Mit dem Änderungsvorschlag für die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) will die EU-Kommission die Klimaneutralität der EU vorantreiben.
Mithilfe des europäischen Green Deal soll die EU bis 2050 klimaneutral werden. Dafür setzt die Union das Zwischenziel, die Nettotreibhausgasemissionen bis 2030 um 55 % gegenüber 1990 zu senken. Um dies zu erreichen, hat die Europäische Kommission im Juli 2021 im Rahmen ihrer Initiative „Fit for 55“ ein umfangreiches Legislativpaket vorgelegt. Der Vorschlag zur Änderung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Renewable Energy Directive – RED III) (COM(2021) 557 final) ist Teil dieses Pakets.
Der Vorschlag baut auf der Richtlinie 2018/2001/EU (RED II) auf. Die Kommission strebt damit bewusst eine Änderungsrichtlinie und keine vollumfängliche Neufassung an. Mit RED III werden die übergeordneten Ziele verfolgt, zum Jahr 2030 einen Anstieg der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen zu erzielen, die verstärkte Integration der Energiesysteme zu fördern und zu den Klima- und Umweltzielen sowie dem Schutz der Biodiversität beizutragen.
RED III bereits Thema im Koalitionsvertrag
Der Koalitionsvertrag 2021–2025 greift bereits wesentliche Aspekte der Novelle als Ziele für die deutsche Klimapolitik auf. Die Koalitionsparteien haben angekündigt, RED III nach ihrer Verabschiedung „möglichst technologieoffen und ambitioniert“ umzusetzen. Der Vertrag sieht u.a. den Aufbau einer leistungsfähigen Wasserstoffwirtschaft vor. In diesem Zusammenhang werden der Ausbau von Offshore-Windenergie sowie europäische und internationale Energiepartnerschaften angestrebt. Insbesondere grenzüberschreitende Projekte in Nord- und Ostsee sollen vorangetrieben werden. Auch die Erarbeitung einer nachhaltigen Biomasse-Strategie steht auf dem Plan.
Die Parteien verfolgen eine drastische Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien. Dafür wollen sie neben dem EEG weitere Instrumente für den förderfreien Zubau, wie z.B. PPAs und den europaweiten Handel mit Herkunftsnachweisen, stärken. Damit ist eine weitere EEG-Novellierung in naher Zukunft wahrscheinlich. Es bleibt abzuwarten, welchen der folgenden Kernthemen des Änderungsvorschlags im kommenden Jahr tatsächlich Taten folgen.
40 ist das neue 32: Höheres Gesamtziel für den Anteil erneuerbarer Energien
Da über 75 % der gesamten THG-Emissionen in der Union auf den Energiesektor entfallen, spielen erneuerbare Energien bei der Umsetzung des europäischen Grünen Deals und bei der Verwirklichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 eine übergeordnete Rolle. Deshalb soll durch den Änderungsvorschlag des Art. 3 der Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen am Bruttoendenergieverbrauch bis 2030 von 32 % (Zielvorgabe RED II) auf 40 % gesteigert werden. Den Erwägungen der Kommission zufolge muss der Anteil laut dem Klimazielplan in diesem Maße nach oben korrigiert werden, um das THG-Reduktionsziel der Union überhaupt erreichen zu können.
Im Jahr 2019 wurden 19,7 % des Bruttoendenergieverbrauchs in der EU von erneuerbaren Energien gedeckt. Mit der neuen Zielvorgabe gilt es, den derzeitigen Anteil erneuerbarer Energien innerhalb etwa eines Jahrzehnts zu verdoppeln. Mit einem Anteil von 17,4 % (Rang 16 im EU-Vergleich) besteht auch für Deutschland, insbesondere im Vergleich zu den Spitzenreitern Nordeuropas (Schweden 56,4 %), erheblicher Aufholbedarf.
