21. Juni 2023
Smart Meter
Energy goes digital

Digitalisierung der Energiewende–Neustart für Smart Meter? 

Mit dem Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende nimmt der Smart-Meter-Rollout als Träger des Stromnetzes der Zukunft neue Fahrt auf.

Unter den sog. Smart Metern versteht man digitale Messsysteme, die über ein sog. Smart-Meter-Gateway als gesicherte Kommunikationsplattform von den digitalen Stromzählern erfasste Daten per Funk direkt an die Anbieter übermitteln, ohne dass eine aufwändige Ablesung vor Ort erforderlich wäre. Sie sind Voraussetzung dafür, dass Stromverbraucher* und Stromerzeuger mit den Betreibern der Stromnetze und den Energielieferanten Daten austauschen können. 

Smart Meter als Kern digitaler Infrastruktur und Datenräuber

Die Übermittlung dieser Daten ist essenziell für die Integration der wetterbedingt volatilen Stromproduktion aus erneuerbaren Energien in unser Stromnetz. Dieses muss sich aufgrund neuer Anforderung etwa durch Elektromobilität oder den verstärkten Einsatz von Wärmepumpen in ein zunehmend digitalisiertes Energiesystem umgestalten. Smart Meter dienen dabei zur Überwachung der Netzauslastung und erhöhen so die Versorgungssicherheit und stabilisieren den Strommarkt. Sie haben damit sowohl Nutzen für die Netzbetreiber als auch für die Allgemeinheit. 

Einerseits wird die flächendeckende Ausstattung mit Smart Metern als „Kern der digitalen Energieinfrastruktur“ (so Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Dr. Robert Habeck) gelobt. Andererseits wird zuweilen auch befürchtet, dass diese Geräte, die deutlich mehr Daten erfassen als ihre analogen Vorgänger, es ermöglichen, das Verhalten der Stromverbraucher zu analysieren und damit zu weitreichende Einblicke in das Privatleben gewähren. Sie werfen damit auch datenschutzrechtliche Fragen auf.

Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende

Mit dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende wurde im Jahre 2016 die Basis digitaler Prozesse in der Energiewirtschaft geschaffen. Unter anderem wurde das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) verabschiedet, welches bei technischer Möglichkeit und wirtschaftlicher Vertretbarkeit den Einbau von Smart Metern bis 2032 vorschrieb. Nachdem der für die Energiewende essentielle Smart-Meter-Rollout (also die Verteilung / Verbreitung der Smart Meter) bisher, insbesondere im europäischen Vergleich, nur langsam vorangeschritten ist, hat die Bundesregierung Anfang des Jahres den Entwurf eines Gesetzes zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende vorgelegt. Der Bundestag hat das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende bereits Ende April beschlossen. Nachdem auch der Bundesrat das Gesetz Mitte Mai gebilligt hat, ist es am 27. Mai 2023 in Kraft getreten. 

Das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende beinhaltet eine Weiterentwicklung des Grundkonzepts aus dem Jahre 2016 und bringt u.a. weitreichende Änderungen des MsbG mit sich. Ziel der Gesetzesnovelle ist es, die Digitalisierung der Netze und den Smart-Meter-Rollout unter Gewährleistung datenschutzrechtlicher Belange gezielt für eine schnellere Energiewende einzusetzen. Im Fokus stehen daher vorrangig die Beschleunigung, Entbürokratisierung und die Rechtssicherheit des Smart-Meter-Rollouts nach einem vorgegebenen gesetzlichen Stufenplan sowie eine gerechte Verteilung der dabei anfallenden Kosten mit gezielterer Entlastung von Letztverbrauchern. Die wesentlichen Inhalte des Gesetzes zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende werden nachfolgend dargestellt. 

Neuer Stufenplan mit Zieljahr 2030 bzw. 2032

Aufgrund der genannten Startschwierigkeiten des Smart-Meter-Rollouts war eine Anpassung des gesetzlichen Zeitplans erforderlich, wobei die Rollout-Fristen für einen großen Teil der Messstellen verlängert wurden. Das Gesetz sieht eine stufenweise Rollout-Pflicht ab sofort bzw. spätestens ab 2025 für Verbraucher mit einem Verbrauch von unter 100.000 kWh p.a. und Erzeuger unterhalb einer installierten Leistung von 100kW vor. Bis Ende 2025 müssen mindestens 20 Prozent, bis Ende 2028 mindestens 50 Prozent und bis Ende 2030 mindestens 95 Prozent der genannten Verbraucher bzw. Erzeuger mit einem intelligenten Messsystem ausgestattet sein. 

