Unter dem eingängigen Titel „Gemeinsamer Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers″ haben sich die obersten Wettbewerbshüter des Bundes und die Netzagentur zu einem hochaktuellen Themenbereich der Energiewirtschaft zu Wort gemeldet, der für Kommunen und Energieversorger gleichermaßen von hohem Interesse ist.
Eine große Anzahl von Konzessionsverträgen für Strom und Gas, die in der Regel für 20 Jahre abgeschlossen wurden, läuft in den nächsten Jahren aus. Der Trend zur Rekommunalisierung einerseits und die bundesweiten Aktivitäten überregionaler Versorger andererseits haben Bewegung in die Szene gebracht. Dabei haben sich eine Reihe von Streitfragen ergeben, die noch nicht höchstrichterlich geklärt sind. Hier sind nun die Antworten der beiden zuständigen Bundesbehörden.
Bevor das Bundeskartellamt und die Bundesnetzagentur auf die sachlichen Fragen eingehen, beschäftigen sie sich in dem Leitfaden erst einmal mit sich selbst und grenzen ihre aufsichtsbehördlichen Zuständigkeiten voneinander ab: Die Bundesnetzagentur ist für regulierungsrechtliche Streitigkeiten zuständig, die nach Abschluss des Konzessionsvertrags oder des Netzüberlassungsvertrags entstehen. Die Kartellbehörden nehmen dagegen für sich die Zuständigkeit im Hinblick auf die diskriminierungsfreie und wettbewerbliche Vergabe der Konzessionen in Anspruch.
Recht kurz sind die Ausführungen zum Vergaberecht. Die umstrittene Frage, ob es sich bei Konzessionsverträgen um Dienstleistungskonzessionen im Sinne des EU-Vergaberechts handelt, wird als unerheblich eingestuft. Die aus der Dienstleistungsfreiheit und dem Diskriminierungsverbot des EU-Vertrags abgeleiteten Vergaberechtsgrundsätze, die bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen anzuwenden sind, gelten unabhängig davon auch, wenn der Konzessionsvertrag nicht als Dienstleistungskonzession zu qualifizieren wäre. Da der EuGH für eine Trink- und Abwasserkonzession das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession bejaht hat (EuGH, Urt. v. 10.09.2009, Rs. C 2006/08 – WAZV Gotha), spricht allerdings alles dafür, dass auch Gas- und Stromkonzessionsverträge Dienstleistungskonzessionen sind. Die Bestimmungen der Konzessionsverträge gehen durchgängig über die Regelung der Wegenutzung, die im Rahmen des § 46 EnWG im Vordergrund steht, hinaus und enthalten in der Regel die Verpflichtung des Versorgers, die Energieversorgung im Gemeindegebiet sicherzustellen. Zu beachten ist zudem, dass mit bestimmten Strukturen auch entgeltliche Betreiberverträge verbunden sein können, die keine Konzessionen sind. Das kann zur unmittelbaren Anwendbarkeit des strengeren Vergaberechts führen, z.B. bei der Übernahme von Betrieb und/oder Wartung der Straßenbeleuchtung, die formal ausgeschrieben werden muss und nicht als Annex zum Konzessionsvertrag nebenbei mit beauftragt werden darf.
Die Prüfungskompetenz des Bundeskartellamts im Hinblick auf die Vergabe von Konzessionsverträge leitet dieses aus der örtlichen Marktbeherrschung der Gemeinde im Hinblick auf die Verleihung von Wegerechten ab. Ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung wird beispielsweise gesehen, wenn Konzessionen ohne Bekanntmachung ausgeschrieben werden, unzulässige Gegenleistungen gefordert werden, nicht diskriminierungsfrei ausgewählt wird oder netzrelevante Informationen nicht allen Bieter zur Verfügung gestellt werden. Der Leitfaden listet auch die Daten auf, die nach Auffassung des Bundeskartellamts und der Bundesnetzagentur transparent mitzuteilen sind, um einen fairen Wettbewerb sicherzustellen. Die Behörden sehen dabei auch eine Verpflichtung des bisherigen Konzessionärs, der Gemeinde die erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Hierüber wird derzeit vielerorts vor den Gerichten prozessiert.
Ebenfalls sehr streitintensiv ist die Frage, ob die Pflicht zur Überlassung der notwendigen Verteilungsanlagen nach § 46 Abs. 2 EnWG die Eigentumsverschaffung erfordert oder ob die Überlassung im Wege der Verpachtung genügt. Zu recht wird im Leitfaden darauf hingewiesen, dass vorrangig die vertraglichen Bestimmungen auszulegen sind, die vielfach weitergehende Regelungen als das EnWG enthalten. Besonders streitanfällig sind im Rahmen der Übernahme des Verteilungsnetzes zudem der Umfang des Übernahmeanspruchs und insbesondere die Bemessung der angemessenen Vergütung. Hier prallen die Interessen von Altkonzessionär und neuem Versorger aufeinander, die sich darüber auseinandersetzen, ob sich die Vergütung nach dem Sachwert oder dem Ertragswert der zu übernehmenden Verteilungsanlagen bemisst. Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt gehen davon aus, dass der Ertragswert und damit die im Rahmen der Entgeltregulierung festgelegten Kosten maßgeblich sind. Sie meinen auch, dass der Neukonzessionär eine Zahlung unter Vorbehalt anbieten kann.
Nun bleibt abzuwarten, ob sich die beteiligten Parteien an die Vorgaben des Leitfadens halten. Da es um viel Geld geht, werden in vielen Fällen erst die zuständigen Gerichte das letzte Wort haben. In jedem Fall zeigt sich, dass die Vergabe der Konzessionsverträge im Rahmen eines transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens zunehmend in den Blick der Wettbewerbshüter gerät.