Sektorspezifische Vorgaben und Indikativziele
Der Vorschlag konzentriert sich maßgeblich auf die Wirtschaftssektoren, in denen erneuerbare Energien nach Ansicht der Kommission bisher schleppend integriert wurden. Neben dem Gebäudesektor gehören dazu der Industrie-, Verkehrs- sowie der (Fern-)Wärme- und Kältesektor. Der Änderungsvorschlag sieht allerdings überwiegend indikative Energieziele vor. Deren Nichteinhaltung durch die Mitgliedstaaten würde demnach keine Sanktionen nach sich ziehen.
Gebäudesektor: Potenzial zur Verringerung der THG-Emissionen ausschöpfen
Zur Förderung des Einsatzes erneuerbarer Energien im Gebäudesektor beabsichtigt die Kommission, den neuen Art. 15a einzufügen. Danach sollen die Mitgliedstaaten ein indikatives Ziel vorgeben, um bis 2030 einen Anteil der erneuerbaren Energien von mindestens 49 % am Endenergieverbrauch des Gebäudesektors in der Union zu erreichen. Nach Ansicht der Kommission besteht in Gebäuden ein großes ungenutztes Potenzial für einen wirksamen Beitrag zur Verringerung der THG-Emissionen in der Union. Mit indikativen Zielvorgaben sollen Anhaltspunkte und Anreize für die Mitgliedstaaten geschaffen werden, um die Ausschöpfung des Potenzials für die Nutzung und Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen in Gebäuden zu fördern. Die Festlegung von Zielvorgaben soll insbesondere ein langfristiges Signal an Investoren* sein – auch im Hinblick auf die Zeit unmittelbar nach 2030 (Erwägungsgrund 11). Diese Verpflichtungen korrespondieren insbesondere mit der Schwerpunktsetzung des Vorschlags für eine grundlegende Überarbeitung der Energieeffizienzrichtlinie (COM (2021) 558 final).
Mehr erneuerbare Kraftstoffe im Verkehrssektor, mehr Wasserstoff in der Industrie
Im Verkehrssektor soll der Einsatz erneuerbarer Kraftstoffe und erneuerbarer Elektrizität steigen, um bis 2030 in jedem Mitgliedstaat eine Verringerung der Treibhausgasintensität um mindestens 13 % herbeizuführen. Daher soll der Anteil an fortschrittlichen Biokraftstoffen und -gasen in der Energieversorgung des Verkehrssektors im Jahr 2030 mindestens 2,2 % betragen. Für erneuerbaren Kraftstoff nichtbiologischen Ursprungs wird ein Anteil von mindestens 2,6 % angestrebt (Art. 25 Abs. 1). Den Mitgliedstaaten bleibt allerdings ein weiter Spielraum, wie sie die Kraftstoffanbieter verpflichten, dafür zu sorgen, dass diese Zielwerte erreicht werden.
Der Vorschlag forciert zudem die Einbeziehung erneuerbarer Energien in der Industrie. Mit dem neuen Art. 22a wird ein indikatives Ziel für die Industrie zur Nutzung erneuerbarer Energien mit einer jährlichen Steigerung von mindestens 1,1 % bis 2030 vorgesehen. Es wird zudem festgelegt, den Anteil von erneuerbaren Energien am industriellen Wasserstoffeinsatz bis 2030 auf 50 % zu steigern.
Aufwind für PPAs
Die Energiesysteme der EU insgesamt flexibler und attraktiver zu gestalten, ist ein weiterer zentraler Aspekt des Vorschlags für RED III. Dafür sollen erneuerbare Energien leichter ins Netz einzubinden sein. Um das System durchsichtiger zu gestalten, sollen Netzbetreiber konkrete Informationen über den Anteil erneuerbarer Elektrizität und den Gehalt an THG-Emissionen der von ihnen gelieferten Elektrizität zur Verfügung stellen (Art. 20a).