Für Verbraucher mit einem Verbrauch von über 100.000 kWh p.a. und Erzeuger über einer installierten Leistung von 100kW ist der Rollout ab 2025 zulässig und ab 2028 verpflichtend. Bis Ende 2028 müssen mindestens 20 Prozent, bis Ende 2030 mindestens 50 % und bis Ende 2032 mindestens 95 Prozent dieser mit einem intelligenten Messsystem ausgestattet sein.

Auch Haushalte, die aufgrund ihrer geringen Stromverbräuche (unter 6.000 kWh pro Jahr) bzw. geringen Leistungen der (Photovoltaik-) Anlagen (unter 7 kW) bisher und auch weiterhin von dem Pflicht-Rollout ausgenommen sind, erhalten mit der Gesetzesnovelle ab 2025 das Recht auf Einbau eines intelligenten Stromzählers.

Schrittweise Markteinführung durch agilen Rollout 

Bisher konnten Smart Meter erst dann für den Einsatz freigegeben werden, wenn sie alle gesetzlich erforderlichen Funktionalitäten nach dem letzten Stand technischer Entwicklung aufwiesen, einschließlich komplexer Funktionen wie Fernsteuern und Schalten von Anlagen. Um die Ausstattung von Messstellen mit Smart Metern zu beschleunigen, kann nunmehr für eine zeitlich befristete Hochlaufphase ein Rollout mit bereits zertifizierten Geräten bei Verbrauchern bis 100.000 kWh (optional auch unter 6.000 kWh/Jahr) und bei Erzeugern bis 25 kW (optional auch 1 bis 7 kW) sofort starten. 

Weitere Funktionen können nachträglich mittels Updates freigeschaltet werden. So kann noch vor dem Pflichtrollout bereits in der „Warmlaufphase“ die Digitalisierung der Energiewende vorangetrieben werden und die Smart Meter werden schrittweise immer intelligenter. 

Drei-Hersteller-Regel sowie behördliches Freigabeverfahren entfällt

Bislang galt die sogenannte Drei-Hersteller-Regel, womit die technische Möglichkeit der Ausstattung von Messstellen mit intelligenten Messsystemen nur dann gegeben war, wenn mindestens drei voneinander unabhängige Unternehmen intelligente Messsysteme am Markt anbieten (§ 30 MsbG a.F.). Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) musste zur Sicherstellung eines ausreichenden Marktangebots für jede Entwicklungsstufe die Smart-Meter-Gateways dreier unterschiedlicher Hersteller zertifizieren, sodass stets ein technischer Gleichstand von mindestens drei Herstellern abzuwarten war. 

Als bei Vorliegen dieser Voraussetzungen Anfang des Jahres 2020 das BSI eine entsprechende Markterklärung abgab und die Einbaupflicht für Smart Meter damit konkret wurde, haben aufwendige Gerichts- und Verwaltungsverfahren vorangetrieben von den Messstellenbetreibern, die diese Markterklärung für rechtswidrig hielten, den Smart-Meter-Rollout ausgebremst (vgl. VG Köln, Beschluss v. 21. Juli 2020 – 9 L 663/20 und OVG NRW, Beschluss v. 4. Mai 2021 – 21 B 1162/20). 

Inzwischen ist ein ausreichendes Angebot solcher Smart-Meter-Gateways am Markt verfügbar, die den hohen gesetzlichen Datenschutz- und Datensicherheitsanforderungen genügen, sodass als Voraussetzung für eine Ausstattung mit Smart Metern das Kriterium der „technischen Möglichkeit“ (vgl. §§ 29, 30 MsbG a. F.) nunmehr hinfällig ist. Dies soll Anreiz für Markt und Wettbewerb bieten. Das Erfordernis der Bereitstellung von Marktanalysen und Markterklärungen durch das BSI (§ 30 MsbG a.F.) entfällt damit. 

