ließe sich hier mit einem konkludenten Rechtsmittelverzicht argumentieren, sollten die betroffenen Vereine erst nach verlorenem Nachholspiel Rechtsmittel einlegen.
Fazit: „Dulde und Liquidiere“ auch in der Bundesliga unzulässig
Im Endeffekt gilt für betroffene Vereine der altbekannte Grundsatz, dass ein „Dulden und Liquidieren“ unzulässig ist. Betroffene sollten ihre Interessen daher unbedingt bei der Spielplanfestsetzung einbringen und sofort handeln, bevor die Saison zu Ende ist bzw. Nachholspiele durchgeführt worden sind.
Sollte dies nicht helfen, sollte Rechtsschutz in erster Linie vor den Verbandsgerichten gesucht werden. Denn die Verbandsgerichte sind näher an der Thematik und werden im Zweifel eher als staatliche Gerichte in die Verbandskompetenz eingreifen. Nur wenn vor den Verbandsgerichten rechtzeitiger Rechtsschutz nicht zu erwarten ist, sollte einstweiliger Rechtsschutz vor dem staatlichen Gericht gesucht werden.
Erfolgsversprechend erscheint ein solches Begehren aber nur dann, wenn ein gleich effektives, aber milderes Mittel aufgezeigt werden kann. Konkret könnte dies beispielsweise in einer Abkehr von dem Grundsatz liegen, dass an den letzten beiden Spieltagen sämtliche Spiele gleichzeitig stattfinden müssen. Dieser in § 2.1 der Richtlinien zur Spielordnung der DFL festgelegte Grundsatz gilt für alle Spiele, in denen es für eine der beiden Mannschaften noch um die Meisterschaft, Qualifikation für den internationalen Wettbewerb oder den Abstieg geht. Ausnahmen sind für Teams möglich, die am internationalen Wettbewerb teilnehmen. Zur Förderung der Chancengleichheit und zur Entzerrung des Spielplans in Folge einer Mannschaftsquarantäne könnte hier eine weitere Ausnahme gemacht werden. Insbesondere käme ggf. eine Aufspaltung des Spieltags in Betracht, so dass (nur) sämtliche Ab- bzw. Aufstiegsendspiele verlegt werden.