Die Kommission plant außerdem, Erleichterungen beim Abschluss von Verträgen über die Abnahme von Strom aus erneuerbaren Energien zu schaffen. Im internationalen Kontext ist das Geschäftsmodell der langfristigen Stromlieferverträge (Power Purchase Agreements, PPAs) – vor allem bei Windenergie- und Photovoltaikprojekten – bereits etabliert. In den letzten Jahren haben PPAs auch auf dem europäischen Markt an Bedeutung gewonnen – zuletzt auch vor dem Hintergrund stark gestiegener Stromkosten. Die Kommission hat erkannt, dass der PPA-Markt aber noch auf eine kleine Zahl von Mitgliedstaaten und Großunternehmen beschränkt ist und das Potenzial der PPAs stärker genutzt werden kann. RED III soll darauf hinwirken, dass die Mitgliedstaaten Hindernisse für langfristige PPAs bewerten und abbauen (Art. 15 Abs. 8). Im Vorschlag wird insbesondere die Option aufgeworfen, dass die Mitgliedstaaten Kreditgarantien für PPAs vorsehen. Diese könnten zukünftig zu einem wichtigen Instrument im Bereich der Finanzierung erneuerbarer Energien werden und grüne PPAs als Geschäftsmodell tatsächlich fördern.
Herkunftsnachweise auch für geförderten Grünstrom?
Um Unternehmen den Zugang zu Grünstrom-PPAs zu erleichtern, schlägt die Kommission ausdrücklich vor, Herkunftsnachweise (HKN) an alle Erzeuger erneuerbarer Energien – auch für finanziell geförderten Grünstrom – auszugeben (Art. 19). Nach Ansicht der Kommission schafft dies eine kohärente Basis für die Verwendung von HKN (Erwägungsgrund 13). Die Ausweitung des Kreises der HKN-Berechtigten würde sicherlich den Abschluss von Grünstrom-PPAs fördern. Allerdings bleibt hierbei eine differenzierte Vorgehensweise und Umsetzung durch die Mitgliedstaaten geboten. Würde diese Empfehlung in Deutschland uneingeschränkt auch für Strom aus EEG-geförderten Anlagen gelten und damit das sog. Doppelvermarktungsverbot entfallen, wäre eine Überflutung des europäischen HKN-Marktes und ein entsprechender Preisverfall der Zertifikate zu befürchten, kritisieren einige Deutsche Ökostromanbieter. Sie warnen, dass die Ausstellung von HKN für Strom aus EEG-vergüteten Anlagen ein Einfallstor für Greenwashing-Tarife bietet. Es besteht die nicht von der Hand zu weisende Befürchtung, dass die Ausstellung von HKN auch für geförderten Grünstrom zu einer Verzögerung des Übergangs aus dem Förderrahmen in den Markt führt. Denn mit einer solchen Ausweitung entfiele eine ansonsten exklusive Einnahmequelle für nicht geförderte Anlagen.
Verstärkte Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten
Während RED II den Mitgliedstaaten lediglich die Option der Zusammenarbeit im Rahmen gemeinsamer Projekte im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien gegeben hat (Art. 9 Abs. 1), geht RED III nun einen Schritt weiter. Art. 9 Abs. 1a regelt die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, bis zum 31. Dezember 2025 ein grenzüberschreitendes Pilotprojekt zu vereinbaren und einzuleiten. Gerade im Rahmen der Offshore-Energie-Erzeugung ist eine Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit vorgesehen. Die Mitgliedstaaten sollen gemeinsam die Menge an Offshore-Energie aus erneuerbaren Quellen festlegen, die je Meeresbecken bis 2050 erzeugt werden soll, und müssen diesbezüglich ihre Zusammenarbeit vereinbaren (Art. 9 Abs. 7a).