Anpassung der Kostenverteilung und Deckelung der Messentgelte

Um den Smart Meter Rollout auch wirtschaftlich attraktiver zu gestalten, sieht die Gesetzesnovelle eine Aufteilung der Kosten zwischen Netzbetreibern und Anschlussnutzern gestuft nach Verbrauch bzw. Leistung vor. Beispielweise für Privathaushalte mit einem Verbrauch zwischen 6.000 und 10.000kWh/Jahr sind die Messentgelte von bisher EUR 100 im Jahr künftig bei EUR 20 im Jahr gedeckelt. Ebenso für Kleinanlagenbetreiber (7-15 kW). 

Zugleich wird mit dem Gesetz eine Kostenbeteiligung der Netzbetreiber an den Messentgelten, ebenfalls gedeckelt, vorgesehen. Die Beteiligung der Netzbetreiber wird damit begründet, dass diese von der detaillierteren Datenerfassung und der erweiterten Datenkommunikation mittels Bilanzierung im 15-min-Takt und den entsprechenden Erhalt von Netzzustandsdaten in hohem Maße durch Entlastungen bei den Kosten für Netzplanung und Netzbetrieb profitieren. Jedoch ist die Höhe dieser Kosten für die Netzbetreiber schwer zu berechnen. Die Belastungen und Entlastungen der Netzbetreiber lassen sich der Höhe nach nicht näher beziffern, weil das MsbG keine Regelung über Art, Weise und Umfang einer möglichen Umlage der Kostenbeiträge des Netzbetreibers auf die Netzentgelte vorsieht. Eine Regelung hierzu obliegt laut EUGH der Bundesnetzagentur (vgl. Urteil vom 2. September 2021 – C- 18/18).

Anpassung der Regelungen zum Datenschutz 

Die §§ 49 ff. MsbG sehen umfassende Regelungen zur Verarbeitung der anfallenden Daten vor, insbesondere welche Stellen Daten verarbeiten dürfen und zu welchen Zwecken. Diese Bestimmungen wurden nur im § 52 Abs. 3 MsbG angepasst. Das ist insoweit bedauerlich, weil sich die zentrale Norm des § 50 MsbG, die vorgibt zu welchen Zwecken Daten verarbeitet werden dürfen, nur auf Daten bezieht und nicht – wie § 49 MsbG – auf personenbezogene Daten. Es ist wenig überzeugend, warum die streng definierten Verarbeitungszwecke auch für nicht-personenbezogene Daten gelten sollen. Leider hat der Gesetzgeber hier keine Klarstellung aufgenommen. Es bleibt auch fraglich, ob die DSGVO die umfassende Regelungskompetenz nach Art. 6 Abs. 1 e) DSGVO hat, auch für private Marktteilnehmer etwa den Rückgriff auf Art. 6 Abs. 1 f) vollständig sperrt. 

Konkret angepasst hat der Gesetzgeber nur die Anforderungen an die Anonymisierung und Pseudonymisierung. Eine Anonymisierung soll vorliegen, wenn die Daten von fünf Anschlussnutzern aggregiert werden. Die Kompetenz zu regeln, wann eine Anonymisierung vorliegt, hat der Gesetzgeber zwar nicht (das richtet sich nach der DSGVO und das erkennt § 52 Abs. 3 MsbG auch an). Aber die Regel schafft in der Praxis etwas (zu begrüßende) Rechtssicherheit. Auch die Bestimmungen, wann Pseudonymisierungen verpflichtend sind (etwa die 15-Minuten-Werte für Haushalte mit einem Verbrauch unter 6000 Kilowattstunden) schaffen Klarheit im Umgang mit den Daten.   

Einführung dynamischer Stromtarife für alle Verbraucher ab 2025

Bisher mussten nur Stromversorger, die mehr als 100.000 Letztverbraucher beliefern, ihren Kunden mit intelligentem Messsystem einen dynamischen Stromtarif anbieten. Mit der Gesetzesnovelle werden ab 2025 alle Lieferanten dazu verpflichtet, ihren Kunden mit intelligenten Messsystemen dynamische Stromtarife anzubieten. Diese haben dann die Möglichkeit, ihr Verbrauchsverhalten an die aufgrund der wetterbedingten Volatilität der Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien schwankenden Strompreise anzupassen und Strom etwa für das Laden von Elektrofahrzeugen oder für die Waschmaschine jeweils zu kostengünstigen Zeiten zu beziehen. 