Dahinter stehen die Erwägungen der Kommission, dass die Strategie für erneuerbare Offshore-Energie vorsieht, 2050 in den Meeresbecken der Union 300 GW Offshore-Windenergie und 40 GW Meeresenergie zu gewinnen. Um diesen grundlegenden Wandel sicherzustellen, müssen die Mitgliedstaaten auf Ebene der Meeresbecken grenzübergreifend zusammenarbeiten. Dafür sollten Mitgliedstaaten insbesondere die Möglichkeit des Verbunds der Erzeugung erneuerbarer Offshore-Energie mit Übertragungsleitungen, die mehrere Mitgliedstaaten miteinander verbinden, nutzen und in Form von Hybridprojekten in Betracht ziehen. Damit könnte Strom in unterschiedliche Richtungen geleitet werden, um den sozioökonomischen Nutzen zu maximieren, Infrastrukturausgaben optimal zu nutzen und für eine nachhaltigere Meeresnutzung zu sorgen (Erwägungsgrund 8).
Strengere Kriterien für Bioenergie
Die Kommission plant zudem, Nachhaltigkeitskriterien für die Nutzung von Bioenergie zu verstärken. Die Mitgliedstaaten sollen sicherstellen, dass bei der Energieerzeugung aus Biomasse eine übermäßige verzerrende Wirkung auf den Biomasse-Rohstoffmarkt verringert wird sowie schädliche Auswirkungen auf die Biodiversität minimiert werden. Ab 2026 soll die Nutzung von forstwirtschaftlicher Biomasse in reinen Stromanlagen grundsätzlich nicht mehr gefördert werden (Art 3 Abs. 3). Die bereits in RED II enthaltenen THG-Minderungspflichten sollen künftig auch für Biomasse-Bestandsanlagen Anwendung finden (Art. 29). Einer Umsetzung dessen dürften Altanlagenbetreiber jedoch kritisch gegenübertreten. Diesen sowie den Änderungsvorschlag zum Erlass eines delegierten Rechtsaktes zur Einführung und Umsetzung des Kaskadenprinzips (Art. 3 Abs. 3, Erwägungsgrund 4) lehnt jedenfalls der Bundesrat in seiner Stellungnahme im Dezember 2021 als unverhältnismäßig ab.
Untersuchung und konkrete Umsetzung der Novelle bleiben abzuwarten
Der Entwurf wird mittlerweile von Rat und EU-Parlament untersucht. Im Zuge dessen wurde im Herbst 2021 Kritik aus dem EU-Parlament an dem neuen Ziel von 40 % erneuerbaren Energien im Energiemix laut. Die Kommission stelle damit erhöhte Richtwerte auf, ohne die Folgen hinreichend analysiert zu haben. Im Gegensatz dazu gibt es Stimmen aus der Ökostrom-Branche, die ein noch höheres Ziel (50 %) fordern. Die Ergebnisse der Verhandlungen bleiben abzuwarten. Mit einer Verabschiedung der Änderungsrichtlinie ist bis Ende 2022 zu rechnen. Nach der aktuellen Fassung bliebe den Mitgliedstaaten bis Ende 2024 Zeit, RED III in nationales Recht umzusetzen. Erst dann wird sich abschließend zeigen, wie „technologieoffen und ambitioniert“ die Ziele durch die Koalitionsparteien gesetzlich verankert werden.
In der Serie „Environment and Climate Change″ sind wir eingegangen auf neue Gesetze im Energierecht, den Inhalt des 12. Deutschen Energiekongresses, haben uns mit dem Mieterstrom, mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes und der H2O-Politik und der Herstellerhaftung in Russland befasst sowie die Konsultation und das Feedback zur BNetzA-Konsultation Wasserstoffnetze dargestellt. Weiter beschäftigt haben wir uns mit der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung, der Einwegkunststoffverbotsverordnung, dem „Green Deal″, den Auswirkungen der EU-Taxonomie auf die Immobilienwirtschaft und der Wasserstoffstrategie in Ungarn. Anschließend sind wir auf das Fit-for-55-Maßnahmenpaket und die Entwicklungen in der nationalen Wasserstoffstrategie der Türkei, auf die Beschaffungen des Bundes sowie die Auswirkungen der Sondierungsgespräche auf die Immobilienbranche eingegangen.