Nutzer von Smart-Home-Systemen können zusätzlich per App festlegen, dass das Elektrofahrzeug automatisch den Ladevorgang beginnt oder die Waschmaschine erst dann startet, wenn der Strompreis unter eine bestimmte Schwelle fällt. Nur mittels der im 15-Minuten Takt von Smart Metern erfassten Daten können dynamische Tarife überhaupt umgesetzt werden, sodass der Smart-Meter-Rollout und die Einführung dynamischer Stromtarife nach der Vorstellung der Bundesregierung eine sich gegenseitig beschleunigende Symbiose bilden. 

Stärkung der Effizienz durch Vielfachanbindung (1:n-Metering)

Das Gesetz sieht nun auch die Möglichkeit vor, das Smart-Meter-Gateway am Netzanschlusspunkt (und nicht mehr an der jeweiligen Messeinrichtung) als Schnittstelle zwischen Kunden und Stromnetz einzubauen. Es können dann über geeignete Schnittstellen mehrere Verbraucher/Ladeeinrichtungen über nur ein Smart-Meter-Gateway an einem Netzanschluss gebündelt werden (sog. 1:n-Metering). Durch die Vielfachanbindung sollen nicht mehr Gateways als technisch nötig verbaut werden, sodass zugleich ein Beitrag zur Nachhaltigkeit geleistet wird.

Standards für Smart-Meter-Gateways im Fokus des BSI

Mit dem Zweck der Stärkung und Vereinfachung der Smart-Meter-Gateways als sichere Kommunikationsplattform soll das BSI künftig den Fokus der Standardisierung auf das Smart-Meter-Gateway legen. Standards für Steuereinheiten, Ladeeinrichtungen, Wärmepumpen oder energiewirtschaftliche Prozesse werden dagegen künftig vorrangig dem Aufgabenbereich der Wirtschaft zugeordnet. Zur interoperablen Ausgestaltung der Schnittstellen des Smart-Meter-Gateways erfolgt eine direkte Zusammenarbeit des BSI mit den Normgebern der Wirtschaft und mit Forschungsprojekten. 

Gesetzesnovelle zu Smart Metern ist ein Vorzeigeprojekt mit Schwachstellen 

Die Gesetzesnovelle ist im Hinblick auf das gemeinsam erklärte Ziel, die digitalisierte Energiewende schnell und zielgerichtet voranzutreiben, zu begrüßen. Dennoch gibt es auch Schwachstellen. 

Aufgrund der vorgesehen finanziellen Entlastung der Anschlussnutzer kommen auf die Messstellenbetreiber schwer kalkulierbare Kosten zu, was auf Unsicherheit und Zurückhaltung bei diesen stoßen dürfte und so die gewünschte Beschleunigung des Rollouts beeinträchtigen könnte. 

Auch bestehen Zweifel, ob der der flächendeckende Einbau von intelligenten Stromzählern, optional bis zum kleinsten Haushalt, tatsächlich sinnvoll ist und sich mit den intelligenten Zählern in einem durchschnittlichen Haushalt im Hinblick auf die im Vergleich zu analogen Stromzählern anfallenden Kosten für Ablesung, Einbau, Wartung und Versorgung der Smart Meter selbst mit Strom tatsächlich Kosten einsparen bzw. Verbräuche reduzieren lassen. Erst wenn auch die Geringverbraucher das Gefühl haben, durch die neuen Smart Meter mehrheitlich zu profitieren, kann deren generelle Akzeptanz weiter gesteigert werden.

Zudem konnten auch die Bedenken der Datenschützer und der Verbraucher im Hinblick auf die viertelstündliche Aufzeichnung der Daten durch das Fehlen hinreichend transparenter Sicherheitsmechanismen mit der Gesetzesnovelle nicht vollständig ausgeräumt werden. 

Es bleibt abzuwarten, ob das Gesetz die Erfolgsgeschichte bringt, die schon lange erhofft ist, um – auch im europäischen Vergleich – einen Beitrag dazu zu leisten, die Integration und Digitalisierung des europäischen Strommarkts voranzutreiben.

Mit dem EU Action Plan Digitalisierung des Energiesystems möchte die EU-Kommission zum Erreichen der Klimaziele und zu einer digitalen und ressourceneffizienten Gesellschaft beitragen. In unserer Blog-Serie „Energy goes digital“ gehen wir auf die einzelnen Inhalte des Action Plan sowie auf weitere Themen der Digitalisierung des Energiesystems ein.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet

Tags: Energiewirtschaft Energy goes digital Nachhaltigkeit Smart Meter